zum Hauptinhalt
Macht Deutschland sich erpressbar, wenn sensible Daten aus US-amerikanischen Servern liegen?
© DPA

Digitale Clouds: Wie sich Deutschland von Amazon und Microsoft abhängig macht

Deutsche Konzerne und Behörden speichern ihre Daten in amerikanischen Clouds – europäische Alternativen gibt es nicht. Die Politik sucht nach Lösungen.

Gleich mehrere Meldungen aus der Welt der Clouds haben die Politik in diesem Jahr aufgeschreckt. Zum einen gab Volkswagen zwei Großprojekte mit US-Internetkonzernen bekannt: Der Autobauer will mithilfe von Amazon die Maschinen und Anlagen aller 122 Werke des Konzerns vernetzen. Alle Produktionsdaten werden dann in einer Industrie-Cloud gespeichert, also in großen Rechenzentren, auf die man über das Internet von überall zugreifen kann. Zudem entwickelt VW gemeinsam mit Microsoft eine „Automotive Cloud“, in der künftig die Daten der Fahrzeuge selbst liegen und verarbeitet werden sollen.

Große Diskussionen gab es im Frühjahr auch, weil die Bundespolizei Aufnahmen von Körperkameras in der Cloud von Amazon speichert. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hatte das scharf kritisiert, allerdings gab es keine Alternativen: Bei der Einführung hatte kein deutscher Wettbewerber die nötigen Sicherheitsanforderungen erfüllt.

Das Geschäft mit dem Cloud Computing boomt, immer mehr Unternehmen nutzen statt eigener Rechenzentren die Datenwolke. Doch insbesondere Amazon und mit Abstrichen Microsoft dominieren dabei den Markt. Die deutsche Wirtschaft, aber eben sogar Behörden werden so von amerikanischen Anbietern abhängig. Karl-Heinz Streibich, Präsident der Akademie für Technikwissenschaften (Acatech), warnte in der „FAZ“ vor den möglichen Risiken für Deutschland und Europa. „Ich halte es für zumindest denkbar, dass unsere Abhängigkeit von wenigen Cloud-Anbietern politisch als Druckmittel gegenüber Deutschland und Europa eingesetzt werden könnte“, sagt Streibich.

Früher hätte er so etwas nicht für möglich gehalten, doch der Handelskrieg und die protektionistische Politik Trumps haben bei Streibich zu einem Sinneswandel geführt. So könne man nicht ausschließen, dass eines Tages gedroht werde, die Cloud-Dienste zu kappen, wenn Deutschland nicht die Nord-Stream-2-Gasleitung ebenfalls kappe.

Nationale Grenzen im "Cloud-Zeitalter"

Die Problematik treibt nun auch die Bundesregierung um. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) fordert „digitale Souveränität“ und auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnt: „Die Frage der Datensouveränität ist für unsere Wettbewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung.“ Sein Haus arbeitet daher momentan mit Hochdruck an einem Vorschlag für die Förderung einer europäischen Cloudinfrastruktur. „Wir befinden uns in der Umsetzung, in den nächsten Wochen wird es dazu Einzelheiten geben“, sagt Altmaier.

Die Platzhirsche sind bereits aufgeschreckt. So schaltete sich Sabine Bendiek, die Deutschland-Chefin von Microsoft, in die Debatte um die „digitale Souveränität“ mit einem langen Beitrag ein, in dem sie die Linien vom Westfälischen Frieden 1648 bis heute zog. Im Cloud-Zeitalter könne Souveränität nicht mehr anhand nationaler Grenzen definiert werden. „Eine eingezäunte Cloud hilft Europa nicht“, sagt Bendiek.

Ist das geschäftliches Kalkül? Schließlich ist es vor allem der Strategiewechsel und Fokus auf das Cloudgeschäft, mit dem Firmenchef Satya Nadella seit seinem Amtsantritt Microsoft wieder zum wertvollsten Unternehmen der Welt gemacht hat. Im abgelaufenen Quartal legten die Umsätze mit der Cloud um 64 Prozent zu. Auch für Amazon sind die Datenspeicher einer der größten Umsatztreiber: Im vergangenen Quartal lagen die Einnahmen der Cloudsparte Amazon Web Services (AWS) bei 8,4 Milliarden Dollar. Da können hiesige Unternehmen nicht annähernd mithalten: Die letzten Quartalsumsätze der Telekom-Geschäftskundensparte T-Systems, zu dem auch die eigenen Cloudangebote gehören, betrugen ein Fünftel davon.

