Schnelltests im Kampf gegen dritte Welle?: Berliner Forscher warnen vor 2000er-Inzidenz im Mai
Einer neuen Studie zufolge können die Notbremse, Impfungen und wärmeres Wetter die dritte Welle nicht aufhalten. Was muss stattdessen passieren?
Die dritte Welle der Covid-19-Pandemie könnte zu deutlich höheren Inzidenzen führen als die zweite. Das ist das Ergebnis einer neuen Modellierung vom Fachgebiet Verkehrssystemplanung und Verkehrstelematik von Kai Nagel an der TU Berlin.
An der steigenden Inzidenz könne den Simulationen zufolge die Corona-Notbremse, wie sie auf dem Corona-Gipfel am Montagabend beschlossen wurde, das fortschreitende Impfprogramm und das wärmere Wetter im Frühjahr nichts ändern.
Bei Fortsetzung des derzeitigen Impftempos würden Mitte April knapp 15 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Erstimpfung haben.
„Das senkt den R-Wert ungefähr um 15 Prozent und ist damit deutlich zu wenig, um die durch die Virus-Variante B.1.1.7 verursachte Erhöhung des R-Wertes um 35 bis 70 Prozent auszugleichen“, erklärt Kai Nagel. Selbst eine 50-prozentige Erhöhung des Impftempos ab 1. April würde daran nichts mehr ändern. Die Reproduktionszahl (R) bezeichnet die Anzahl der Menschen, die im Durchschnitt von einer infizierten Person angesteckt werden.
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Ausbremsen könne die dritte Welle aber immerhin der massive Einsatz von Tests von Tests. Allerdings auch nur im bedingten Rahmen, wie eine Modellierung zeigt.
Werden Schulen und Kitas nach den Osterferien geöffnet, das aktuelle Aktivitätsniveau (von 76 Prozent) beibehalten, die jetzige Impfrate fortgeführt und keine Tests in den Einrichtungen durchgeführt, dann ist im Mai in Deutschland mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von etwa 2000 zu rechnen.
Werden in Schulen und Kitas einmal pro Woche Schnelltests gemacht, so liegt der Inzidenz-Peak nur noch bei 1600. Werden die Tests dreimal pro Woche gemacht, erreicht die Inzidenz ihren höchsten Wert Ende April/Anfang Mai und liegt dann bei 1200.
Eine ähnliche Wirkung haben der Studie zufolge Tests im Arbeits-und Freizeitbereich. Wissenschaftler Kai Nagel schlussfolgert daher: „Sollte es möglich sein, eine Teststrategie durchzusetzen, die die Bereiche Bildung, Arbeit und Freizeit im großen Umfang abdeckt, könnten die Fallzahlen der dritten Welle effektiv abgesenkt werden." Die schlechte Nachricht aber ist: „Im besten Fall nur auf das Niveau der zweiten Welle Ende Dezember 2020."
Allein für Berlin würde das die Durchführung von rund 3,4 Millionen Tests pro Woche bedeuten. Personen, die dabei positiv getestet werden, müssten sich sofort in Quarantäne begeben und dort das Ergebnis eines PCR-Tests abwarten. Ohne vorherigen Schnelltest oder das Tragen einer Maske empfehlen die Experten auf Kontakte in Innenräumen zu verzichten.
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Schlechtere Voraussetzungen als im Frühjahr 2020
„Wir gehen also mit schlechteren Voraussetzungen als 2020 in die wärmere Jahreszeit“, sagt Kai Nagel. Die Simulationen würden deutlich zeigen, dass Infektionen praktisch nur in Innenräumen in eigenen Haushalten, bei privaten Besuchen, in Büros und in der Schule stattfinden – und zwar, wenn es dort zu länger andauernden und ungeschützten Kontakten ohne Maske kommt.
„Unsere Berechnungen ergeben, dass es effektiver ist, alle Bereiche zu beteiligen, als in einem einzelnen Bereich weitere Schutzmaßnahmen hinzuzufügen“, erklärt Nagel weiter. Zum Beispiel habe nach der Einführung der Maskenpflicht im Einzelhandel die vollständige Schließung nicht-essenzieller Geschäfte kaum zusätzliche Wirkung gehabt.
Oster-Lockdown gut, aber nicht ausreichend
Zu dem nun beschlossenen Oster-Lockdown sagte Nagel dem Tagesspiegel, dass es unbedingt vermieden werden sollte, dass die Einschränkungen missachtet werden. Er erwartet keine positiven Wirkungen, aber immerhin, dass stärker negative Auswirkungen verhindert werden können.
„Wenn die Menschen ihre Aktivitäten auf das Maß von Januar zurückfahren, sich an Ostern mit den gegenseitigen Besuchen zurückhalten und es ein umfassendes Schnelltest-Regime gibt, dann besteht ohne weitere Mutationen immerhin eine gute Chance, dass es bis Mitte Mai vorbei ist.“
Der Haupteffekt der Osterruhe werde nicht in der Reduktion der Infektionen liegen, sondern in dem Signal, dass die Menschen sich möglichst wenig treffen sollten. Die neuen Beschlüsse würden viele richtige Dinge enthalten, aber nur als Empfehlung, nicht als Zwang. „Hier kommt es nun darauf an, dass die Menschen und die Unternehmen dies selbstständig umsetzen.“
Grundsätzlich seien die beschlossenen Maßnahmen zwar ein guter Schritt, aber immer noch zu wenig. „Es muss etwas über die Restriktionen vom Januar hinaus geschafft werden – gut wären zum Beispiel Schnelltests vor allen privaten Treffen in Innenräumen.“ Sonst sollte auf das Treffen verzichtet oder es draußen abgehalten werden.
Für Ostern gelte: „So wenig Personen wie möglich und vorher ein Schnelltest.“ Wenn möglich sollten die Treffen draußen stattfinden; in Innenräumen sollten „im Prinzip“ Masken getragen werden. Bei den Treffen sollte diszipliniert auf die Maßnahmen geachtet werden.
Dass der zusätzliche Feiertag an Gründonnerstag zu einem riskanten Ansturm auf die Lebensmittelläden führen könnte, sieht Nagel weniger als Problem. Mit Maske sei das Infektionsrisiko in Geschäften auf jeden Fall kleiner als in privaten Innenräumen ohne Maske und Schnelltest.
Kontakte in Innenräumen mit deutlichen Folgen
Bereiche, in denen ungeschützte Kontakte in Innenräumen weiterhin möglich sind, würden den Simulationen zufolge dramatisch zum Infektionsgeschehen beitragen und den R-Wert deutlich über 1 treiben.
Das Team um Nagel nutzt seit Mitte des Jahres 2020 Daten aus der Verkehrsplanung, um ein neu entwickeltes Modell zur Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 unter verschiedenen Annahmen zu modellieren. Die Ergebnisse werden regelmäßig mit den Regierungen des Bundes und der Länder geteilt.
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