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Trockenbau. Bislang verbraucht die Produktion von Akku-Elektroden viel Energie, weshalb Länder mit billigem Strom im Vorteil sind. Mit der Technik des „Trockentransfers“ werden sowohl Energie als auch giftige Lösungsmittel gespart.
©  Norbert Millauer/Fraunhofer IWS

Umweltfreundlichere Batterien für E-Autos: Akkus energiesparend und wettbewerbsfähig herstellen

China ist in der Akku-Produktion fast konkurrenzlos billig. Eine Technik aus Deutschland ändert das nun.

Um den Verkehr klima- und umweltfreundlicher zu machen, müssen herkömmliche Verbrennungsmotoren weitgehend ersetzt werden. Politik und Wirtschaft setzen hierfür vorrangig auf Elektrofahrzeuge. Doch bei diesen gibt es noch etliches zu verbessern, nicht zuletzt bei den Batterien. Deutsche Forscher haben jetzt ein Verfahren entwickelt, das die Herstellung der Stromspeicher preiswerter und zugleich umweltschonender machen soll. „Das spart Ressourcen. Zudem könnte die Technologie dazu beitragen, eine international wettbewerbsfähige Batteriezellproduktion in Deutschland und Europa zu ermöglichen“, sagt der Entwicklungsleiter Benjamin Schumm vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden.

Vernetzen statt Trocknen

Bisher werden die meisten Batteriezellen in Asien produziert und auch von deutschen Autoherstellern dort eingekauft. Der Grund: Die asiatischen Firmen haben lange Erfahrungen in der Massenproduktion solcher Akkus und diese erfordert viel Energie. Das macht die Fertigung an Standorten mit hohen Strompreisen wie in Deutschland teuer. Erst kürzlich hatte der Chef des Automobilzulieferers Continental, Elmar Degenhart, im Interview mit dem Tagesspiegel erklärt, es gebe keinen Grund für eine Batteriezellfertigung in Deutschland und hatte als Begründung unter anderem hohe Stromkosten angeführt. Das nun am IWS entwickelte Verfahren hingegen spart Energie ein, sodass eine hiesige Produktion konkurrenzfähig wäre.

Wesentliches Element von Batterien sind Elektroden – jene Bauteile, zu denen die Elektronen „hinwandern“, sodass ein Strom fließt und Elektroenergie bereitgestellt wird. Um sie herzustellen werden Kupfer- oder Aluminiumfolien mit sogenannten Aktivmaterialien versehen – meist Partikel, die Lithium, Nickel, Kobalt oder Grafit enthalten. Bei herkömmlichen Verfahren werden diese zunächst mit verschiedenen weiteren Chemikalien, darunter organische Lösungsmittel, vermischt und als feuchte Paste auf die Folie aufgetragen. Diese muss anschließend mit großem Energieeinsatz getrocknet werden. „Unser Verfahren kommt ohne Trocknung aus und es müssen auch keine Lösungsmittel eingesetzt werden, um die Elektrode herzustellen!, sagt Schumm.

Denn er und sein Team verwenden einfach trockenes Pulver, in dem die gewünschten Aktivmaterialien vermengt sind. Das Gemisch wird zwischen zwei eng stehenden Walzen hindurchgeschickt. Der Trick: Im Pulver ist ein sogenannter Binder aus Polymeren enthalten, die durch die Kräfte beim Walzen mikroskopisch kleine Fäden ausbilden. „Wie ein Spinnennetz halten diese die Aktivpartikel fest“, erläutert der IWS-Forscher. Die so beschichtete Folie ist sofort bereit für die weitere Batteriefertigung.

"Gewaltige Fortschritte möglich": Doppelte Reichweite von E-Autos

Nach etlichen Labortests in Dresden haben die Forscher gemeinsam mit dem finnischen Batteriehersteller „BroadBit Batteries“ eine Pilotanlage in dessen Fabrik in Espoo aufgestellt, um die Trockenbeschichtung in der Praxis zu testen. „Sie bewährt sich“, berichtet Schumm. „Mittlerweile ist auch in Deutschland das Interesse groß, wir sind mit mehreren Industrievertretern im Gespräch.“ Naturgemäß gibt es Skepsis gegenüber neuen Methoden. Die IWS-Wissenschaftler argumentieren mit der Energieeinsparung, die Schätzungen zufolge bei rund fünf bis zehn Prozent liegt.

„Das Verfahren ist innovativ und es geht auch wichtige Probleme bei der Beschichtungstechnik an“, sagt Maximilian Fichtner, Experte für elektrochemische Speicher. Er ist auch stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm, das die Batterieforschung im Südwesten der Republik bündelt, an dem aktuellen IWS-Projekt aber nicht beteiligt ist. „Es muss sich jedoch noch zeigen, wie gut diese Schichten auf Dauer halten, insbesondere bei Schnellladevorgängen, und ob die Technik in der Praxis mit verschiedenen Batteriechemien und Elektrolyten kompatibel ist.“

Genau das wollen die IWS-Wissenschaftler um Benjamin Schumm nun weiter erforschen: „Bisher arbeiten wir mit der Natrium-Ionen-Technologie, wir sind aber zuversichtlich, dass auch andere Typen wie Lithium-Ionen- oder gar Festkörperbatterien, die eine noch höhere Speicherfähigkeit versprechen, mit dem Trockenbeschichtungsverfahren hergestellt werden können“, sagt Schumm.

„Insbesondere im Automobilbau sind bei Energiespeichern noch gewaltige Fortschritte möglich und nötig, um eine echte Alternative zum Verbrenner zu werden“, sagt Christoph Leyens, der das IWS sowie das Institut für Werkstoffwissenschaft an der TU Dresden leitet. „Ich halte es für möglich, dass die Reichweite von Elektroautos von derzeit rund 300 Kilometern nahezu verdoppelt werden kann, ohne dass die Batterien nennenswert an Masse und Raumbedarf zunehmen.“ Zugleich werde zunehmend Wert darauf gelegt, dass die Speicher recyclingfähig sind und möglichst Rohstoffe verwendet werden, die absehbar gut verfügbar sind und deren Abbau keine ethischen Probleme aufwirft – wie etwa bei Kobalt, das oft unter menschenunwürdigen Bedingungen in Zentralafrika aus der Erde geholt wird.

Die oft genannte Aussage, wonach Deutschland den Anschluss in der Batterietechnologie verloren habe, teilt Leyens im Übrigen nicht. „Noch haben wir die Systemkompetenz, von der Werkstoffentwicklung bis zur Ladetechnik“, sagt er. „Um sie zu erhalten sind jedoch verstärkte Anstrengungen nötig, sowohl in der Industrie wie auch in der Politik, die Forschung und Entwicklung entschlossen unterstützen müssen.“

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