Ausgang ungewiss: Was die Italien-Wahl mit Ihrem Geld zu tun hat
Die Frage, wer an diesem Sonntag in Italien siegt, ist auch für Anleger wichtig. Ihr Ausgang hat Einfluss auf die Kapitalmärkte.
An diesem Sonntag wählen gut 50 Millionen Italiener ein neues Parlament und damit eine neue Regierung. Nicht nur für die politische Lage in der EU könnte die Wahl weitreichende Folgen haben. Auch Anleger blicken mit Sorge nach Rom und Mailand, dem Sitz der größten Börse. Was passiert, wenn sich strikt eurokritische Parteien durchsetzen? Welchen wirtschaftlichen Folgen hätten unklare Mehrheitsverhältnisse oder hohe Stimmenanteile für extreme Lager?
DIE WIRTSCHAFT
Wirtschaftlich steht Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone nach Deutschland und Frankreich, weiter schwach da. Die Wirtschaftsleistung liegt aktuell immer noch fünf Prozent unter ihrem Höchststand kurz vor der Finanzkrise, während andere EU-Länder die Krise längst weggesteckt haben und weit vorangelaufen sind. Die Wettbewerbsfähigkeit ist auf dem Niveau von vor zwei Dekaden. Sorgen macht vielen Anlegern vor allem die hohe Verschuldung von 2,26 Billionen Euro, das sind 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP), womit nur Griechenland einen höheren Schuldenberg aufgehäuft hat.
Allerdings deuten die Indikatoren klar ins Positive: Die Wirtschaft ist 2017 um 1,5 Prozent gewachsen, in diesem Jahr sollen es 1,4 Prozent werden. Industrieproduktion und Auslastung haben zugelegt. Die weiter hohe Arbeitslosigkeit sinkt kontinuierlich, die Staatseinnahmen steigen. Auch ist die hohe Verschuldung auf den zweiten Blick nicht so dramatisch wie befürchtet: Das italienische Schatzamt, sagt Christian Kopf, Leiter des Rentenfondsmanagements bei Union Investment, der Fondsgesellschaft der genossenschaftlichen Finanzinstitute, habe die Gunst der Stunde genutzt, im Zinstief die Laufzeiten der Staatsschulden deutlich verlängert und damit die geringen Zinskosten auf Jahre hinaus eingeloggt.
„Der Fiskus spart damit Milliarden“, sagt Kopf. Auf die gesamten Schulden zahle er mittlerweile nur noch drei Prozent, das ist ein voller Prozentpunkt weniger als vor fünf Jahren. Zudem liegt inzwischen ein Drittel der Anleihen bei der italienischen Notenbank, die für die Europäische Zentralbank Staatspapiere aufkauft. Auf diese Weise landen Zinszahlungen des Staates über den Umweg Notenbank letztlich wieder beim Fiskus. „Die Schuldentragfähigkeit ist gesichert“, glaubt Fondsmanager Kopf.
DIE ANLEIHEN
Der Blick auf italienische Staatsanleihen belegt denn auch: Nervosität ist vor den Wahlen nicht erkennbar, denn dies würde die Renditen bei fallenden Kursen stark treiben. Zehnjährige Staatsanleihen etwa rentieren aktuell bei 2,08 Prozent. Damit sind die Sätze zwar gestiegen (im Dezember etwa waren es 1,64 Prozent), doch folgt Italien damit nur einem Trend in ganz Europa.
Unruhig macht viele Anleger nun allerdings, dass aktuell wenig für eine unkomplizierte Regierungsbildung beziehungsweise eine stabile Regierung spricht, die den aktuellen Wachstumskurs Italien konstruktiv begleiten kann. Denn es beharken sich drei politische Blöcke, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die je nach Umfrage in etwa zwischen 28 und 35 Prozent der Stimmen gewinnen könnten: Da ist zum einen – in Umfragen führend – die Mitte-Rechts-Allianz des 81-jährigen politischen Dauerkandidaten Silvio Berlusconi mit den rechten und EU-kritischen Parteien Lega und Fratelli d Italia.
Da ist zweitens die populistische Bewegung Cinque Stelle, die sich als Anti-Establishment-Partei sieht und neben EU- und eurokritischen vor allem teure Punkte im Programm hat, etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen. Cinque Stelle fordert zudem eine „Restrukturierung der Schulden“, sprich Schuldenschnitte. Dies würde auch Deutschland betreffen, denn Ausfälle in der Bilanz der Notenbank werden auf alle Euroländer aufgeteilt. Aktuell hält die EZB italienische Anleihen im Wert von etwa 100 Milliarden Euro. Und da ist drittens der Partito Democratico von Premier Paolo Gentiloni, einer SPD-ähnlichen und strikt proeuropäischen Partei links der Mitte. Schreckensszenario vieler Anleger ist die wirtschaftliche Stagnation, ausgelöst durch ein politisches Patt mit schwieriger bis unmöglicher Regierungsbildung, weiter verschobene Strukturreformen, eine Distanzierung von Euro und EU.
AKTIEN
An den Aktienmärkten sind die Wahlen bisher kein größeres Thema. Größter und wichtigster italienischer Aktienindex ist der FTSE MIB, der 80 Prozent der italienischen Marktkapitalisierung spiegelt und die 40 größten börsennotierten Unternehmen enthält. Mit 28 Prozent am höchsten gewichtet im Index sind die Banken, unter anderem mit den Unternehmen Intesa San Paolo, Unicredit und auch der angeschlagenen Monte dei Paschi. An zweiter Stelle stehen Energieunternehmen wie Eni oder Enel.
Auf Jahressicht hat der MIB nach dem griechischen und dem österreichischen Markt mit einem Plus von 20,5 Prozent die drittbeste Performance in Europa aufs Parkett gelegt. Zum Vergleich: der Dax, der überdies die Dividendenzahlungen mitrechnet und damit schon von Haus aus einige Prozent mehr Gewinne macht, hat in den vergangenen zwölf Monaten nur noch ein Plus von knapp sechs Prozent auf dem Konto.
Wer sich von kurzfristigen politischen Risiken nicht abschrecken lassen will, kann beispielsweise mit einem Exchange Traded Fund direkt auf den MIB setzen, ohne mit dem Kauf einzelner Aktien zu große Risiken einzugehen. Zwei solcher Spezialprodukte sind auf dem Markt, eines von db x-Trackers der Deutschen Bank und ein zweites von Shares aus dem Hause Blackrock.
Sollten die extremen und eher eurokritischen Kräfte schwächer abschneiden als erwartet, könnte im MIB auch eine Erleichterungsrallye anstehen, glauben nicht wenige Vermögensverwalter und Marktexperten. Dies hätte dann auch Auswirkungen auf den gesamten europäischen Markt: „Ein positives Ergebnis der Wahlen in Italien könnte als Katalysator für eine Outperformance europäischer Aktien wirken“, glaubt etwa Nick Peters, Fondsmanager beim britischen Fondsunternehmen Fidelity.
Zumal Marktprofis das Risiko eines Austritts Italiens aus der Euro-Zone derzeit nur bei fünf Prozent taxieren. Dennoch sollten Anleger „nicht allzu unbesorgt sein“, rät Volkswirt Willem Verhagen vom Vermögensverwalter NN Investment Partners. So bleibe der große Anteil notleidender Kredite ein Problem. Ein Ergebnis der Wahl könne eine instabile große Koalition und anhaltender Reformstillstand sein, glaubt er.