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Wintershall Dea will zum europäischen Champion werden.
© picture alliance / dpa

Nach der Fusion im Öl- und Gasgeschäft: Wintershall Dea setzt auf gute Verbindung nach Russland

Mario Mehren, Chef des neuen Öl- und Gaskonzerns Wintershall Dea, will weiter gut mit Russland zusammenarbeiten. Im Interview erklärt er, warum.

Wintershall, die Öl- und Gas-Tochter von BASF, und der Hamburger Konkurrent Dea haben ihre Fusion abgeschlossen. Das teilte BASF jetzt mit. Zugleich bekräftigte der Ludwigshafener Chemiekonzern Pläne für einen Börsengang des fusionierten Unternehmens im zweiten Halbjahr 2020. Der Zusammenschluss der beiden größten deutschen Öl- und Gasförderunternehmen hat aber Folgen für die Arbeitsplätze: Etwa ein Viertel der rund 4000 Stellen soll wegfallen. BASF hält an dem neuen Gemeinschaftsunternehmen zunächst 67 Prozent und die Investorengruppe Letter One um den russischen Unternehmer Michail Fridman als bisherigem Dea-Eigner 33 Prozent der Anteile. Mario Mehren, Vorstandschef des neuen Konzerns, erklärt im Interview, wie es nun weitergeht.

Herr Mehren, Ihr neuer russischer Gesellschafter Michail Fridman wird als privater Öl- und Gasakteur vom Staatskonzern Gazprom, ihrem strategischen Partner in Russland, genau beobachtet. Wie werden Sie Ihr Verhältnis zu Gazprom nun austarieren?

Auch als Wintershall Dea sind wir ein starker und verlässlicher Partner. Daran wird sich nichts ändern. Was sich aber ändert: Durch den Zusammenschluss von Wintershall und Dea werden wir die führende, unabhängige deutsche und europäische Stimme für Erdgas, die sich bei der Politik stärker für die Belange der Branche einsetzen kann. Dadurch werden wir eher ein noch interessanterer Partner.

Wie steht Gazprom zum Unternehmen LetterOne, Fridmans Öl-und Gasholding, mit der er Dea in die Fusion einbringt?

Hier machen wir uns keine Sorgen. Letter One hat in Russland keine Öl- und Gasaktivitäten. Wir, Wintershall Dea, haben eine vertrauensvolle Beziehungen zu unseren Gesellschaftern BASF und Letter One. Und zu unseren langjährigen Partnern wie Gazprom.

Und wie versteht sich Herr Fridman mit der politischen Führung Russlands?

Für fast alle Lebenslagen gilt: Über die Beziehungen anderer spricht man nicht. Über unsere eigenen kann ich Ihnen sagen: Sie sind gut.

Welche Wachstumsziele setzen Sie sich?

Wir wollen europäischer Champion werden. Wir wollen in den nächsten drei bis vier Jahren das Produktionsvolumen von 590 000 Barrel Öläquivalent auf 750 000 bis 800 000 steigern, und zwar im schon bestehenden Portfolio. Das wird vor allem in Norwegen passieren, in Russland, in Abu Dhabi und in Lateinamerika.

Wie steht es um Ihre Projekte in Libyen?

Dort produzieren wir zum einen offshore im Mittelmeer seit Jahren problemlos Öl. Der schwierigere Teil sind unsere Onshore-Konzessionen im Osten des Landes. Dort fördern wir etwa 50 000 Barrel Öläquivalent am Tag, ohne aber wirklich Geld damit zu verdienen. Sicherheitsbedingt können wir seit Jahren keine internationalen Fachkräfte ins Land holen. Ganz aktuell nehmen die Konflikte etwa mit dem Kampf um Tripolis wieder zu. Wir sind noch da, aber die Umstände sind extrem schwierig.

Eine andere Herausforderung ist Nord Stream 2. Die von Gazprom vorangetriebene Ostsee-Pipeline wird den Entflechtungsvorgaben der EU unterliegen. Wintershall Dea ist als Finanzinvestor beteiligt. Wie wird die Entflechtung aussehen?

Darauf gibt es noch keine abschließende Antwort. Zunächst wird die politische Willensbildung in der EU jetzt Stück für Stück in EU-Recht und wahrscheinlich bis Ende des Jahres in deutsches Recht umgesetzt. Dann ist die Bundesnetzagentur am Zug, dieses Recht in die Praxis zu bringen. Erst dann kann die Projektgesellschaft Nord Stream 2 sagen, was dies konkret für sie bedeutet.

Aber Sie haben Interesse daran, dass die Pipeline bald in Betrieb geht.

Absolut. Wir wissen aber, dass man auch in einer regulierten Welt gut zurechtkommen kann. Über unsere Beteiligungen an der Fernleitungsgesellschaft Gascade und an den Pipelines NEL und Opal haben wir Erfahrung mit dem regulierten Transportgeschäft. Für Nord Stream 2 brauchen wir jetzt einfach so schnell wie möglich das Gesetz, müssen dann wissen, welche Erwartungen die Bundesnetzagentur hat und wie die Projektgesellschaft sie umsetzen kann.

Die USA drohen allen Unternehmen, die an Nord Stream 2 beteiligt sind, mit Sanktionen. Fließt das in Ihre strategischen Überlegungen ein?

Wir als Unternehmen können da wenig tun. Die USA bestimmen ihre Außenwirtschaftspolitik selbst. Wie die sich entwickelt und welche Auswirkungen sie insbesondere auf die globale Wirtschaft haben wird, ist Spekulation. Sollte es zu Sanktionen kommen, werden wir als Europäer, sehen, wie das zu beurteilen ist. Unsere Bundesregierung und auch viele EU-Vertreter weisen ausdrücklich darauf hin, dass es Sache der Europäer bleibt, die europäische Energieversorgung und -infrastruktur selbst zu bestimmen. Wintershall Dea fördert Gas in Russland und wir sind sehr interessiert daran, dass es auf dem zuverlässigsten und effizientesten Wege nach Nordwesteuropa kommt. Deshalb beteiligen wir uns als Finanzinvestor an Nord Stream 2.

Trotzdem müssen Sie damit rechnen, dass die USA Sanktionen einführen.

Das ist und bleibt Spekulation. Mit Unsicherheiten und Risiken umzugehen gehört aber zu unserem Geschäft. Wir können nicht aufhören, unternehmerisch tätig zu sein, nur weil es Drohungen gibt.

Bisher waren Sie skeptisch gegenüber der Idee, den deutschen Markt für Flüssigerdgas, LNG, zu erschließen. Haben Sie immer noch kein Interesse?

Dass LNG zu einem günstigeren Preis in Nordwesteuropa landen kann als Pipelinegas, bezweifele ich. Für unser Gas aus Norwegen und Russland sind Pipelines klar die bessere Wahl. Auch für unsere Energiesicherheit. Denn Pipelinegas kennt nur ein Ziel. LNG-Tankschiffe dagegen können jederzeit umgeleitet werden.

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