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Der Schweizer Wissenschaftsmanager Dieter Imboden, der 2014 bis 2016 eine internationale Kommission zur Evaluation der Exzellenzinitiative leitete.
© Britta Pedersen/dpa

Elite-Gutachter kritisiert Exzellenzstrategie: "Abenteuerlicher Aufwand, unproduktive Arbeit"

Elite-Gutachter Dieter Imboden sieht Schwächen der Exzellenzstrategie: Anträge sollten überflüssig sein und Gutachter müssen "Äpfel mit Birnen vergleichen".

Am kommenden Freitag werden die Sieger-Universitäten in der Exzellenzstrategie ausgezeichnet. Ziel ist es, dass die gekürten Unis im internationalen Wettbewerb mithalten. Werden sie es irgendwann mit Harvard und Oxford aufnehmen können?
Nein, wenn es nur die Exzellenzstrategie wäre, sicher nicht. Es gibt einen großen finanziellen Unterschied zwischen diesen Universitäten und den deutschen, und auch einen Unterschied in der Governance: An den erwähnten Universitäten hat der Präsident mehr Entscheidungsmacht. Aber es kann ein Schritt in diese Richtung sein. Die deutschen Universitäten brauchen mehr Geld. Dass dies kompetitiv geschieht, ist richtig, aber es braucht jetzt auch einen langfristigen Horizont. Wenn Sie vergleichen, wie viel Geld in Deutschland an die außeruniversitären Institute fließt, werden die Universitäten immer noch stiefmütterlich behandelt.
Hat sich seit dem Beginn der Exzellenzinitiative vor 15 Jahren die Wahrnehmung der deutschen Unis international verändert?
Unter Spezialisten schon, aber das darf man nicht überbewerten. Das gilt auch für Deutschland: Geht man über den Campus einer Universität und fragt irgendeinen Studenten: Weißt Du, was die Exzellenzstrategie ist und ob Deine Uni dabei ist – das wissen die meisten nicht. Aber unter den Wissenschaftspolitikern hat sich die Wahrnehmung verändert. Ich war vor zwei Monaten auf einer Konferenz in Bordeaux, wo es genau um solche Förderinstrumente ging, wie man eine gewisse Differenzierung im Universitätssystem erreicht. Da erregt das deutsche Beispiel eine große Aufmerksamkeit.

Die von Ihnen angesprochene langfristige Perspektive gibt es ja: Jetzt – in der dritten Auflage der Exzellenzinitiative – wird das Programm dauerhaft finanziert, nicht mehr befristet. Werden im Gegenzug die Unis, die jetzt nicht zum Zuge kommen, auch dauerhaft abgehängt?
Das darf nicht passieren. Die jetzt ausgewählten Unis werden nach sieben Jahren evaluiert, da bleibt ein dynamisches Element. Wenn es nicht die Möglichkeit gibt, dass die Förderung wieder beendet wird, wäre die Evaluation eine Farce. Es sollten zudem zusätzliche Gelder für ähnliche Wettbewerbe bereitgestellt werden – für die Unis, die jetzt nicht zum Zug kommen. Es darf nicht sein, dass heutige Zufallselemente der Entscheidung das ganze System für immer zementieren.
Kritiker sagen, die veränderten Regeln des Wettbewerbs würden kleinere Unis noch stärker benachteiligen als ohnehin schon. Sehen Sie das ähnlich?
Ja. Eine kleine Universität muss ganz andere Anstrengungen aufbringen, um genügend Exzellenzcluster für die Qualifikation als Exzellenzuniversität einzuwerben. Kleinheit darf nicht bestraft werden; sie bedeutet nicht, dass die Qualität geringer ist. Interessant ist doch: Einige der richtig guten Universitäten in den USA sind kleine Einrichtungen. Nehmen Sie das Caltech – das ist eine winzige Uni, kleiner als fast jede deutsche.
Sie hatten in einer Evaluation der bisherigen Exzellenzinitiative vorgeschlagen, dass die Universitäten ohne neue Anträge ausgezeichnet werden sollten, allein auf der Basis ihrer bisherigen Leistungen. Die Politik hat den Vorschlag nicht aufgenommen, ein Antrag spielt weiterhin die zentrale Rolle. Eine Fehlentscheidung?
Die Entscheidung war leider zu erwarten, dazu fehlte einfach der Mut. Die Politik gibt ihre Lenkungsmöglichkeiten nicht gerne aus der Hand. Bei der Förderung von einzelnen Wissenschaftlern gibt es mit großem Erfolg auch das System, dass sie aufgrund von Past Merits ausgewählt werden. In der Medizin etwa erteilt das private Howard Hughes Medical Institute großzügige Unterstützung an Forschende aufgrund bisheriger Leistungen.
Gegen die Anträge hatten Sie auch eingewendet, Unis könnten sich nicht ständig neu erfinden. Benachteiligt das jetzt womöglich die Titelverteidigerinnen, deren Konzepte ja nicht nur einfach eine Fortschreibung des vergangenen Zukunftskonzepts sein dürfen?
Wenn Sie schauen, welchen Aufwand die Universitäten für die Anträge treiben, wie viele Leute damit über Jahre beschäftigt sind – das ist abenteuerlich. Eine ziemlich unproduktive Arbeit. Und zu den Unis, die ihren Exzellenzstatus verteidigen müssen: Ich bin froh, nicht in dieser Entscheidungs-Kommission zu sitzen. Nehmen Sie das Neue quasi wörtlich, dann bestrafen Sie Universitäten, die schon im Alten Gutes geliefert haben. In der Schweiz würde man bei den Entscheidungen wahrscheinlich beim gesunden Menschenverstand bleiben und den Zwang zum Neuen relativieren.
Im Finale stehen jetzt 17 Einzeluniversitäten und zwei Universitätsverbünde, nämlich Berlin und Hannover. Sind die Anträge von Einzelunis und Verbünden für die Gutachter überhaupt miteinander vergleichbar?
Eigentlich nicht. Es geht bei dem Wettbewerb viel um Good Governance, also um Leitungsstrategien. Die Logik, wie man eine einzelne Universität leitet, ist aber eine völlig andere als die Frage, in welchem Zusammenspiel ein Verbund gut funktioniert. Zwei solche Typen miteinander vergleichen ist wie Äpfel und Birnen vergleichen. Das wird eines der großen Probleme bei der Entscheidung sein. Letztlich wird den Wissenschaftlern kaum etwas anderes übrigbleiben als auch auf die Politik zu schielen.
Schon jetzt ist klar, dass es einige exzellenzfreie Regionen gibt, vor allem im Osten. Müsste bei der Entscheidung zumindest darauf geachtet werden, dass es keine weitere Konzentration auf wenige Bundesländer gibt?
Das würde ich nicht machen. Das Spiel hat gewisse Spielregeln, die sollten eingehalten werden. Das schließt nicht aus, dass für andere Universitäten, für die nicht die internationale Sichtbarkeit im Vordergrund steht, sondern beispielsweise die lokale Vernetzung, nicht andere Wettbewerbe mit andern regeln geschaffen werden können.

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