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Solche Bilder wünscht sich der Handel auch in Deutschland. Hier ein Foto aus Wien vom 15. Februar, nachdem dort der 6-wöchige Lockdown geendet hatte.
© imago images/photonews.at

Warnung vor Insolvenzwelle: „Wir brauchen jetzt den Einstieg in den Ausstieg aus dem Lockdown“

Eine Umfrage zeigt: 60 Prozent der Innenstadthändler und damit 250.000 Jobs sind wegen des Lockdowns in ihrer Existenz bedroht. Der Druck des Handels wächst.

Der Lockdown bedroht die Existenz tausender Einzelhändler. Wie eine Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) ergab, sehen sich 60 Prozent der Innenstadthändler in Insolvenzgefahr, sollte es keine weitere staatliche Unterstützung geben. Vom Lockdown betroffene Händler erhielten im vergangenen Jahr im Schnitt lediglich 11.000 Euro an Coronahilfen, wie der Verband am Donnerstag mitteilte. Drei Viertel der befragten Unternehmen stellten deshalb fest, dass die aktuellen Hilfsmaßnahmen nicht zur Existenzsicherung ausreichen. Rund 250.000 Jobs seien akut gefährdet.

„Eine überbordende Bürokratie und die Frage, wer den Unternehmerlohn ersetzt, sind weiterhin große Probleme“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Genth. Für große Handelsunternehmen seien zudem die Begrenzungen des EU-Beihilferechts ein Problem. Und auch die Auszahlung verlaufe nach wie vor schleppend.

Gerade dafür hat Timm Homann, HDE-Vizepräsident und Chef des Bekleidungshändlers "Ernsting’s family" absolute kein Verständnis. „Wenn man eine Pandemiebekämpfung auf nationaler Ebene macht, kann man nicht eine Entschädigungspolitik auf Europarecht stützen“, sagt Homann. „In anderen Ländern haben die Läden schließlich offen.“

Auch Gastronomie hofft auf Ende des Lockdowns

Darauf hofft der Handel auch in Deutschland. „Wir brauchen jetzt den Einstieg in den Ausstieg aus dem Lockdown“, sagte Genth. Ein „Weiter so“ nach der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 3. März sei „völlig inakzeptabel“. Er plädierte für eine schrittweise Rückkehr zur Normalität. „Es muss mehr geben als einfach Öffnungen ab einer Inzidenz von 35“, meint Genth. Zunächst könne man mit großen Abständen und Hygienemaßnahmen öffnen. Die Branche habe in dieser Frage bereits mehrfach Flexibilität bewiesen. „Ansonsten werden viele Ladentüren im Dezember zum letzten Mal geschlossen worden sein.“

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Auch in der Gastronomie wächst die Ungeduld. Mehr als 100 im „Gastgeberkreis“ zusammengeschlossen Gastronomen forderten in einem Brandbrief, „dass die Restaurants parallel mit dem Einzelhandel wieder öffnen und für ihre Gäste da sein dürfen“.

Die Politik in Deutschland habe das Gastgewerbe bei der Pandemiebekämpfung weit über Gebühr in die Pflicht genommen – und durch administratives Versagen rund um die Auszahlung von Hilfsgeldern an die Grenze des Ruins gebracht, klagten die Gastronomen. „Für zwei Millionen Mitarbeiter ist es ein Gebot der Fairness, jetzt wieder starten zu dürfen. Für die Menschen in Deutschland ist es ein wichtiges Signal zurück zur Normalität.“ Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Mirko Silz, Chef der Pizza-Kette L’Osteria, der Block-House-Chef Stephan von Bülow, Nordsee-Chef Carsten Horn und der TV-Koch Tim Mälzer.

Städtetag ist skeptisch ob baldiger Öffnungen

Der Deutsche Städtetag empfahl dagegen einen vorsichtigen Kurs bei den Lockerungen. Sein Präsident Burkhard Jung sagte nach Beratungen mit anderen Stadtoberhäuptern, für umfassende Öffnungen sehe man derzeit noch keinen Spielraum. Doch müsse es Stufenpläne geben, um den coronamüden Menschen Zuversicht zu geben.

Der Chef der größten deutschen Buchhandelskette Thalia, Michael Busch, hingegen betonte, die Vorzeichen hätten sich geändert, sodass eine Öffnung möglich sei. „Wir haben inzwischen 3,5 Millionen geimpfte Menschen in Deutschland, die 7-Tage-Inzidenz sowie die Belegung der Intensivbetten ist massiv gesunken“, sagte Busch. Hinzu kämen Innovationen wie Schnelltests für Laien. Für ihn bedeutet das nur eines: „Die Politik muss diese Möglichkeiten jetzt nutzen.“

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