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Das Corona-Schnelltestzentrum in der Lehrter Straße.
© Jörg Carstensen/dpa
Update Exklusiv

Frust bei privaten Betreibern: Corona-Testzentren in Berlin erhalten frühestens im Mai Geld

Berlin hat die Zahl der Test-Stellen rasant ausgebaut, aber die Finanzierung lahmt. Gesundheitsverwaltung reagiert auf Kritik an Direktvergabe an Firma DX21.

Kaum ein Bundesland hat so schnell Schnelltestzentren aus dem Boden gestampft wie Berlin. Fast 150 Stellen sind innerhalb von zwei Wochen entstanden. Jeder Bürger kann sich dort kostenlos auf das Coronavirus testen lassen. Doch die privaten Betreiber werden wohl noch bis Mitte Mai auf die Kostenübernahme durch den Staat warten müssen. Die ersten denken deshalb daran, wieder aufzugeben - und auch an der Vergabe der 16 Landes-Teststellen an den Betreiber DX21 gibt es heftige Kritik.

Der private Markt für Schnelltests ist schon nach wenigen Wochen durch die vom Staat finanzierten Abstriche nahezu trockengelegt. Wer einen Test will, holt ihn sich gratis bei einer der durch das Land Berlin zertifizierten Test-Stationen. Deshalb bemühen sich die vielen privaten Betreiber um eine Zulassung. Die Abrechnung der Kosten ist bislang allerdings kaum geregelt. Sie stehen deshalb vor der Wahl: Gleich aufgeben oder Aufbruch ins Ungewisse.

Die Erstattung der Kosten für "Bürgertests" soll die Kassenärztliche Vereinigung (KV) übernehmen. Das ist bundesweit so geregelt, ebenso wie der Kostensatz: 12 Euro für die Durchführung und 6 Euro für den Schnelltest selbst erhalten die Unternehmen. Aus einem internen Schreiben der Berliner Gesundheitsverwaltung geht nun hervor, dass die KV Berlin aber erst Anfang Mai mit der Abrechnung beginnen kann.

Eine Sprecherin der KV antwortete am Freitag: "Sobald die Voraussetzungen für die Abrechnung geklärt sind, können die Testzentren über das Webportal der KV Berlin die Tests abrechnen." Aktuell gehe man davon aus, dass das im Mai passieren könne.

"Testzentren können die durchgeführten Testungen dann monatlich melden, die Auszahlung der gemeldeten Beträge erfolgt in selbem Turnus", sagte die Sprecherin. Die Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung dafür erwartet der Berliner Landesverband am 22. März.

Für die vielen Test-Stellen gleicht das einer Katastrophe. "Ich investiere momentan meine privaten Ersparnisse, um die Tests vorzufinanzieren", sagt Nikolai von Schroeders. Er ist Arzt und einer der Leiter der Teststelle im Kitkat-Club in Mitte. "Wir führen wegen der unklaren Finanzierung nur ein Drittel der Tests durch, die möglich wären." Statt 1000 Tests am Tag werden im Kitkat-Club zurzeit maximal 300 durchgeführt.

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Es gebe überhaupt keine Planungssicherheit, sagt von Schroeders. Es sei unklar, ob der Senat die privat betriebenen To-Go-Teststellen auch mit Schnelltests ausstattet oder alles selbst finanziert werden müsse. Zwei weitere Test-Betreiber denken deshalb darüber nach, ihr Angebot wieder zu einzustellen.

Auf Tagesspiegel-Anfrage bestätigte Moritz Quiske, Sprecher der Gesundheitsverwaltung, dass die KV alle Kosten seit dem 8. März übernehmen wird. "Unabhängig von der Überspielung der Abrechnungsdaten im Mai werden die Kosten von Anfang an getragen", teilte der Sprecher mit.

Senat plant 28 Millionen Euro für 21 eigene Teststellen ein

Die Betreiber der Test-Stellen, meist Unternehmen aus der brachliegenden Veranstaltungsbranche, klagen über die mangelnde Information aus dem Senat. Aus einer internen Finanzierungsvorlage geht nun hervor, dass die Schnelltests des Landes Berlin nur für die landeseigenen Stellen gedacht sind, die privaten To-Go-Teststellen erhalten sie nur im Notfall. Sie müssen also eigene kaufen und tatsächlich über Monate ohne Erstattung finanzieren. Von Schroeders wurde nicht darüber informiert.

