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Einen Generatorständer betrachtet Sandra Leißling, Mitarbeiterin der Factory Services, im Siemens-Generatorenwerk in Erfurt.
© dpa

Konjunkturausblick: Was 2017 auf die Wirtschaft zukommt

Deutschland steht gut da. Die Löhne steigen, wegen der niedrigen Zinsen sitzt das Geld locker. Doch wie geht es weiter? Ein Ausblick.

Man kann nicht alles erklären. Auch die Wissenschaft nicht. Die Konjunkturforscher des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hissen die Weiße Fahne, wenn sie Ursachen für die niedrige Arbeitslosigkeit hierzulande benennen sollen. Seit Jahren sei das „ein bislang nicht erklärter Zustand. Trotz des schwachen Wachstums entstehen viele neuen Arbeitsplätze.“

Nun ja, so schwach ist das Wachstum zumindest 2016 gar nicht gewesen; nach dem erstaunlich guten vierten Quartal wird die wirtschaftliche Leistung vermutlich um mindestens 1,8 Prozent steigen gegenüber 2015. Für 2017 sind Konjunkturforscher und Politik skeptischer, die Spannweite der Erwartungen liegt zwischen 1,2 und 1,5 Prozent. Aber bekanntlich ist nichts schwieriger als Voraussagen über die Zukunft. Zumal dann, wenn demnächst ein Immobilienunternehmer das Weiße Haus bewohnt.

Starker Konsum, niedrige Inflation

Das Wachstum in den vergangenen Jahren und 2016 verdankte sich hierzulande zu rund zwei Drittel dem privaten Konsum. Für die starke Binnennachfrage gibt es mehrere Gründe: Die Löhne steigen seit 2010 wieder kräftiger und die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2015 hat der Inlandsnachfrage auch gut getan.

Noch wichtiger war in den vergangenen Jahren aber die niedrige Inflationsrate; vor allem die abgestürzten Öl- und Benzinpreise wirkten für die deutsche Wirtschaft wie ein milliardenschweres Konjunkturprogramm. Schließlich forcieren Arbeitsmarkt und Zinsen den Konsum: Wer Arbeit und Einkommen hat und nicht um den eigenen Arbeitsplatz fürchtet, gibt gerne Geld aus. Zumal dann, wenn er für das Geld keine Zinsen bekommt, Sparen sich also nicht lohnt.

Das Konsumklima, das von den Konsumforschern der GfK ermittelt wird, bleibt gut. Aber wie lange noch? Von 2012 bis Mitte 2015 verbesserte sich die Konsumfreude der Verbraucher ständig, seitdem sprechen Statistiker von einer Seitwärtsbewegung. Weil „oben die Luft langsam dünn wird“, wie es bei der GfK heißt. Ein Grund dafür ist die wieder anziehende Inflationsrate, die zwar immer noch weit weg ist von der EZB-Zielrate von zwei Prozent, doch wegen des steigenden Ölpreises im kommenden Jahr vermutlich deutlich über einem Prozent liegen wird. Das Münchener Ifo Institut rechnet mit 1,5 Prozent, das wäre dreimal so hoch wie in diesem Jahr. 2018 dürfte sich die Preissteigerung dann weiter Richtung zwei Prozent bewegen. Hier und da wird bereits spekuliert, wann die EZB wohl 2018 die Zinswende einleitet.

Problematisch ist Investitiontätigkeit

Noch ist das weit weg, noch läuft die deutsche Wirtschaft rund. „Dieser Aufschwung ist ein echter Dauerläufer“, freut sich das Düsseldorfer IMK. Was den IMK-Wissenschaftlern aber seit langem Sorgen macht, ist die schwache Investitiontätigkeit hierzulande und in der EU insgesamt. Trotz der extrem expansiven Geldpolitik der EZB lag das Niveau der Gesamtinvestitionen in der EU (gemessen am Bruttosozialprodukt) 2015 um 13 Prozent unter dem Niveau von 2008, als die Wirtschafts- und Finanzkrise begann.

Das von DGB finanzierte IMK regt einen Investitionsoffensive „für den ökologischen Umbau der Wirtschaft“ und in die Bildung an. In Europa – und in Deutschlands sowieso. Auf das Problem weist auch das arbeitgebernahe IW hin: „Die Investitionspläne stehen weit im Schatten einer normalen Investitionstätigkeit.“ Offenbar würden die Firmen „nur das Nötigste investieren“, trotz der niedrigen Zinsen, der guten Kapazitätsauslastung „und der technologischen Herausforderungen infolge der Digitalisierung“.

Gerade für die Exportindustrien sei die geopolitische Lage schwierig: Die Folgen des Brexit, die Schwäche wichtiger Schwellenländer (etwa Brasilien) und die Unsicherheit über die Handelspolitik Donald Trumps förderten nicht gerade die Investitionsbereitschaft. Abwarten ist angesagt. Vor allem in Ostdeutschland, wo die Pläne für 2017 noch zurückhaltender sind als im Westen.

Unterschiede zwischen Osten und Westen

Da die Berliner Wirtschaft seit 2015 überdurchschnittlich wächst, „fiel das ostdeutsche Wachstum einschließlich Berlin zuletzt geringfügig höher aus als im Westen“, schreibt das IW. Das klingt gut, doch der wirtschaftliche Aufholprozess stagniert, für 2017 erwartet das Hallenser IWH im Osten wie im Westen eine Wachstumsrate von 1,3 Prozent. Die Arbeitslosenquote im Osten ist mit knapp acht Prozent gut 2,5 Prozent höher als im Westen, obwohl es in den neuen Bundesländern nach IWH-Angaben rund 200000 offene Stellen gibt. Das deutet hin auf eine Zementierung von Langzeitarbeitslosigkeit.

Gleichzeitig drückt der „anhaltende Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials“ auf die Entwicklung, die Demografie schlägt im Osten noch stärker durch als im Westen. Doch Berlin hilft ein wenig: Der Bevölkerungszuwachs in der Hauptstadt „sowie die dort verstärkte Ausweitung der Kreativwirtschaft“ werden nach Einschätzung des IWGH die Schwäche der ostdeutschen Länder in 2017 „weitgehend ausgleichen“. Apropos Berlin: In diesem Jahr dürfte die Leistung der Hauptstadtwirtschaft um rund drei Prozent wachsen, besser schneiden vermutlich nur Baden-Württemberg und Brandenburg ab.

Für 2017 werden derzeit 2,2 Prozent für möglich gehalten – das wäre auch noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt, wenngleich der Vorsprung kleiner wird.

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