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Falttechnik. Auch für das Zusammenlegen von Kleidung hat Marie Kondo ihr eigenes Konzept entwickelt.
© Jeremie Souteyrat/laif

Marie Kondo: Wie eine Frau durchs Aufräumen reich wurde

Die Japanerin Marie Kondo bringt der Welt das Aufräumen bei. Sie selbst hat das zur Millionärin gemacht.

Nichts ist aufregender als eine unordentliche Schublade. Zumindest für Marie Kondo. Als sie diese öffnet, strahlt sie über das ganze Gesicht und ruft aus: „I love mess“ – „Ich liebe Unordnung“. Eine zierliche Frau, 34 Jahre alt, aus Japan, erklärt der Welt, wie man aufräumt. Wie man T-Shirts faltet und Socken rollt. Wie man sein Haus, sein Leben ausmistet, bis nur noch übrig bleibt, was einen glücklich macht.

Seit Januar ist Kondo in ihrer Rolle als Aufräumerin mit ihrer Show auf dem Streamingdienst Netflix zu sehen. Und nicht nur dort. In den sozialen Netzwerken, auf Nachrichtenseiten, im Fernsehen – an Kondo kommt inzwischen keiner mehr vorbei. In den USA ist aus ihrem Namen sogar schon ein Verb geworden: „We kondo“, sagen Amerikaner nun, wenn sie aufräumen und ausmisten. Für die stets vergnügte Kondo scheint all das ein großer Spaß zu sein. Vor allem ist es aber: ein Riesengeschäft.

Kondo hat das Aufräumen reich gemacht

Auf acht Millionen Dollar wird Kondos Vermögen inzwischen geschätzt. Das Aufräumen, das Sortieren und Falten hat sie reich gemacht.

So klingt ihre Geschichte erst mal auch wie ein modernes Märchen. Schon als Kind ist Kondo in der Familie angeblich die Ordentliche. Sie räumt nicht nur ihr eigenes Zimmer auf, sondern hält auch die Räume der Geschwister sauber. In der Schule meldet sie sich freiwillig, um regelmäßig das Bücherregal im Klassenzimmer zu entstauben und zu sortieren. Ihren 18. Geburtstag verbringt Kondo in der Nationalbibliothek, um dort die vielen Bücher übers Aufräumen und Ordnen zu durchstöbern – der Grund: Erst ab 18 darf man die Bibliothek benutzen.

So weit, so perfekt. Will Kondo die Welt also einfach nur an ihrer Liebe zum Aufräumen teilhaben lassen? Andere damit anstecken?

Zumindest leise Zweifel daran kommen auf, wenn man liest, wie Kondo ihre Karriere als Aufräumerin geplant hat. Zum Beispiel hat sie nicht einfach ein Buch geschrieben, dass dann zufällig ein Bestseller wurde und 150 Tage lang auf der Liste der „New York Times“ stand. Bevor es dazu kam, soll Kondo 2010 in Japan einen Kurs besucht haben, der sie ebendarauf vorbereitet hat. Der Kurstitel lautete: „Wie ich Bestseller schreibe, die auch in zehn Jahren noch geliebt werden“.

Ihren Verleger soll Kondo dann auch nicht etwa mit ihrem Schreibtalent überzeugt haben – vielmehr hatte sie zu dem Zeitpunkt noch kein Wort ihres Buchs zu Papier gebracht. Ihn hat angeblich etwas anderes überzeugt: Er soll in ihr jemanden gesehen haben, der im Fernsehen eine gute Figur machen würde.

In ihrer Firma ist Kondo "Chief Visionary Officer"

Ob nun gewollt oder ungewollt: Rund um ihre Person hat Kondo inzwischen ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut. Konmari Media Inc. heißt das. Kondo selbst ist dort als Gründerin und „Chief Visionary Officer“ gelistet, also als Vorstandsmitglied, das vor allem für die visionären Ideen zuständig ist. Das operative Geschäft leitet Kazuma Yamauchi, eine japanische Managerin, die zuvor für die US-Investmentbank Goldman Sachs und Advent International gearbeitet hat, einen der weltweit größten Private Equity Fonds.

So gehören zu Kondos Kosmos auch längst nicht nur ihre Netflix-Serie und ihre Bücher – sieben Ratgeber hat sie inzwischen geschrieben, die in fast 40 Sprachen übersetzt worden sind. Auch aus dem Aufräumen an sich hat sie ein Geschäft gemacht. Ihr Sortier- und Faltritual, die Konmari-Methode, hat sie rechtlich schützen lassen.

