Zweiter Hauptstadtflughafen in Sperenberg?: Die Idee: Das ICC soll Terminal des BER werden - mit Tunnelanschluss
Der Architekt Gisbert Dreyer will das Kongresszentrum in Berlin zum Terminal für den Hauptstadtflughafen umbauen. Von dort soll eine Schnellbahn nach Schönefeld fahren - und zu einem Neubau bei Sperenberg.
Mit einem ungewöhnlichen Planungsvorschlag möchte der international renommierte Architekt und Stadtplaner Gisbert Dreyer ein dauerhaftes Verkehrschaos im Süden Berlins nach der Inbetriebnahme des neuen Flughafens BER verhindern. Da weder die Straßen- noch die Bahnverbindungen nach Schönefeld auch nur ansatzweise in der Lage seien, jährlich 37 Millionen Passagiere zum Flughafen und von ihm weg zu transportieren, schlägt Dreyer ein stadtnahes Terminal A im heutigen ICC-Gebäude vor.
Von dort aus könnte eine unterirdische Bahntrasse über 11 Kilometer die Mehrzahl der Passagiere nach Schönefeld bringen. Da die Flughafenkapazität von BER schon bei der Eröffnung nicht ausreichen wird, schlägt Dreyer außerdem den Neubau eines internationalen neuen Flughafens in Sperenberg vor, der ebenfalls an die Bahntrasse vom ICC ab angebunden werden könnte.
Die Entwicklung des stadtfernen und deshalb für einen 24-Stunden-Betrieb geeigneten Sperenberg zum internationalen Hub hält Dreyer für sinnvoll, weil die bisherigen internationalen deutschen Flughäfen Frankfurt/Main und München schon heute an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen und wegen des stark bevölkerten Umlands auch nicht weiter ausgebaut werden dürften.
Sperenberg wurde schon in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als gegenüber Schönefeld deutlicher geeigneterer Flughafenstandort erwogen. Es scheiterte aber letztlich an der Präferenz der Flughafengesellschafter Berlin und Bund für das stadtnahe Schönefeld. Dreyer präsentierte seine Planung jetzt exklusiv dem Tagesspiegel. Finanziert werden soll das gesamte Vorhaben in zwei Schritten innerhalb von zehn Jahren ab Baubeginn durch eine internationale Investorengruppe.
Der 71-jährige Dreyer, von dem in Berlin Bauten am Potsdamer Platz und die Treptowers stammen, untermauert seine Prognosen durch Addition der vorliegenden Verkehrszahlen. Statt bislang zehn Millionen Passagiere auf dem alten Flughafen Schönefeld werden ab Mitte 2017 mit der Eröffnung des neuen Flughafens dann – weil die jetzt schon 20 Millionen Tegel-Passagiere dazu kommen – auf dem neuen BER jährlich mindestens 30 Millionen Fluggäste starten und landen.
Sorge vor einem Verkehrsinfarkt
Da es bis Mitte 2017 keine vernünftige Bahnanbindung mit ausreichender Kapazität und Schnelligkeit geben wird und der Berliner Autobahnring, die A10, genauso chronisch verstopft ist wie die A100 und die A113 östlich und die B 96 westlich des Flughafens, warnen Experten vor einem Verkehrsinfarkt. Insider bestätigen, dass die Flughafengesellschafter, also der Bund, Berlin und Brandenburg, sich spätestens Ende dieses Jahres zu einer Lösung durchgerungen haben müssen, wenn bis zur Eröffnung von BER eine funktionsfähige Verkehrsentlastung angeboten werden soll.
Dreyers Lösungsweg soll in zwei Phasen à fünf Jahren realisiert werden. In Phase I wird das ICC, das das Land Berlin kostenlos zur Verfügung stellen soll, zum Terminal A umgebaut werden. Von dort verläuft eine unterirdische Schnellbahntrasse in 20 Meter Tiefe auf einer Länge von elf Kilometern bis zum Flughafen BER. Das ICC kann von Osten her mit einer Bahnverbindung über die innerstädtischen Bahnhöfe Ostbahnhof und Hauptbahnhof sowie Westkreuz angefahren werden. Dreyer ließ sich bei der Standortentscheidung von der zentralen Lage des ICC und seiner guten Erreichbarkeit auf Straße und Schiene leiten.
Tunnel soll nur 1,5 Milliarden Euro kosten
Der benachbarte Fernbusbahnhof könnte parallel ausgebaut werden. Für den Umbau des ICC und den Tunnel, der im bergmännischen Vortrieb gebaut werden soll, rechnet Dreyer mit Gesamtkosten von 1,5 Milliarden Euro bei einer Bauzeit von zwei Jahren.
Kritische Rückfragen bezüglich der von ihm angenommenen kurzen Bauzeit beantwortet Dreyer mit dem Hinweis darauf, dass es sich um reinen Sandboden handele, der Baugrund also viel einfacher als bei den U-Bahn- und anderen Großvorhaben im Zentrum Berlins sei. In der Phase II wird in Sperenberg ein neuer internationaler Flughafen mit vier Start- und Landebahnen gebaut.
Länder glauben nicht an Umsetzung
Dieser Flughafen, Dreyer nennt ihn BER II, wird mit einer aufgeständerten Trasse sowohl an BER I als auch an die Tunnelbahn vom ICC angebunden. Für diese Erweiterung rechnet Dreyer ebenfalls mit einer Bauzeit von fünf Jahren. Mit dem Vorhaben konfrontiert, bestätigen öffentliche Stellen der Länder Berlin und Brandenburg zwar die große Sorge vor einem Verkehrsinfarkt im Umfeld des BER ab Sommer 2017, bezweifeln aber die Realisierungsmöglichkeiten von Dreyers Projekten angesichts derer Komplexität und der Langsamkeit der nötigen politischen Entscheidungsprozesse.