Lebensmittel liefern lassen: Welche Lebensmittel Sie nicht online bestellen sollten
Wenn der Fisch zum Himmel stinkt - ein neuer Test von Online-Lebensmitteldiensten zeigt: Die Kühlkette funktioniert oft nicht.
Noch sind es nur wenige, die ihre Lebensmittel im Netz bestellen und sich nach Hause liefern lassen. Doch Branchenkenner sind sicher: Das wird sich ändern. Gespannt wartet der Handel darauf, ob Amazon seinen Berliner Feldversuch ausdehnt und demnächst Kunden in ganz Deutschland mit frischen Lebensmitteln beliefert. Noch hält sich der Onlinekonzern bedeckt, doch die Konkurrenz ist gewarnt. Der Einzelhandel müsse sich warm anziehen, mahnte Rewe-Chef Alain Caparros kürzlich: Die Verzahnung von stationärem Handel und Onlinegeschäft müssten die etablierten Lebensmittelhändler selbst hinbekommen, sonst würden sie irgendwann von Amazon abgehängt.
Eine Milliarde Euro Umsatz
Rund 170 Milliarden Euro geben die Bundesbürger im Jahr für Lebensmittel aus, 2015 entfielen davon gerade einmal 800 Millionen Euro auf Onlinekäufe. Doch die Bedeutung des Internets wird wachsen, glaubt Martin Groß-Albenhausen vom Bundesverband E-Commerce (BVEH). Im vergangenen Jahr haben die Lebensmittelkäufe übers Netz, das sogenannte E-Food, bereits die Milliardengrenze übersprungen, sagt er. Das Problem: Haltbare Waren wie Öl und Wein lassen sich gut übers Netz verkaufen, schwierig wird es aber bei Frischware.
Probleme mit der Kühlung
Das zeigt auch eine neue Untersuchung der „Marktwächter digitale Welt“. Die Verbraucherschützer haben Online-Lebensmittelhändler getestet, die auch frische Lebensmittel anbieten und das bundesweit. Auf 179 Adressen sind Kirsti Dautzenberg von der Verbraucherzentrale Brandenburg und ihr Team gestoßen, von 32 Shops haben sie sich insgesamt 134 Produkte liefern lassen. Das Ergebnis macht nicht gerade Appetit auf einen Selbstversuch: „Mehr als die Hälfte der Produkte war zu warm“, berichtet die Verbraucherschützerin, „offensichtlich gibt es Probleme mit der Kühlkette.“ 20 Grad warmer Fisch, 25 Grad warmer Käse – das ist nicht nur eklig, sondern kann auch gesundheitsschädlich sein. Dafür gibt es nur eine Lösung: die Mülltonne. Wer die Lieferanten der Gammelware waren, sagen die Verbraucherschützer nicht. Sie verraten nur so viel: Es habe sich ausnahmslos um kleinere Unternehmen gehandelt und nicht um einen der Großen.
Nur wenige große Anbieter
Davon gibt es derzeit ohnehin nicht viele im E-Food-Handel. Die meisten Firmen arbeiten regional, nur wenige haben einen größeren Radius. Rewe gehört dazu. 30 Millionen Menschen können online aus dem Rewe-Supermarkt-Sortiment bestellen, 75 Städte, darunter auch Berlin, werden beliefert. Auch die Posttochter DHL ist mit ihrem Portal „allyouneedfesh“ im Geschäft. Groß-Albenhausen hofft auf den Amazon-Effekt. Wenn der US-Händler in den Lebensmittelmarkt einsteigt und die Logistik bereitstellt, sei das eine Chance für Nischenanbieter, die ihre Produkte über Amazon verkaufen könnten. „Das macht kleinen Firmen den Marktzugang möglich“, hofft der Vize-Hauptgeschäftsführer. Doch noch hält sich Amazon bedeckt. Seit Mai können sich "Prime"-Kunden in Berlin innerhalb einer Stunde Tausende Artikel des täglichen Bedarfs von Spielzeug über Bücher bis hin zu Lebensmitteln liefern lassen, inzwischen gibt es den Service auch in München. "Zu weiteren Standorten hat Amazon keine Ankündigung gemacht", sagte Amazon-Sprecher Stephan Eichenseher dem Tagesspiegel. Ob und wann Amazon Deutschland flächendeckend beliefert, ist damit noch offen.
Jede Menge Müll
Mit Kühlakkus, Gelpads oder Trockeneis versuchen die Anbieter, die Kühlprobleme zu lösen – wie der neue Test zeigt, allerdings allzu häufig mit übersichtlichem Erfolg und unerwünschten Nebenwirkungen. Jede Menge Verpackungsmaterial und Pappkartons stapeln sich bis heute im Keller der Testerin Dautzenberg. Ökologisch ist der Onlinehandel auch nicht gerade.
Vorsicht beim Datenschutz
Auch rechtlich sehen Verbraucherschützer noch Probleme. So würden Kunden oft erst bei der Lieferung erfahren, welche Inhaltsstoffe in den Lebensmitteln stecken, kritisiert Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Im Laden erfahren Verbraucher solche Dinge, bevor sie die Waren in den Einkaufswagen packen. Müller fordert eine Reform der einschlägigen Lebensmittelinformationsverordnung.
Und er mahnt die Kunden, sparsam mit ihren Daten umzugehen. Was man einkauft, könnte für Krankenkassen und Arbeitgeber „von großem Interesse sein“, betont Müller. Der Versicherer Generali macht das mit seinem Vitality-Programm bereits vor. Wer eine Generali-Berufsunfähigkeits- oder eine Risikolebensversicherung hat und gesunde Lebensmittel einkauft, kann Rabatte bei Partnerunternehmen wie Adidas oder Galeria Kaufhof bekommen. Perspektivisch soll auch noch eine Lebensmittelkette hinzukommen. Die soll nicht nur Rabatte auf gesunde Nahrungsmittel geben, der Kauf soll erfasst werden und gleich in die Punkterechnung einfließen.