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Für die Zukunft der Messe setzen die Chefs auch auf das ICC.
© Thilo Rückeis TSP

Zühlsdorff und Göke über die Zukunft der Messe: „Wir umarmen das ICC“

Peter Zühlsdorff und Christian Göke, Aufsichtsrat und Geschäftsführer der Messe Berlin, über die Zukunft der Kongressstadt und den Ausbau des Messegeländes.

Herr Zühlsdorff, vor einem Jahr wurden Sie Aufsichtsratsvorsitzender der Messe, nachdem es einen monatelangen Streit um den Posten gegeben hatte. Ist jetzt wieder Ruhe im Haus?

ZÜHLSDORFF: Damals war das Unternehmen verunsichert aufgrund der Querelen, die in die Öffentlichkeit getragen wurden. Es gibt immer Dinge, die nicht rundlaufen, aber das muss man in Ruhe abarbeiten. Und wenn es Personalprobleme gibt, löst man die intern. Das machen wir jetzt.

Sie waren bislang nicht im Messegeschäft tätig.

ZÜHLSDORFF: Das spielt keine Rolle. Ich habe die letzten 40 Jahre viele Unternehmen und Institutionen aus ganz unterschiedlichen Branchen begleitet, diese Erfahrung ist viel wert. Und hier im Unternehmen sind wir bei der Ordnung unseres Innenlebens weitergekommen. Wir nehmen die Mitarbeiter mit und verstehen uns alle als Teil eines erfolgreichen Unternehmens, das ist die Messe Berlin zweifellos.

Es gibt keine Baustellen?

ZÜHLSDORFF: Natürlich gibt es Mängel. Einige davon haben wir selbst zu vertreten, andere hängen mit der Situation des Gesellschafters zusammen. Wenn nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, dann muss man damit leben, sich erst mal behelfen und auf eine bessere Gelegenheit warten.

Peter Zühlsdorff ist seit einem Jahr Aufsichtsratschef.
Peter Zühlsdorff ist seit einem Jahr Aufsichtsratschef.
© Thilo Rückeis TSP

Mit der Geschäftsführung sind Sie zufrieden?

ZÜHLSDORFF: Die Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Geschäftsführung ist ausgezeichnet, Herr Göke hat mein ganzes Vertrauen. Wir wollen bald Klarheit haben über die Verlängerung des Vertrags über 2016 hinaus. Daneben haben wir mit Dirk Hoffmann einen zweiten Geschäftsführer gefunden, der sich um das Kaufmännische kümmert und ausgezeichnet zu Herrn Göke passt.

Herr Göke, was macht der neue Mann an der Spitze des Aufsichtsrats anders als sein Vorgänger?

GÖKE: Herr Zühlsdorff ist der erste Aufsichtsratsvorsitzende der Messe, der auch in Berlin lebt. Das ist ein großer Vorteil, weil er viel mitbekommt in der Stadt, die ja Eigentümer der Messe ist. Und durch die Präsenz ist natürlich ein intensiverer Austausch möglich.

Funktioniert das mit jemandem, der nicht viel von Messen und Kongressen versteht?

GÖKE: Absolut. Gerade weil er nicht den Insiderblick hat, ist der wechselseitige Austausch fruchtbar.

ZÜHLSDORFF: Für mich ist die Messe ja wie ein Markenartikel. Ein Unternehmen, das viele Marken hat und als Dienstleister diese Marken verkauft.

Die Messe Berlin unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von einem „normalen“ Markenhersteller: Eigentümer ist das Land, das Wohl und Wehe des Unternehmens hängt also auch an Politikern.

ZÜHLSDORFF: Für mich macht das einen wesentlichen Teil der Faszination der Aufgabe aus. Ich lerne neue Menschen kennen aus Bereichen, in denen ich bisher nicht so oft unterwegs war. Ich versuche einfach, Dinge auf das Gleis zu setzen, die nachhaltig sind und über eine Legislaturperiode hinaus wirken.

GÖKE: Ich bin sehr dankbar für die Anregungen und die Hinweise, was überhaupt umsetzbar ist und was nicht, auch im politischen Spektrum. Da ist Herr Zühlsdorff mir einfach 20 Jahre voraus.

Selbst Herr Zühlsdorff kann nicht verhindern, dass die Politik wieder das ICC ans Bein der Messe binden will.
GÖKE: Wir umarmen die jüngste Entscheidung des Senats, das ICC renovieren und modernisieren zu wollen.

Umarmen?

GÖKE: Ja. Das Schlimmste, was hätte passieren können, wäre neben der Avus-Tribüne eine weitere Bauruine. Dann könnten wir die Aufwertung des Messegeländes vergessen. Dass es weitergeht mit dem ICC und Kongresskapazitäten geschaffen werden, ist eine gute Entscheidung. Wir werden das ICC nach der Sanierung mit aller Kraft weiterbespielen.

ZÜHLSDORFF: Mit dem erneuerten ICC verändert sich die Strategie für den ganzen Standort. Und wenn man tief ins Säckel fasst, dann muss man es ordentlich machen und das Messegelände damit im Zusammenhang sehen.

Weniger als 20 Prozent der ICC-Fläche war bislang nutzbar, beim City Cube sind es rund 80 Prozent. Lässt sich der Anteil im ICC durch Sanierung erhöhen?

