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Ladesäule gesucht. Die Rede ist vom Henne-Ei-Problem. Werden keine E-Autos verkauft, weil es zu wenig Ladestationen gibt? Oder fehlen Autos für mehr Ladesäulen?
© picture alliance / Jan Woitas/dp

Infrastruktur für Elektroautos: Immobilienbesitzer unter Strom

Die EU will bei Nicht-Wohngebäuden Ladesäulen für E-Autos vorschreiben – das kann teuer werden. Auch private Tiefgaragen haben oft keine Steckdose.

Besitzer von Immobilien, die nicht bewohnt sind – also Supermärkte, Einzelhandel, Hotels, Büro- und Industriegebäude – sollen sich künftig für die Energiewende im Verkehrsbereich ins Zeug legen. Ab 2025 sollen sie verpflichtet werden, mindestens eine Ladesäule für Elektrofahrzeuge zu installieren, wenn auf dem Parkplatz des Gebäudes mehr als zehn Stellplätze vorhanden sind. Aus dieser Forderung will das EU-Parlament eine Richtlinie machen.

Die Verhandlungen dazu beginnen Anfang Dezember in Brüssel zwischen Parlament, Mitgliedsstaaten und Kommission. Wenn sich das Parlament durchsetzt, würde dies bedeuten: Alle kommerziellen Nicht-Wohngebäude im Bestand, die mehr als zehn Stellplätze haben, müssten auf eigene Kosten Ladesäulen errichten. Schätzungen gehen davon aus, dass die Ladesäulenpflicht den deutschen Unternehmen Mehrkosten von 7,5 Milliarden Euro aufbürden würde. Diese Rechnung unterstellt, dass jedes dritte der drei Millionen Nicht-Wohngebäude in Deutschland umgerüstet werden müsste. Laut Nationaler Plattform Elektromobilität (NPE) belaufen sich die Kosten für eine Normalladesäule einschließlich Netzanschluss auf rund 7500 Euro.

Wirtschaft fürchtet Kosten von "mehreren Milliarden Euro"

Die deutsche Wirtschaft ist alarmiert. DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte dem Tagesspiegel: „Auch wenn die genauen Kosten nur schwer zu schätzen sind, rechnen wir bei den Pflicht-Ladesäulen mit Mehrkosten für die Wirtschaft von mehreren Milliarden Euro.“ Schweitzer sieht nicht ein, warum die Unternehmen die Kosten für die Energiewende im Verkehrsbereich schultern sollen: „Es ist nicht sinnvoll, dass Investitionen in eine spezifische Technologie von der gesamten Wirtschaft bezahlt werden sollen, statt von denjenigen, die den Vorteil davon haben.“ Eine pauschale Pflicht führe zum Aufbau einer Infrastruktur, die dann zumindest teilweise ungenutzt bliebe, warnt der Präsident des Spitzenverbandes. Der CDU/CSU-Mittelstandspolitiker im EU-Parlament, Markus Pieper, fordert, dass sich Brüssel heraushält: „Ich weiß nicht, warum europäische Politik sich um Details für Vorverkabelungen, Leerrohre und die Dichte von Ladesäulen kümmern muss. Wieso regeln die Mitgliedsstaaten und die Wirtschaft das nicht in Eigenregie?“ Pieper appelliert an die Regierungen, die Pläne bei den anstehenden Verhandlungen zu beerdigen.

Ein Schlupfloch gibt es womöglich: Die Kommission will es den Mitgliedsstaaten überlassen, ob sie kleine und mittelgroße Unternehmen sowie Behörden von der Pflicht befreien.

Der EU-Energiekommissar macht Druck

Bereits absehbar ist, was beim Neubau und bei umfassenden Renovierungen von nicht zu Wohnzwecken genutzten Immobilien auf die Besitzer zukommt: Sie sollen hier verpflichtet werden, eine Ladesäule zu installieren, wenn mehr als zehn Parkplätze vorhanden sind. Außerdem muss die Infrastruktur für weitere Säulen geschaffen werden – etwa Leerrohre oder eine Vorverkabelung. Ursprünglich wollte die EU-Kommission unter Federführung von Energiekommissar Miguel Arias Canete bei neuen oder grundsanierten Nicht-Wohngebäuden noch weiter gehen. So sollte auf jedem zehnten Parkplatz eine Ladesäule vorgeschrieben werden. Dies hätte bedeutet, dass bei einem neuen Supermarkt mit 1000 Parkplätzen 100 Ladesäulen fällig geworden wären. Vor allem in den osteuropäischen Mitgliedsländern formierte sich massiver Widerstand.

Nachholbedarf. Berlin liegt bei der Ausstattung mit Ladesäulen zurück.
Nachholbedarf. Berlin liegt bei der Ausstattung mit Ladesäulen zurück.
© null

Brüssel fürchtet, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht zügig genug vorankommt. „Heute stecken wir in dem Henne-Ei-Dilemma“, heißt es. Zum einen werde der Absatz von Elektromobilen durch den Mangel an Ladestationen gehemmt. Zum anderen werde zu wenig Geld in Ladestationen investiert mit dem Hinweis, dass es gar nicht so viele E-Autos gebe. Doch glaubt man den Plänen der Autobauer, könnten in einigen Jahren deutlich mehr Elektroautos auf den Markt kommen und die Nachfrage ankurbeln. 90 Prozent der Ladetätigkeit von Elektromobilen finde heute im privaten Bereich statt, argumentiert die EU-Kommission. „Wir brauchen dringend Action an beiden Fronten: bei öffentlichen und bei privaten Gebäuden“, macht Energiekommissar Canete Druck. Mitgliedsstaaten wie Österreich, Frankreich, Italien und Spanien seien hier vorangegangen und hätten Vorschriften erlassen.

Änderungen im Miet- und Wohneigentumsrecht überfällig

Deutschland hat indes Nachholbedarf – vor allem bei Wohnimmobilien. Wer mit einem Elektroauto eine private Tiefgarage mit Steckdose sucht, wird selten fündig. Von den rund neun Millionen Eigentumswohnungen in Deutschland, die über schätzungsweise vier Millionen Parkplätze verfügen, sind die allerwenigsten mit einer Ladestation ausgestattet. Der Grund: Nach geltendem Recht müssen alle Eigentümer zustimmen, wenn die Gemeinschaftsimmobilie nachgerüstet werden soll. Daran scheitern die Vorhaben meist. Hinzu kommen Engpässe im Stromnetz. Sollen gleich mehrere Stromanschlüsse für E-Autos in der Tiefgarage installiert werden, ist das Netz überfordert. Die Aufrüstung kostet Geld, die Verteilung der Kosten ist ungeregelt.

Zwar werden entsprechende Änderungen im Miet- und Wohneigentumsrecht schon lange diskutiert. Alle Parteien haben Pläne in ihren Wahlprogrammen. Passiert ist hingegen bislang nichts. Auch in Brüssel stehen Wohnimmobilien gerade nicht auf der Tagesordnung. Eine Gelegenheit, sich des Themas anzunehmen, könnte sich am kommenden Dienstag ergeben. Dann trifft sich die Bundeskanzlerin erneut mit den Kommunen, um über Maßnahmen zur Verbesserung der Luft in deutschen Großstädten zu reden.

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