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Kollege Roboter: Die Arbeitswelt ändert sich rasant durch die Automatisierung. Wie Arbeitnehmer gefördert und geschützt werden können, analysiert die Denkfabrik im Arbeitsministerium.
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Denkfabrik im Arbeitsministerium: Wenn der Roboter zum Kollegen wird

Die Arbeitswelt verändert sich rasant durch Technologien wie Künstliche Intelligenz. Die Denkfabrik im Arbeitsministerium soll darauf Antworten finden.

Der Name wirkt auf den ersten Blick irritierend: „Denkfabrik“ heißt die neue Abteilung des Arbeitsministeriums (BMAS), die an diesem Donnerstag eröffnet wird – was aber nicht etwa bedeutet, dass die Mitarbeiter der anderen Abteilungen nun Däumchen drehen. Vielmehr soll die neue Einheit Antreiber sein, also schneller und besser analysieren, wie sich die Arbeitswelt durch die Digitalisierung verändert und dafür gemeinsam mit den etablierten Abteilungen Lösungen entwickeln – nicht allein für das Ministerium unter Hubertus Heil (SPD), sondern für die Regierung insgesamt.

133 Millionen Jobs werden neu geschaffen

Die Zeit drängt. Erst kürzlich hat eine Studie des Weltwirtschaftsforums (WEF) gezeigt, dass Deutschland im internationalen Vergleich zu langsam auf die anstehenden Folgen von zunehmender Automatisierung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) reagiert. 75 Millionen Arbeitsplätze werden weltweit bis 2022 durch die neuen Technologien wegfallen wegfallen, schätzen die Autoren der Studie. Gleichzeitig würden 133 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen.

Wie aber müssen diese neuen, flexibleren Arbeitsverhältnisse reguliert werden? Wie können Daten der Beschäftigten genutzt werden, ohne sie zum „gläsernen Arbeitnehmer“ zu machen? Welche nationalen Weiterbildungs- und Qualifizierungsstrategien werden gebraucht? Das sind die zentralen Fragen, für die die Denkfabrik konkrete Politikkonzepte entwickeln soll. „Wir müssen mit unseren Strukturen agiler werden“, sagte Björn Böhning, Staatssekretär im BMAS und Chef der Denkfabrik. „Hier geht es nicht mehr um die Dampfmaschine, die 40 Jahre gebraucht hat, bis sie in der Industrie angekommen ist, sondern es wird nur vier oder fünf Jahre dauern, bis Künstliche Intelligenz unsere Arbeitswelt radikal verändern wird.“

Drei Millionen Euro Budget

Die Denkfabrik ist mit einem Budget von drei Millionen Euro jährlich ausgestattet. Fünf Mitarbeiter wurden von außen eingestellt, sieben Mitarbeiter kommen aus dem BMAS. Untergebracht ist sie im Foyersaal des Ministeriums, hier gibt es zwar weder Kickertisch noch Bällebad, dafür aber Kommunikationsecken wie im Co-Working-Space und einen Kühlschrank mit Platz für Club-Mate.

Bereits im kommenden Frühjahr sollen erste Politikvorschläge vorliegen, kündigte Böhning an. Beispielsweise geht es um die Frage, wie ein Rechtsrahmen für mobiles Arbeiten geschaffen werden kann, auch im Hinblick darauf, ob und wie der Arbeitsplatz zu Hause nach der Arbeitsstättenverordnung zu behandeln ist. Ebenso dazu, inwieweit Plattformen auch Arbeitgeberfunktion haben, die Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten übernehmen müssen. Diese beauftragen häufig so genannte Clickworker, die freiberuflich kleinere Aufträge, mitunter per Mausklick, erledigen.

Zuarbeit fürs Digitalkabinett

Fünf Prozent der Menschen seien derzeit in solchen Verhältnissen tätig, sagte Böhning. Tendenz steigend. Deshalb stelle sich zunehmend die Frage der Absicherung im Hinblick auf Rente, Krankenkasse und Arbeitnehmerschutz. Für die nächste Sitzung des Digitalkabinetts der Regierung am 14. November wird das BMAS deshalb Datenmaterial zu neuen Arbeitsformen in der digitalen Arbeitswelt zusammenstellen.

Die Denkfabrik soll aber auch über das betriebliche Umfeld hinausschauen und sich mit den Sorgen und Ängsten beschäftigen, die viele Menschen im Hinblick auf die Automatisierung haben. Dazu soll es auch einen engen Austausch mit Wissenschaftlern geben, wie etwa John Zysman von der University of California Berkeley geben, der zu diesen Themen geforscht hat. Weiter ist ein wissenschaftlich ausgerichtetes internationales Fellowship-Programm und ein Austauschprogramm in Planung, das vorsieht, dass Mitarbeiter anderer Institutionen ihre Erfahrungen in die Denkfabrik einbringen können.

Ebenso sollen Mitarbeiter der Denkfabrik in Unternehmen und Einrichtungen hospitieren, um sich vor Ort ganz praktisch anzuschauen, wie die neuen Technologien die Arbeit verändern. Böhning hofft, dass die Beamten der etablierten Abteilungen die neuen Kollegen in der Denkfabrik nicht als „Nerds“ oder „Hipster“ sehen, sondern Ideen gemeinsam entwickelt und in konkrete Politikkonzepte transferiert werden – gerne auch bei einer Flasche Club Mate. Sonja Álvarez

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