zum Hauptinhalt
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gibt sich als Vorreiter in Sachen E-Mobilität.
© dpa

Vorstoß von Andreas Scheuer: Welche Hürden der Infrastruktur für E-Mobilität im Weg stehen

Der Bundesverkehrsminister will eine Milliarde Euro für private E-Ladepunkte ausgeben. Doch mehr noch als Geld fehlen gesetzliche Grundlagen dafür.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) fordert eine zusätzliche Milliarde Euro Förderung für den Aufbau privater Ladepunkte für E-Autos in Wohn- und Gewerbegebäuden. Laut Ministerium laden Besitzer eines E-Autos ihr Fahrzeug zu 75 bis 85 Prozent zu Hause oder am Arbeitsplatz. Deshalb solle der Staat beim Ausbau privater und gewerblicher Ladestationen bis zu 50 Prozent der Kosten übernehmen. Bis zu 3000 Euro soll es für Einbau und Netzanschluss geben, für Schnellladepunkte wäre es mehr. Das klingt nach Tatendrang beim Klimaschutz – ist aber ohne die Mitwirkung weiterer Ministerien nicht umsetzbar oder wenig sinnvoll.

Die Milliarde müsste Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) im gerade vom Kabinett in Eckpunkten beschlossenen Haushalt 2020 zusätzlich locker machen. Scholz hat zwar seine Bereitschaft signalisiert, die Förderung der Elektromobilität bis ins Jahr 2030 auszuweiten – etwa die steuerlichen Anreize für klimafreundliche Dienstwagen. Von Scheuers aktuellen Plänen war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht die Rede.

Wichtiger noch: Die Bundesregierung müsste zentrale gesetzliche und bürokratische Hürden abbauen, die einem zügigen Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur in Tiefgaragen oder auf Parkplätzen bislang im Wege stehen. Ihren Willen dazu hat sie mehrfach bekundet, doch die Mühlen der Gesetzgebung mahlen noch.

Barley, Altmaier und Seehofer sind auch beteiligt

So müsste die schon lange geplante und im Koalitionsvertrag versprochene Reform des Miet- und Wohneigentumsgesetzes (WEG) in die Tat umgesetzt werden. Hier gibt es bislang nur einen Gesetzentwurf, Diskussionsentwürfe sind bereits zwei Jahre alt. Die Reform fällt in die Zuständigkeit von Justizministerin Katarina Barley (SPD). Zudem finden sich die geänderten Bestimmungen der im Sommer 2018 vom EU-Parlament beschlossenen Gebäudeeffizienzrichtlinie noch nicht im nationalen Recht wieder.

Die Änderungen sind bedeutsam für den Neubau und die grundlegende Sanierung von Gebäuden. Das von Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gemeinsam initiierte Gebäudeenergiegesetz gibt es bislang ebenfalls nur als Entwurf.

Die WEG-Reform ist wichtig, weil der Aufbau privater Ladepunkte in vielen Fällen daran scheitert, dass sich Mieter und Eigentümer in Mehrfamilienhäusern nicht mit ihren Vermietern oder Miteigentümern einigen können. Oftmals geht es ja nicht nur um die Installation einer Wallbox an der Garagenwand, sondern auch um neue, leistungsfähige Leitungen und andere bauliche Veränderungen. Die Zustimmung aller ist aber notwendig, wenn Ladepunkte in der Tiefgarage oder an sonstigen Stellplätzen installiert werden sollen.

Streitpotential bei Hausgemeinschaften

Gerade bei Hausgemeinschaften mit Eigentumswohnungen ist das ein Problem. „Es geht um Eingriffe und Einschränkungen des Eigentumsrechts, das sollte kein Schnellschuss werden“, begründet ein Sprecher der Justizministerin das lange Gesetzgebungsverfahren. Außerdem gelte der Koalitionsvertrag, in dem sich SPD und Union darauf verständigt haben, das WEG nicht nur mit Blick auf die Elektromobilität zu reformieren. Zusätzlich soll das Gesetz auch „bauliche Maßnahmen insbesondere in den Bereichen Barrierefreiheit, energetische Sanierung und Einbruchsschutz“ erleichtern. „Der Vorteil ist, dass alle am Tisch sitzen und mitreden können“, sagt der Ministeriumssprecher.

