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Unstet. Windräder drehen sich nicht immer dann, wenn es die Stromkunden wünschen. Große Energiespeicher könnten helfen, Versorgungslücken zu schließen.
© picture alliance / dpa

Energiespeicher: Strom aus dem Tank

Wind- und Solarenergie hat einen Nachteil: Sie lässt sich nicht speichern. Mit Redox-Flow-Batterien könnte das gelingen. Weltweit arbeiten Forscher an der Technik, um sie konkurrenzfähig zu machen.

Der Anteil erneuerbarer Energiequellen an der deutschen Stromerzeugung beträgt mittlerweile mehr als ein Fünftel. Ein Problem ist nach wie vor ungelöst, und es wird immer größer, je weiter der Ökostromanteil wächst. Die Leistung der Windkraft- und Solaranlagen hängt vom Wetter ab, aber nicht vom Bedarf der Stromkunden. Um diese Lücke zu schließen, sind Energiespeicher nötig. Doch die gibt es bisher nicht, zumindest nicht in der erforderlichen Größe.

Weltweit arbeiten Forscher an Verfahren, die diese Aufgabe zu vertretbaren Kosten übernehmen könnten. Etwa an der Elektrolyse, wo Wasser in die Elemente Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird, an Druckluftspeichern und an „Redox-Flow-Batterien“. Bei diesen Speichern ist Forschern der Harvard-Universität ein großer Schritt gelungen. Ihr Ansatz könne dazu führen, die Kosten für die Technik auf ein Drittel zu reduzieren und sie so konkurrenzfähig zu machen, berichten sie im Fachblatt „Nature“.

Je größer der Tank, desto mehr Energie wird gespeichert

Das Besondere an Redox-Flow-Batterien ist die Bauweise. Herkömmliche Akkus, wie sie in Autos oder Mobiltelefonen zu finden sind, bilden abgeschlossene Einheiten. Dadurch ist ihre Speicherkapazität festgelegt. Bei Flussbatterien jedoch wird Energie in Form von flüssigen Chemikalien gespeichert. Prinzipiell kann über die Größe der Tanks das Speichervermögen beliebig verändert werden. Zudem sind theoretisch mehrere tausend Ladezyklen möglich.

Die Batterien arbeiten mit zwei Chemikalien, die auch als Elektrolyt bezeichnet werden und die verschiedene Metallionen enthalten. Sie werden in zwei Teilzellen gepumpt, die durch eine feinen Membran voneinander getrennt sind. Beim Laden nehmen die Ionen in dem einen Tank Elektronen auf (Reduktion), in dem anderen werden Elektronen abgegeben (Oxidation). Während des Entladens verläuft die Reaktion in umgekehrter Richtung.

Die Batterien sind noch sehr teuer

Doch Flussbatterien sind teuer. Das liegt unter anderem an der aufwendigen Herstellung sowie an den Kosten für den Elektrolyt. Die Harvard-Forscher um Michael Aziz stellen jetzt einen Speicher vor, der statt teuren Vanadiums mit Chinonen betrieben wird. Das sind wasserlösliche organische Verbindungen, die jenen Molekülen ähneln, die auch in Pflanzen und Tieren für die Energieversorgung wichtig sind. Nach umfangreichen Simulationen entschieden sich die Forscher für ein Molekül, das in ähnlicher Form auch in Rhabarber vorkommt. Der zweite Elektrolyt war eine Bromidlösung.

Funktionsweise der Redox-Flow-Batterie
Funktionsweise der Redox-Flow-Batterie
© Nature/TSP

Den Wissenschaftlern zufolge zeigte ihre Batterie selbst nach mehr als 100 Ladezyklen keine Alterungserscheinungen, auch die Leistungsdichte von 600 Milliwatt pro Quadratzentimeter liegt deutlich über dem, was Vanadium-Flussbatterien erreichen. Bis zu einem einsatzfähigem Speicher sei es dennoch ein weiter Weg, schreibt Grigorii Soloveichik vom General-Electric-Forschungszentrum in einem „Nature“-Kommentar. Die Forscher hätten lediglich die Reduktion der Chinonen untersucht; der Rückweg, die Oxidation, sollte ebenfalls studiert werden. Fraglich sei auch, welchen Einfluss Verunreinigungen haben. „Sollten besonders reine Chinonen erforderlich sein, könnten die Kosten rasch steigen“, schreibt er.