CEO Satya Nadella hat Microsoft mit Cloud-Geschäften wieder zum wertvollsten Konzern der Welt gemacht.
CEO Satya Nadella hat Microsoft mit Cloud-Geschäften wieder zum wertvollsten Konzern der Welt gemacht.
© AFP

Vor dreieinhalb Jahren haben die Bonner mit der Open Telekom Cloud ein Angebot auf den Markt gebracht, das jedenfalls ansatzweise mit den Produkten der sogenannten Hyperscaler Amazon, Microsoft und Google vergleichbar ist. Den Markt wird die Telekom ihnen aber nicht streitig machen: „Die Open Telekom Cloud ist keine Lösung, die in Sachen globaler Reichweite mit den Hyperscalern konkurriert“, sagt ein Sprecher.

Telekom arbeitet mit Huawei zusammen

Die Telekom fährt daher auch zweigleisig: Das Unternehmen arbeitet nämlich auch viel mit AWS und Microsoft zusammen und agiert dabei als Dienstleister für seine Kunden. Denn oft ist es so, dass eine Abteilung beispielsweise webbasierte Programme bei einem Cloudanbieter hat, eine andere Abteilung wiederum ihre Daten oder Anwendungen in einer anderen Cloud. Die Telekom hilft IT-Abteilungen bei der Organisation solcher hybriden Cloudstrukturen. Zu denen können dann auch noch eigene firmeninterne Rechenzentren gehören, auf denen besonders sensible Informationen liegen, oder eben die Telekom-Cloud. „Sie ist eine Alternative, wenn die Kunden besonders hohe Anforderungen an den Datenschutz stellen“, sagt der Sprecher.

Wobei sich dazu mittlerweile neue Fragen stellen: Als Hardwarepartner für seine Cloud hat sich die Telekom für Huawei entschieden. Doch seit Monaten wird über die Verlässlichkeit der Chinesen gestritten. Insbesondere die USA warnen davor, Huawei-Technik beim Aufbau der 5G-Mobilfunknetze einzusetzen, sie fürchten mögliche Hintertüren oder heimliche Abschaltfunktionen. Doch wie sicher sind dann die Huawei-Server für Kunden der Telekom-Cloud? Diese Frage wird auch in Bonn diskutiert.

Doch so wünschenswert eine deutsche oder europäische Cloud-Alternative auch wäre, so schwierig wird die Umsetzung. „Für eine Kopie von Microsoft Azure oder AWS sind wir zehn Jahre zu spät“, sagt Acatech-Präsident Streibich. Auch andere Experten sagen, der Aufbau eines vergleichbaren europäischen Konkurrenten würde Milliardeninvestitionen kosten. Stattdessen sollte man sich auf bestimmte Bereiche konzentrieren, beispielsweise die Speicherung und Verarbeitung von Maschinendaten.

Was soll ein KI-Airbus sein?

In diese Richtung gehen auch die Überlegungen im Wirtschaftsministerium. Schließlich fällt das Projekt mit Altmaiers Vision eines „Airbus der Künstlichen Intelligenz (KI)“ zusammen. Während beim ursprünglichen Airbus-Projekt das Ziel von Anfang an klar war, nämlich ein Unternehmen mit staatlicher Unterstützung zu gründen, das Langstreckenflugzeuge baut, fragten sich viele Beobachter, welches Produkt denn ein KI-Airbus anbieten soll.

Doch es geht auch dabei eher um eine Plattform zur Speicherung und Verarbeitung von Daten, die Unternehmen zugleich KI-Werkzeuge zur Verfügung stellt. Zudem sollen Mittelständler dort auch Datenpools bilden können. Schließlich haben viele Firmen nicht die Mengen an Daten wie Google, Amazon & Co., die es aber zum Training der KI benötigt. Wenn dagegen die kleineren Datenbestände anonymisiert ausgetauscht und zusammengeführt werden, könnte dieser Wettbewerbsnachteil ausgeglichen werden.

Ob und wie das technisch funktionieren kann und welche Unternehmen sich an einem solchen Projekt beteiligen, muss sich in den kommenden Monaten zeigen. Wie schwierig das ist, zeigt das Beispiel der „Deutschland-Cloud“ von Microsoft. Dabei hatte die Telekom als Datentreuhänderin agiert, um sicherzustellen, dass Microsoft normalerweise nicht einmal Zugang zu den Rechenzentren bekam. Doch vor einem Jahr wurde das Angebot eingestellt: Die Nachfrage war offenbar gering, zudem soll der erschwerte Datenaustausch durch die abgeschottete Cloud Kunden abgeschreckt haben.

Zur Startseite