Der Nachteil: es dauert. Nachdem auch Bayern einen Diskussionsentwurf zur WEG-Reform präsentiert hatte, das Gesetz aber Sache des Bundes ist, wurde im Sommer 2018 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet. Wann diese zu konkreten Ergebnissen kommt, bleibt offen. „Zeitnah“, heißt es im Ministerium. Justizministerin Barley beließ es am Montag ebenfalls bei einer Ankündigung: Das Ministerium werde gesetzliche Regelungen für den Einbau von Ladestationen schaffen, sagte sie lediglich.

Eine Ladestation für Ökostrom auf der Hannover Messe.
Eine Ladestation für Ökostrom auf der Hannover Messe.
© dpa

„Der Einbau von Ladesäulen darf nicht an komplizierten Regelungen im Eigentumsrecht scheitern“, fügte die SPD-Politikerin hinzu. Die Grünen kritisieren, dass der Bundesrat schon im Dezember 2017 auch auf Antrag von Hessen einen Gesetzentwurf erneut beschlossen habe, der bis heute nicht den Weg in den Bundestag gefunden habe.

„Damit die in Aussicht gestellten Fördergelder auch fließen können, muss sichergestellt werden, dass jeder Mieter und Wohnungseigentümer eine Ladesäule einbauen kann, wenn er es möchte und die Finanzierung sicherstellt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Stefan Kapferer.

Auch der Städtetagspräsident Markus Lewe hat die Bundesregierung am Dienstag zu verstärkten Anstrengungen beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos aufgefordert. Die Städte seien mit dem bisherigen Aufbau von öffentlich zugänglichen Ladesäulen bereits in Vorleistung gegangen, sagte der Oberbürgermeister von Münster. Um mit dem erwarteten Anstieg beim Verkauf von Elektrofahrzeugen Schritt zu halten, müssten weitere Lademöglichkeiten installiert werden. Er meint, neben privaten Ladestationen sollten auch Ladeeinrichtungen für den ÖPNV, neue Elektrobusse und städtische Flotten gefördert werden.

Bundesregierung muss EU-Recht durchsetzen

Wenn sich eine zusätzliche Förderung der Ladeinfrastruktur auch im gewerblichen Bereich auszahlen soll, muss die Bundesregierung spätestens bis Anfang 2020 das neue EU-Recht zur Gebäudeeffizienz umgesetzt haben. Danach muss unter anderem in Nichtwohngebäuden mit mehr als zehn Parkplätzen, die neu gebaut oder umfangreich renoviert wurden, bis 2030 mindestens eine Ladestation errichtet werden.

Außerdem muss jeder fünfte Parkplatz mit der entsprechenden Vorverkabelung ausgestattet sein, die den nachträglichen Einbau von Ladestationen für alle Parkplätze ermöglicht. Wenn sich eine zusätzliche Förderung der Ladeinfrastruktur wirklich auszahlen soll, muss die Regierung spätestens bis Anfang 2020 auch das neue EU-Recht zur Gebäudeeffizienz umgesetzt haben. Danach soll die Elektromobilität in Neubauten und sanierten Gebäuden gleich integriert sein.

So muss gemäß der Richtlinie zum Beispiel in neuen Nichtwohngebäuden mit mehr als zehn Parkplätzen, die neu gebaut oder umfangreich renoviert wurden, bis 2030 mindestens eine Ladestation errichtet werden. Außerdem muss jeder fünfte Parkplatz mit der entsprechenden Vorverkabelung ausgestattet sein, die den nachträglichen Einbau von Ladestationen für alle Parkplätze ermöglicht. In Wohngebäuden muss jeder Parkplatz nachrüstbar sein.

Seit diesem Dienstag ist das dritte Entscheider-Briefing des Tagesspiegels online offiziell erhältlich. „Background Mobilität & Transport“ liefert werktags um 6 Uhr exklusive Branchennews und Analysen.

Zur Startseite