Exzellenzinitiative - wie weiter?: Exzellent ohne Wettbewerb
Vor dem nächsten Elitewettbewerb: Exzellenzunis sollen keine Anträge mehr stellen müssen. Experten plädieren für ein Ranking nach schon erbrachter Leistung.
In der Exzellenzinitiative der deutschen Universitäten könnte es zu einem neuartigen Schwenk kommen. Die Universitäten sollen in Zukunft keine aufwendigen Anträge mehr schreiben müssen, wenn sie „Exzellenzuni“ werden wollen. Vielmehr sollen die besten zehn Unis im nächsten Exzellenzwettbewerb ausschließlich nach Leistungen ermittelt werden, die sie schon Jahre zuvor erbracht haben. Das schlägt die internationale Expertenkommission vor, die die bisherige Exzellenzinitiative im Auftrag von Bund Ländern evaluiert hat. „Wir schlagen der Politik einen Befreiungsschlag vor“, sagte der Schweizer Umweltphysiker Dieter Imboden von der ETH Zürich, der die Kommission geleitet hat, am Freitag in Berlin (zum Bericht der Kommission hier).
Autonomie und starke Führung
Die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern läuft seit dem Jahr 2006. Bis 2017 werden insgesamt 4,6 Milliarden Euro geflossen sein. Darüber, wie der Wettbewerb fortgesetzt werden soll, verhandeln Bund und Länder seit Monaten. Die Impulse der Imboden-Kommission wurden darum mit Spannung erwartet.
Die Imboden-Kommission will mit ihrem Vorschlag einer „Exzellenzprämie“ die Arbeit auf den zwei „größten Baustellen“ der Unis voranbringen. Noch immer würden sich die Unis zu wenig auf ihre Stärken konzentrieren. Dies sei aber nötig, wollten sie international konkurrenzfähig werden. Schwerpunktsetzungen erforderten aber eine bessere „Governance“: nämlich Autonomie und „starke Führungsstrukturen“. Hier sieht die Kommission die zweite Großbaustelle: „Die richtige Mischung zwischen akademischer Selbstverwaltung (bottom up) und einer starken Leitung (top down) setzt eine große Kommunikations- und Konsultationsbereitschaft aller Führungspersonen voraus“, heißt es in dem Bericht. Präsidenten, die als „Diktatoren“ auftreten, seien nicht das Ziel, sagte Imboden.
Der Präsident soll Prioritäten setzen helfen
Die Exzellenzprämie ginge direkt an die Uni-Präsidenten, die damit die Herausbildung von Schwerpunkten „top down“ fördern sollen. Jede der prämierten Unis würde über sieben oder acht Jahre jährlich 15 Millionen Euro bekommen. Bisher habe der Wettbewerb auf der Basis von „Zukunftskonzepten“ die Unis zu „Schaufensterprojekten“ verleitet, „welche sich dann aber in der Praxis als nicht wirklich effizient und zielführend erwiesen“, erklärt die Kommission. Auch seien dadurch „gleichzeitig notwendige, aber vielleicht weniger spektakuläre Maßnahmen in den Hintergrund gedrängt worden“. Vor allem könnten die Unis ihre Zukunft nicht alle paar Jahre neu erfinden. „Eine Universität, welche sich dank ihrer bisherigen Leistung an der Spitze positioniert, braucht keine zusätzliche Legitimation“, erklärt die Kommission.
Früher eingeworbene Drittmittel und Preise sollen zählen
Welche zehn Unis in den Genuss der Prämie kommen, könnte am Erfolg einer Uni beim Einwerben von Drittmitteln und an Preisen gemessen werden. Dabei würde auch ihre Größe und ihr fachliches Spektrum berücksichtigt. Auch kleine Unis bräuchten eine Chance. Die Spitzenliga sei nicht in Stein gemeißelt. Im Lauf der Zeit könnten andere Unis ihre Stärken (etwa über eingeworbene Cluster) stärken und dann ihrerseits ebenfalls den Bonus bekommen.
Der spektakuläre Vorschlag der Kommission liegt sehr nahe an dem, den Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) bereits in die Verhandlungen von Bund und Ländern eingespeist hat. „Die Empfehlungen schaffen Rückenwind für unsere forschungsstarken Universitäten“, erklärte Bauer. Sie sei froh darüber, dass die Kommission sich nicht für nur wenige Spitzenstandorte ausgesprochen hat. Dies hätte „nicht dem Wissenschaftsstandort Deutschland mit seiner vielfältigen Exzellenz in der Fläche entsprochen“.