GÖKE: Ja. Für die großen Kongresse brauchen wir 10 000 Quadratmeter variabel nutzbare, also nicht fest bestuhlte Hallenfläche. Da wird es spannend: Können wir die Flächen im ICC darstellen, oder brauchen wir, wie in der Vergangenheit, zusätzlich auch noch angrenzende Messehallen. Wenn wir das ICC modernisieren, dann wäre es wünschenswert, dass große Kongresse komplett im neuen ICC untergebracht werden können. Ansonsten fielen wieder die Zeiträume aus der Vermarktung heraus, in denen unsere Großmessen das gesamte Messegelände bespielen.

Und was passiert bis dahin – vor 2022 wird das „neue“ ICC kaum nutzbar sein?

GÖKE: Tatsächlich könnten wir in den kommenden sieben Jahren mehr Kongresse akquirieren und machen uns dazu natürlich Gedanken: Hier auf dem Gelände, aber auch in der Stadt. Wir wollen mithelfen, die Kongressstadt der Zukunft zu entwickeln.

Die Messe braucht dringend noch 10 000 Quadratmeter

Christian Göke führt die Geschäfte bei der Messe Berlin.
Christian Göke führt die Geschäfte bei der Messe Berlin.
© Thilo Rückeis TSP

Wo kommen die zusätzlichen Flächen her?

GÖKE: Dazu sind wir in Gesprächen mit unserem Gesellschafter und werden im September ganz konkrete Vorschläge machen. Am Ende entscheidet die Politik. Paris hat sechs oder sieben eigenständige Messe- und Kongresscenter, da ist bei uns noch viel Luft nach oben. Ich möchte aber auf einen Punkt hinweisen: Weniger als zehn Prozent unseres Geschäftes sind Kongresse.

Aber die bringen das meiste Geld.

GÖKE: Nicht zwingend. Der Kongressgast lässt nicht mehr Geld in Berlin als der internationale Messegast. Richtig ist: Je besser die Messen und Kongresse laufen, desto höher ist die Stadtrendite für Berlin. In den vergangenen 15 Jahren haben wir übrigens das älteste Messegelände Deutschlands zum profitabelsten Messegelände Deutschlands gemacht.

Glückwunsch, dann ist ja alles prima.

GÖKE: Nein. Wir haben auch auf dem Messegelände Instandhaltungs- und Sanierungsbedarf. Das ist der erste Teil eines Masterplans. Der zweite Teil betrifft die Erweiterung des Messegeländes. Wir brauchen kurzfristig noch 10 000 Quadratmeter, um unseren fünf Leitmessen Wachstumschancen zu geben. Und mittelfristig weitere 10 000 Quadratmeter.

Ist noch so viel Platz auf dem Gelände?

GÖKE: Ja, an insgesamt vier Stellen könnten wir noch bauen. Doch mit weiteren 20 000 Quadratmetern, insgesamt wären es dann 190 000 Quadratmeter, ist das Gelände definitiv dicht.

ZÜHLSDORFF: Die Bedeutung der Messe für Berlin ist enorm. Kaum einer weiß doch, dass die Fanmeile eine Veranstaltung der Messe ist, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Rolle der Messe in Berlin ist extrem vielgestaltig. Diese Rolle und die Bedeutung der Messe für Berlin wollen wir stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Politik bringen.

Wie teuer werden Instandsetzung und Erweiterung?

GÖKE: Das werden wir im September im Aufsichtsrat diskutieren. Das Volumen hängt selbstverständlich auch davon ab, was für eine Messe das Land in den nächsten 20 Jahren haben möchte. Wir haben viele Hallen, die 50 oder sogar 80 Jahre alt sind, und die neuesten kommen auch schon auf über 20 Jahre. Da gibt es einiges zu tun.

ZÜHLSDORFF: Die Wachstumsgeschwindigkeit der Messe wird von der Investitionstätigkeit bestimmt. Hier am Standort und in der Welt. Es geht auch um Wachstum im Ausland, wie die Veranstaltungen ITB und Fruit Logistica in Asien zeigen. China ist ein riesiger Markt, wo wir durchaus die eine oder andere unserer Messen platzieren können. Die Messe Berlin hat einen extrem guten Lauf – und den wollen wir fortsetzen.

GÖKE: Im ersten Halbjahr sind unsere Veranstaltungen sehr gut gelaufen, sodass wir ergebnisseitig deutlich über Plan liegen und somit voraussichtlich in diesem Jahr trotz der Belastungen aus dem Bau des City Cubes und des turnusmäßig schwächeren ungeraden Jahres ein positives Ergebnis ausweisen werden. 90 Prozent unseres Umsatzes und Ergebnisses stammen von den fünf großen Messen – die wollen wir stabilisieren.

Peter Zühlsdorff (74) profilierte sich Anfang der 1990er Jahre als Sanierer des Kosmetikkonzerns Wella. Später stellte er den Handelskonzern Tengelmann und das Duale System Deutschland („Grüner Punkt“) neu auf, 1997 übernahm er die Geschäftsführung der Beteiligungsgesellschaft Deutsche Industrie Holding. Neben dem operativen Geschäft war Zühlsdorff in vielen Aufsichtsräten tätig, darunter die Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner, der Klinikkonzern Vivantes sowie Escada. Christian Göke (49) arbeitete nach dem Jurastudium bei Roland Berger und ging 1997 zur Messe Frankfurt am Main, wo er Raimund Hosch kennenlernte, der ihn 2000 in die Geschäftsführung der Messe Berlin holte. Das Gespräch führte Alfons Frese.

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