Cloudprojekt Gaia-X: Wie Peter Altmaier europäische Daten besser schützen will
Das Großprojekt Gaia-X soll Europa unabhängiger von US-Clouds machen. Denn bisher liegen viele sensible Daten bei Amazon, Microsoft und Co.
Der Digitalgipfel startete mit einem Schock. Nach dem Ende seiner ersten Rede stolperte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und stürzte über die Treppenstufen von der Bühne. Die Präsentation seines ambitionierten Projekts Gaia-X am Nachmittag musste Altmaier daher absagen. Für ihn sprang der Beauftragte für die Digitalwirtschaft, Thomas Jarzombek, ein.
Mit Gaia-X solle die Startbahn für den KI-Airbus gelegt werden. Im Kern geht es darum, ein Netzwerk aus europäischen Cloudanbietern zu bilden, bei dem Unternehmen ihre Daten speichern, miteinander teilen und verarbeiten können. Bislang wird der Markt von den US-Anbietern Amazon und Microsoft dominiert, doch Unternehmen wie auch Politiker sorgen sich zunehmend, ihre Daten deren Rechenzentren anzuvertrauen.
Jarzombek begründete die Notwendigkeit von Gaia-X auch mit den geopolitischen Änderungen vor allem beim langjährigen Partner USA: „Wer garantiert Ihnen, dass Daten in der Cloud nicht plötzlich Teil eines Handelskrieges werden?“ Roberto Viola, Generaldirektor Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien bei der EU-Kommission, zog einen Vergleich zum Satellitennetzwerk Galileo. Wenn morgen die GPS-Satelliten nicht mehr funktionieren würden, müsste Europa nicht in Panik verfallen.
"Der Staat wird kein Cloudanbieter"
Der wichtigste nächste Schritt ist nun die Gründung einer Organisation für das Projekt, die im Frühjahr 2020 erfolgen soll. Das bevorzugte Modell ist eine Europäische Genossenschaft (SCE). Offen ist derzeit weiter, in welcher Höhe die Politik das Projekt finanziell fördern will. Klar ist jedoch, dass es dabei nicht um Milliardenbeträge gehen wird, sondern eher um mittlere zweistellige Millionensummen. „Der Staat wird kein Cloudanbieter“, betonte Jarzombek. Für das zweite Quartal des kommenden Jahres sind erste Tests des technischen Konzepts geplant. Ende 2020 solle der Livebetrieb mit ersten Anbietern und Anwendern starten.
Die Idee von Gaia-X ist laut der Projektbeschreibung „eine vernetzte technische Infrastruktur aus Komponenten und Diensten, die den Zugang zu Daten sowie deren Speicherung, Austausch und Nutzung gemäß vordefinierten Regeln ermöglicht“. Es geht zum einen darum, ein Netzwerk von Cloudanbietern zu schaffen und dabei für Schnittstellen und Standards zu sorgen. Partner und Nutzer sollen so zum Zweiten die Möglichkeit bekommen, ihre Daten zu teilen. „Datensouveränität bedeutet, dass ich entscheiden kann, welche Daten ich für welche Dauer und welchen Zweck auf einer Plattform zur Verfügung stelle“, sagte Telekom-Vorstand Claudia Nemat. Dazu gehöre das Vertrauen darauf, dass kein unbefugter Dritter Schindluder damit treibe.
Industrie begrüßt Gaia-X
Auf diese Weise sollen auch Datenmarktplätze entstehen. Technische Grundlagen dafür werden seit 2015 im Projekt „International Data Spaces“ (IDS) am Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik (ISST) in Dortmund entwickelt. Forschungsministerin Anja Karliczek bezeichnete IDS als eine Wurzel von Gaia-X. Neben Unternehmen könnte auch die Wissenschaft auf der Grundlage von Gaia-X Informationen austauschen, hofft die Forschungsministerin. „Auch die Datenbestände des Staates können wir so öffnen“, sagte Ministerin Karliczek.
Für die weitere Entwicklung sollen sich nun nationale, vor allem aber europäische Partner in das Projekt einbringen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dazu die Website www.daten-infrastruktur.de eingerichtet. Unterstützung soll insbesondere aus Frankreich kommen. „Das wird ein deutsch-französisches Projekt“, hatte Altmaier am Vormittag noch angekündigt. Er habe Einigkeit mit seinem Amtskollegen Bruno Le Maire erreicht.
Der Bundesverband der Industrie (BDI) begrüßte das Vorhaben. „Europa braucht eine eigene Cloud-Architektur“, sagte Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. „Gaia-X ist ein mutiges Projekt.“ In der Industrie herrsche großes Interesse an einem technischen Regelwerk, das die Speicherung, den Austausch und die Verarbeitung von Daten nach europäischen Standards und Werten erleichtere. Der KI-Bundesverband bezeichnete es als ersten kleinen Schritt, die vorgestellten Konzepte seien noch sehr vage und zu wenig aus Kundensicht gedacht.