Mit Luft und Vanadium

Auch Simon Ressel von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, der ebenfalls Redox-Flow-Batterien entwickelt, warnt vor zu großer Euphorie. „Da sind noch viele Punkte zu klären“, sagt er. Etwa, ob die Batterie langfristig altert und ob sie temperaturstabil arbeitet. Man könne davon ausgehen, dass beim „Wachsen“ der Batterie vom Labormaßstab bis zu einem großen Speicher, der neben einer Windkraftanlage steht, noch einige Probleme offenbar werden.

Ressel verfolgt einen anderen Ansatz. Gemeinsam mit mehreren Forscherteams aus ganz Deutschland arbeitet er im Projekt „Tubulair“ an einer Batterie, die nur eine Elektrolytlösung benötigt. Die Protonen (Wasserstoffkerne), die für die Übertragung der Energie nötig sind, wollen die Forscher aus der Umgebungsluft gewinnen. Dafür soll der darin enthaltene Wasserdampf mithilfe eines Katalysators in Sauerstoff und Protonen gespalten werden. Beim Entladen läuft der umgekehrte Prozess ab: Die frei werdenden Protonen verbinden sich mit Sauerstoff zu Wasser. „Mit diesem Ansatz sparen wir eine Hälfte des Elektrolyts“, sagt Ressel. „Dadurch halbieren sich die Kosten, die Energiedichte wird verdoppelt.“ Im Sommer nächsten Jahres wollen die Wissenschaftler einen Prototyp vorstellen.

Viele Forscher arbeiten an der Technik

Die Vanadium-Luft-Batterie ist nur eines von vielen Redox-Flow-Konzepten, die weltweit erforscht werden. „Da passiert gerade eine Menge“, berichtet Ressel. „Selbst Forschungen an Materialkombinationen wie Eisen und Chrom, die aufgrund technischer Schwierigkeiten in der Vergangenheit verworfen wurden, werden wieder verfolgt.“ Offensichtlich ist der Bedarf an Speichern groß. Das hat nicht nur mit der deutschen Energiewende zu tun. Für Siedlungen in dünn besiedelten Regionen, die keinen Anschluss an ein Stromnetz haben, aber eine Solaranlage oder ein Windrad, ist die Technik ideal. Sie wird außerdem für den Ausgleich von Netzschwankungen genutzt.

Eine Großbatterie neben einem Windrad

Wie eine Redox-Flow-Batterie speziell für Windkraftanlagen aussehen könnte, erforschen Peter Fischer vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal und seine Kollegen im Projekt „RedoxWind“. Dazu werden demnächst auf dem Institutsgelände eine Windkraftanlage und ein elektrochemischer Speicher errichtet. „Wir werden 600 Kubikmeter Elektrolyt einsetzen, die ganze Anlage wird das Format einer kleinen Turnhalle haben“, sagt Fischer. Damit könne sie etwa die Energiemenge speichern, die ein Windrad an etwas mehr als einem Tag produziert. In Sachen Chemie wollen sich die Forscher aber auf keine Experimente einlassen, sie setzen auf die erprobte Vanadiummixtur. „Es wäre zu riskant, einen neuartigen Elektrolyt für so ein Großprojekt zu verwenden“, sagt Fischer. Sein Team wolle vor allem beim Aufbau und der Steuerung der Großbatterie optimieren.

Selbst wenn das ICT seine Batterie zum Laufen bekommt, ist noch nicht klar, ob sie tatsächlich der Energiewende dienen wird. „Der Bedarf ist definitiv vorhanden“, sagt Wolf Stötzel vom Bundesverband Windenergie. „Aber solange es keine vernünftige Vergütung für das Zwischenspeichern gibt, lohnt sich das nicht.“ Schließlich müssen die gewaltigen Batterien auch finanziert werden.

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