Zusätzlich zu den zertifizierten privaten Test-Stellen gibt es bislang 16 landeseigenen Teststellen. Das lässt sich der Senat in den kommenden Monaten mehr als 28 Millionen Euro kosten, wie aus einer internen Vorlage für das Parlament hervorgeht. Diese Zentren werden zurzeit betrieben vom Unternehmen DX21 aus München, es wird geführt von Martina Steiner-Samwer. Für das Unternehmen, das häufig mit Behörden zusammenarbeitet, dürfte der Auftrag lukrativ sein.

Über DX21 könnte Berlin bald 21 eigene Test-Zentren betreiben

Fünf weitere solcher Teststellen sollen nun für fast vier Millionen Euro entstehen, sodass Berlin über das Unternehmen DX21 dann 21 eigene Test-Zentren betreiben würde. Sie befinden sich größtenteils in landes- oder bezirkseigenen Gebäuden. "Das ist ein millionenschwerer geldwerter Vorteil für das Unternehmen", sagt ein Kenner der Branche. Gleichzeitig ist DX21 nun auch für die Zertifizierung aller anderen To-Go-Teststellen, zum Beispiel der im Kitkat, zuständig.

Nach übereinstimmenden Informationen aus Senatskreisen wurde der Auftrag an DX21 nicht ausgeschrieben, sondern direkt vergeben. Das ist in der Pandemie zwar explizit möglich, um lange Ausschreibungsverfahren zu umgehen, wird in dieser Größenordnung aber als ungewöhnlich erachtet. Andererseits, heißt es aus Senatskreisen, konnte Berlin vor allem durch die schnelle Vergabe an das Unternehmen so schnell die Zahl der Zentren ausbauen.

Schwere Datenpanne sorgt für Entsetzen in der Branche

"Wir haben immer wieder angefragt, wann und wie die kostenlosen Tests angeboten werden und wie wir dabei helfen können", sagt Nikolai von Schröders. "Wir haben nie eine Antwort bekommen. Plötzlich wurde aber in einer intransparenten Vergabe DX21 beauftragt, die Teststellen aufzubauen." In der Branche wird über gute Verbindungen des Unternehmens in die Gesundheitsverwaltung spekuliert. Beweise dafür gibt es bislang nicht.

Allerdings sorgte das Unternehmen kürzlich durch eine schwere Sicherheitslücke für Aufregung. Laut einer Analyse des IT-Kollektivs "Zerforschung" und des Chaos Computer Club (CCC) lagen für Tausende von Getesteten hochsensible Daten schlecht gesichert im Netz. Theoretisch war bei fast 140.000 Kunden des Anbieters Name, Adresse, Geburtsdatum, Telefonnummer und Mail-Adresse einsehbar. Mehrere Branchenkenner äußerten sich entsetzt darüber.

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Die Verwunderung über den Millionen-Auftrag reicht über Berlin hinaus. Christoph Neumeier, Geschäftsführer des bundesweit aktiven Test-Dienstleisters Covimedical, sagte dem Tagesspiegel am Freitag: "Wie der Aufbau der Test-Zentren in Berlin gelaufen ist, ist eine Schweinerei. Aus unserer Sicht hat keine öffentliche Vergabe stattgefunden."

Gerade kleine Test-Zentren leiden

Neumeier und sein Unternehmen betreiben in ganz Deutschland mehr als 50 Test-Zentren. Er stammt - wie so viele Teststellen-Betreiber - ursprünglich aus der Veranstaltungsbranche, beschäftigt mittlerweile mehr als 1000 Mitarbeiter. Neumeier sagt: "Alle anderen Unternehmen wurden in Berlin vor vollendete Tatsachen gestellt und müssen sich nun vom Wettbewerber zertifizieren lassen. Das hat für einen massiven Wettbewerbsvorteil für DX21 gesorgt. Das gibt es in keinem anderen Bundesland."

Auch Neumeiers Unternehmen hat zusätzlich mit den bundesweit fehlenden Abrechnungsregelungen zu kämpfen. Er rechnet damit, dass die von der Regierung versprochene Erstattung der Kosten auf jeden Fall kommt, die wichtige Frage sei aber, wann das passiert. "Momentan kalkulieren wir mit Zwischenfinanzierungen. Kleine Test-Zentren können sich das aber nur für einen sehr kurzen Zeitraum leisten", sagt Neumeier.

Die Gesundheitsverwaltung antwortete am Freitag auf die Kritik an der direkten Vergabe der landeseigenen Test-Zentren: "DX21 wurde als Bestandsdienstleister für die erste Phase ab dem 8. März 2021 genutzt, um mit diesen Testkapazitäten unmittelbar anfangen zu können." Seit Freitag sei das Vergabeverfahren für das "Berliner Schutz Testkonzept" aber auf der landeseigenen Vergabeplattform veröffentlicht. "Jedes Unternehmen kann sich daran beteiligen."

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