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Auf einer Betonwand mit bunten Abdrücken von Kinderhänden ist ein Mann mit Kind auf dem Arm und an der Hand zu sehen.
© Peter Kneffel/dpa

Neue gesellschaftliche Vielfalt: Berliner Institut soll Folgen der Diversität erforschen

Humboldt-Uni, Hertie School und Forschungsinstitute planen ein "Einstein Center for Population Diversity". Dahinter steht eine private Millionen-Spende.

Berlin, die wohl diverseste Stadt Deutschlands, soll ein neues Institut für Bevölkerungswissenschaft bekommen. Alternde Gesellschaft, neu Zuwandernde, Alleinerziehende, die dritte Geschlechtsoption und Regenbogenfamilien: Die rasanten Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur und in den Familienformen seien ein bislang wenig bearbeitetes Themenfeld, sagt Andreas Edel, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für demografische Forschung, der an der Antragsvorbereitung beteiligt ist.

Geplant sei ein „Einstein Center for Population Diversity“, die Anschubfinanzierung dafür stehe, erklärt Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft auf Anfrage. Eine Stiftung im Stifterverband habe eine Million Euro zugesagt. Hinzu kämen 500 000 Euro vom Land Berlin. Organisiert wird die Finanzierung vom Förderfonds Wissenschaft in Berlin. Ihn haben der Stifterverband und die Einstein-Stiftung im April 2017 gegründet, um private Spenden für die Berliner Wissenschaft zu mobilisieren. Der Förderfonds managt bereits die Public Private Partnership beim Einstein Center Digital Future, das ebenfalls im Frühjahr 2017 startete.

Institut soll Ursachen und Folgen der Bevölkerungsvielfalt erforschen

„Die Digitale Zukunft und die Bevölkerungswissenschaft sind die ersten beiden großen Projekte des Förderfonds“, sagt Schlüter. Beim Projekt für das neue Einstein Center for Population Diversity ist die Humboldt-Universität federführend, beteiligt sind außerdem die private Hertie School of Governance, das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Rostocker Max-Planck-Institut für demografische Forschung – und eine Soziologin von der University of Oxford. Mit ihr sind die drei großen Berliner Unis und die Charité in der „OX/BER Research Partnership“ angesichts des bevorstehenden Brexit eine enge Kooperation eingegangen.

„Die Mission des neuen Einstein-Zentrums ist es, die Ursachen und Folgen der Bevölkerungsvielfalt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sowie durch länderübergreifende Vergleiche zu untersuchen“, heißt es in einem Entwurfspapier zum geplanten Institut. Forschende aus der Demografie, der Epidemiologie, der Medizin, Politikwissenschaft, Psychologie, Soziologie, Statistik und Wirtschaftswissenschaften sollen „eine erneuerte und interdisziplinäre Bevölkerungswissenschaft“ begründen – und damit einen Berliner „Leuchtturm von hoher internationaler Ausstrahlungskraft“.

Klassische Wählermilieus brechen weg

„Heute ist Prenzlauer Berg der Bezirk der jungen Familien, aber auch sie werden altern“, nennt Andreas Edel ein Beispiel für die Berliner Diversität. Ein verwandtes Thema sei die Gesundheitsdiversität, wobei es unter anderem um Unterschiede im Gesundheitsstatus von Männern und Frauen geht. Das schließe auch die Frage ein, inwieweit soziale Ungleichheit und Diversität in Verbindung stehen – etwa hinsichtlich eines wachsenden Anteils an Alleinerziehenden oder neu Zugewanderten, sagt Edel, der in Berlin das vom Rostocker MPI betriebene europäische Netzwerk „Population Europe“ leitet.

Politische Auswirkungen habe die zunehmende Diversität der Bevölkerung auch dann, wenn klassische Wählermilieus wegbrechen, sagt Edel. „Wie sieht die Gesellschaft in 20 bis 30 Jahren aus und was hält sie dann zusammen“, laute die übergeordnete Forschungsfrage, die das neue Institut bearbeiten könnte – für Deutschland und Europa in globaler Perspektive. Im Entwurfspapier für das Zentrum wird das Spannungsfeld so beschrieben: „Für die einen bedeutet diese Vielfalt eine Chance, die neue Perspektiven, kreative Ideen und zivilgesellschaftliche Initiativen ermöglicht, die unsere Gesellschaft bereichern. Andere sehen darin eher eine Infragestellung des sozialen Zusammenhalts.“

Zu erforschen gelte es deshalb auch, wie in Zukunft eine hinreichende soziale Sicherung, nachhaltige Beschäftigungschancen und politische Partizipationsmöglichkeiten bereitgestellt werden könnten.

Noch fehlen Millionen Euro für die Laufzeit von sechs Jahren

Doch selbst wenn die ersten 1,5 Millionen Euro für das Vorhaben als gesichert gelten können: Noch muss das Einstein Center for Population Diversity weitere Hürden nehmen. Gebraucht werden zwei Millionen Euro pro Jahr – für die übliche sechsjährige Laufzeit von Einstein-Zentren. Der Antrag bei der Einstein-Stiftung soll im März gestellt werden, heißt es. Andreas Schlüter vom Stifterverband ist zuversichtlich: „Die Wissenschaft in Berlin stößt wegen der hohen Dichte von Forschungseinrichtungen und ihrer internationalen Ausstrahlung in ganz Deutschland auf das Interesse potenzieller Stifter.“ Und gerade das Thema des demografischen Wandels und der zunehmenden gesellschaftlichen Diversität sei hoch aktuell.

Der Fachöffentlichkeit wird sich das Forschungszentrum am 21. Januar vorstellen – bei einer Tagung in der European School of Management and Technology am Berliner Schlossplatz. Diskutiert wird unter dem Titel „Population Diversity als Zukunftstrend“. Offiziell starten soll das Zentrum im Januar 2020, unterdessen wird noch nach einem geeigneten Gebäude gesucht „Es wird Zeit, dass wir nicht nur von Vielfalt sprechen, sondern die Menschen, die diese Vielfalt ausmachen und gestalten, viel stärker als bisher in den Fokus rücken“, sagt Andreas Edel.

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