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Mischt wieder kräftig mit: Silvio Berlusconi.
© imago/Matteo Gribaudi

Italien vor der Wahl: Ein Gespenst geht um - es heißt Berlusconi

Berlusconi droht wieder an Einfluss zu gewinnen. Die neue Chaotik Italiens aber bedeutet: Seine gemäßigten Kräfte sind die einzige Hoffnung im Bündnis mit den Sozialdemokraten.

Eure Sorgen hätten wir gerne! Das sagen Italiener, wenn sich die Deutschen mit allerlei Groko-Bedenken plagen. Italien wählt an diesem Sonntag und wäre schon froh, wenn danach überhaupt noch eine ernstzunehmende Regierung in Rom möglich erschiene.

Das Land, das mit dem liebenden Blick von außen so überreich an Schönheit, Kultur und Lebensart ist, kennt im Inneren das Wort Krise sehr lange. Die Lage galt als hoffnungslos, aber nicht ernst. Doch in den vergangenen Jahren hat die Zerrüttung dramatisch zugenommen. Keiner der großen westlichen Staaten hat sich schleppender von den Desastern der Finanzmärkte erholt, hat seine immense Jugendarbeitslosigkeit derart erfolglos bekämpft, kein EU-Mitglied außer Griechenland ist so überschuldet wie Italien.

Sehr verkürzt gesagt: Stagnation und Rückschritt tragen den Namen Silvio Berlusconi. Die beiden Jahrzehnte seiner Herrschaft als Ministerpräsident, als Strippenzieher in den Kulissen oder als Medienmagnat waren Italiens bleierne Jahre. Reformen der Bürokratie, der Justiz, der Banken, des Arbeitsmarktes oder des Feudalsystems der politischen Klasse hat es nicht gegeben. Nur die medialen Leitbilder einer vulgären, jeder sozialen Verantwortung fernen Casino-Mentalität, die Berlusconis TV-Sender vorgeben.

Krachendes Scheitern

Und nun mischt er wieder mit. Dank einer Verurteilung wegen Steuerbetrugs darf Berlusconi bis 2019 zwar kein eigenes politisches Amt übernehmen. Doch mit seiner rechtsliberalen Partei Forza Italia wird er wohl die Zunge an der Waage sein: weil weder die vormals linke, mittlerweile nationalistische Bewegung der „5 Sterne“ noch die fremdenfeindliche rechte „Lega“ oder die bislang regierenden Sozialdemokraten voraussichtlich eine klare Mehrheit erringen werden.

Es hat schon etwas Irres. Trotz krachenden Scheiterns, Verurteilung und zahlloser Skandale im Zusammenhang mit Korruption, Mafia und Prostitution geht der Mailänder Milliardär im 82. Lebensjahr in Italien um als politisches Gespenst. Er verspricht einmal mehr unbezahlbare Löhne und Renten und möchte die Lira als „Parallelwährung“ wieder einführen.

Dieser Wahnsinn hat gewissermaßen Methode. Denn Luigi Di Maio, der junge Spitzenkandidat der in den Meinungsumfragen führenden 5 Sterne, hat bis vor Kurzem noch ebenso wie der rechte Lega-Führer und Putin-Verehrer Matteo Salvini Italiens Austritt aus der EU empfohlen. Aus jener Union, die es ohne die „Römischen Verträge“ kaum gäbe.

Aber das gehört zur neuen Chaotik Italiens. Das gastfreundliche, von der europäischen Idee einst durchdrungene Land hat sich verhärtet: durch Wirtschaftskrise, Misstrauen gegenüber dem traditionell ungeliebten Staat und das Gefühl, mit den an seinen Küsten anlandenden Migranten aus Afrika vom übrigen Europa allein gelassen zu werden. Vor allem Deutschland gilt da als reicher Geizkragen, und viele Italiener übersehen, was ihr nördlicher Nachbar zur Aufnahme von Flüchtlingen beigetragen hat.

Die gelinde Hoffnung zielt nun auch in Italien auf eine Art Groko. Falls die Sozialdemokraten des Ex-Hoffnungsträgers Matteo Renzi am 4. März nicht zu hoch verlieren und sich dann mit Berlusconis gemäßigten Kräften arrangieren, könnte der persönlich beliebte jetzige Ministerpräsident Paolo Gentiloni womöglich weiterregieren. Ein Partner, den Berlin in der europäischen Finanz- und Migrationspolitik entschiedener stützen sollte.

Peter von Becker

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