Dazu gehört zum Beispiel, dass man nicht einen Raum der Wohnung nach dem anderen aufräumt – sondern in Kategorien denkt: Erst nimmt man sich alle Kleidungsstücke vor und behält nur, woran das Herz hängt. Dann geht man so alle Papiere durch, Kleinkram und Erinnerungsstücke. So einfach das klingt: Wer daraus selbst ein Geschäft machen und anderen nach der Kondo-Methode beim Aufräumen helfen will, darf das nur, wenn er vorher von Kondo oder ihren Mitarbeitern ausgebildet worden ist.

Die meisten Konmari-Aufräumhilfen gibt es in den USA

Mehr als 200 freiberufliche Konmari-Berater haben die Kondo-Schule bereits durchlaufen. Die meisten bieten ihre Dienste als Aufräumhilfen in den USA an – in Deutschland sind bislang nur drei auf der Internetseite gelistet. Das liegt vermutlich aber auch daran, dass die Ausbildung nicht ganz einfach und vor allem teuer ist. Bis zu 2700 Dollar zahlen die Teilnehmer für ein dreitägiges Seminar, in dem sie Kondos Falttechniken erlernen und darin geschult werden, wie sie mit schwierigen Kunden umgehen. Kondo selbst begrüßt und verabschiedet die Teilnehmer dabei allenfalls. Das Training selbst übernehmen bereits ausgebildete Beraterinnen.

Teilnehmen darf an den Seminaren derweil nur, wer zuvor bereits auch sein eigenes Heim akribisch nach der KonmariMethode aufgeräumt hat. Als Beleg dafür verlangt Kondo Fotos. Doch selbst wer so weit kommt und das Seminar erfolgreich absolviert hat, darf sich noch immer nicht Konmari-Berater nennen. Dafür müssen die Anwärter erst noch an zehn Test-Terminen mindestens zwei Kunden beim Aufräumen helfen – und darüber schriftliche Berichte abliefern. Und als wäre das nicht genug, steht auch noch ein Onlinetest mit Multiple-Choice-Fragen an. Nur wer dabei die richtigen Antworten gibt, bekommt die Auszeichnung als Konmari-Berater. Dabei geht es längst nicht nur um das korrekte Falten von Kleidung. Sondern auch um den Umgang mit Kunden.

Wie bringt man einem 17-Jährigen das Aufräumen bei?

Im Netz kursiert etwa diese Frage samt möglichen Antworten (hier verkürzt) aus dem Test:

Eine Kundin will Sie als Konmari-Beraterin engagieren, um das chaotische Zimmer ihres 17-jährigen Sohns in Ordnung zu bringen. Wie reagieren Sie?

A) Sie helfen auch dann beim Aufräumen, wenn der Sohn sich dem zunächst verweigert.

B) Als Konmari-Beraterin können Sie nur dann helfen, wenn der Sohn sich selbst entschieden hat, aufzuräumen.

C) Eltern sollten ihren Kindern niemals die Konmari-Methode aufzwingen. Der Sohn muss die Konmari-Beraterin schon selbst engagieren.

D) Als Konmari-Beraterin helfen Sie beim Aufräumen und versuchen, zwischen Sohn und Eltern zu vermitteln.

Die Auflösung: Richtig ist Antwort B – der Sohn muss selbst bereit sein, aufzuräumen.

Aufsteigen kann man bis zum Gold-Consultant

Wer das weiß und den Test besteht, kann sich hocharbeiten. Je mehr Kunden man das Aufräumen nach der Konmari-Methode beigebracht hat, desto höher die Auszeichnung. Wer mindestens 200 Aufräumsessions hinter sich hat, wird zum Beispiel zum Gold-Consultant ernannt. Aber auch das ist natürlich nicht ganz kostenlos: Wer dauerhaft als Konmari-Berater arbeiten will, zahlt jährlich eine Gebühr von 500 Dollar.

Geld und Glück liegen so nah beieinander. Auf dem Karriereportal Linkedin beschreibt Kondo ihr Unternehmen hingegen ganz altruistisch: „Unser Ziel ist es, mehr Menschen dabei zu helfen, sich für das Glück zu entscheiden und sich auf ihr Aufräumabenteuer zu begeben.“

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