Messe Berlin: Kompetenzgerangel unterm Funkturm
Der Messe Berlin geht es besser als Gesellschaften in anderen Städten. Warum der Messe-Chef Christian Göke trotzdem um seinen Vertrag bangen muss.
The same procedure as last year? Gut möglich. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) mag den Chef der landeseigenen Messegesellschaft nicht sonderlich. Demnächst steht aber die Vertragsverlängerung an, und Christian Göke, der im Juli seinen 50. Geburtstag feiert, macht sich Sorgen um seine Zukunft. Die Gründe dafür liegen noch nicht lange zurück. Nach einem wilden Gezerre um die Aufsichtsratsspitze der Messe machte Hans-Joachim Kamp, ein Förderer Gökes, im vergangenen Jahr Platz für Peter Zühlsdorff.
Den wollte Yzer zwar nicht, aber in mühseligen Sitzungen bei Klaus Wowereit, unter Beteiligung der Berliner Kammerpräsidenten, musste sie am Ende Zühlsdorff akzeptieren. Kamp wie Zühlsdorff kommen aus der Wirtschaft. Das hat Tradition in Berlin: Der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist hier seit Jahrzehnten ein Wirtschaftsmann. Bei den anderen Messeplätzen haben zumeist die Bürgermeister die Oberaufsicht über die kommunale Messegesellschaft.
Berlin profitiert von der Wirtschaftsexpertise des Messechefs
Berlin ist gut gefahren mit der unternehmerischen Expertise, zumal im Aufsichtsrat die meisten großen Veranstaltungen (Grüne Woche, Funkausstellung, ITB, Innotrans und Fruit Logistica) mit eigenen Leuten vertreten sind. Messen sind ein Verkaufsgeschäft, und beim Verkaufen geht es eben immer auch um Beziehungen. Das ist Gökes Stärke; er hat gute Kontakte zu wichtigen Ausstellern und Verbänden und weiß die zu pflegen.
Sein größter Erfolg ist die Umstellung der Funkausstellung vom zweijährigen auf jährlichen Rhythmus. Auch die übrigen Leitmessen laufen gut und haben zum Rekordumsatz von 265 Millionen Euro 2014 beigetragen – auf einem insgesamt bestenfalls stagnierenden Messemarkt. Der Umsatz verdankt sich auch Tagungen und Kongressen, denn Berlin ist als Kongressstadt vor allem auch wegen der Hotelkapazitäten sehr attraktiv.
Die Messe Berlin würde gerne im Ausland wachsen
Göke würde gerne weiter wachsen – im Ausland. Indem sich die Messe Berlin an Veranstaltungen beteiligt oder eigene Veranstaltungen exportiert. Aber das kostet Geld und macht für die Eigentümer der Messe auf den ersten Blick auch keinen Sinn: Es gibt keine „Stadtrendite“, also Kaufkraftzufluss durch Messebesucher und Arbeitsplätze, wenn die ITB auch in Schanghai stattfindet. Aber die Messe verdient Geld damit. Dennoch wird Göke keine Mittel vom Land für Auslandsabenteuer bekommen. Er wäre schon froh, wenn das Land als Eigentümer der Immobilie am Funkturm für die jährlichen Instandhaltungskosten im zweistelligen Millionenbereich aufkäme.
Doch auch das ist ebenso wenig in Sicht wie eine Lösung für das ICC. Die Messe ist froh, das Raumschiff los zu sein, denn im Jahr musste der ICC-Betrieb mit rund zwölf Millionen quersubventioniert werden. Nun hat Göke den profitablen City Cube – der aber zu klein geraten ist. Und es fehlt ein großes Hotel in der Nähe. Also die Flughafengebäude in Tempelhof? Wäre schön, aber auch da gibt es einen enormen Sanierungsbedarf. Alles in allem fehlt ein Konzept für den Messe- und Kongressstandort der Zukunft, inklusive Tempelhof und Estrel und Selchow. Aber das gibt es, wenn überhaupt, erst nach der Wahl 2016.
Alfons Frese