Der Wettbewerb um große Forschungsbereiche („Cluster“) soll fortgesetzt werden, empfiehlt die Kommission. Die Laufzeit soll aber von jetzt fünf auf sieben bis acht Jahre verlängert werden, zusätzlich zur Programmpauschale von 22 Prozent soll es eine "Universitätspauschale" von 20 Prozent geben, die die Universitätsleitungen bei "der Stärkung der Governance" unterstützen soll. Das finanzielle Volumen soll so gestaltet werden, dass auch sehr kleine Cluster, etwa aus den Geisteswissenschaften, mit dem Format etwas anfangen können. Die Kommission kritisiert, die Cluster neigten bisher dazu, sich „zu gesonderten Einheiten innerhalb der Universität zu entwickeln“. Ursache seien wiederum Schwächen in der „Governance“ deutscher Unis.
Bundesbildungsministerin Wanka äußerte sich inhaltlich nicht
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) kündigte an, die Politik werde nun zügig ein Konzept für die nächste Exzellenzinitiative vorlegen. Inhaltlich äußerte Wanka sich aber nicht. Wolfgang A. Hermann, der Präsident der TU München, lobte die Idee einer „Exzellenzprämie“: Die Empfehlungen würden „dem Leistungsprinzip entsprechen“. Kai Gehring, der hochschulpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, hält die Exzellenz-Prämie für einen "klugen und weiterführenden Vorschlag", der dazu beitrage, "die Breite in der Spitze des deutschen Hochschulsystems" zu erhalten.
Hingegen erklärte Hubertus Heil, Vize-Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag: „Ob das Prämienmodell hinreichend ist, um mehr Exzellenz und mehr Dynamik zu entfachen, als der bewährte Konzeptwettbewerb, werden wir prüfen. Es bestehen aber Zweifel.“ Wanka dürfe keine Hängepartie zulassen, sondern müsse sich schnell erklären. Die Unionsfraktion im Bundestag ging nicht direkt auf Imbodens Vorschlag einer Prämie ein. Stefan Kaufmann und Alexandra Dinges-Dierig erklärten, eine "Aufweichung" der bisherigen Exzellenzkriterien dürfe es nicht geben. Sie plädierten erneut dafür, nur eine kleine Zahl von fünf Universitäten zu "Spitzenzentren" zu entwickeln.
HU-Präsident Olbertz vermisst Hinweise für die Lehre
Christian Thomsen, Präsident der Technischen Universität Berlin, äußerte sich ebenfalls skeptisch zur Exzellenzprämie. Zwar sei es positiv, dass sie antragsfrei gestaltet werden solle. Nachteilig sei aber, dass sie nach "rückwärtsgerichteten" Kriterien verteilt werden solle. Thomsen spricht sich stattdessen dafür aus, eine "zusätzliche Pauschale zu den Exzellenzclustern" noch weiter zu vergrößern. "Damit wäre die gewünschte Antragsfreiheit gewährleistet, und die Vergabe ist an die Bewilligung von Spitzenforschungskonzepten gekoppelt." HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz teilte mit, bei der „Exzellenzprämie“) müsse noch überlegt werden, "wie dieser Ansatz ,dynamisiert' werden kann, damit Universitäten, die für eine solche Prämie in Frage kommen, die Anforderungen auch noch zu einem späteren Zeitpunkt erfüllen können." Olbertz vermisst Hinweise der Kommission zur Berücksichtigung der Lehre in der neuen Exzellenzinitiative, zumal sich Forschung und Lehre zunehmend auseinanderentwickelten: "Hier hätte ich mir von dem Bericht ein paar kreative Vorschläge gewünscht."
Sabine Kunst, Wissenschaftsministerin in Brandenburg (SPD) und designierte Präsidentin der Humboldt-Universität, nannte den Vorschlag für eine Exzellenzprämie „überraschend und toll“. Nun müsse aber geprüft werden, ob die Perspektive der international besetzten Kommission wirklich kompatibel mit dem deutschen Wissenschaftssystem sei. Berlins Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) erklärte, Berlin sei für die nächste Runde der Exzellenzinitiative „hervorragend aufgestellt“. Studierendenvertreter äußerten sich generell kritisch zur Exzellenzinitiative: Marie Dücker vom "freien zusammenschluss von student*innenschaften" (fzs)
sprach von einer "Stimmung des gnadenlosen Wettbewerbs", die die Kommission schüre. Statt "Elitephantastereien" bräuchten die Hochschulen eine ausreichende Grundfinanzierung.
Schon am kommenden Mittwoch wollen die Staatssekretäre von Bund und Länder beraten, wie es weitergeht.
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