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Die Deutsche Bank hat angekündigt, 18000 Stellen zu streichen.
© REUTERS

Probleme bei der Deutschen Bank: Warum Unternehmen gerade massenhaft Stellen streichen

Jahrelang sank die Arbeitslosigkeit. Jetzt verkünden große Konzerne wie die Deutsche Bank, tausende Stellen zu streichen. Besteht Grund zur Sorge?

Mach was Solides, geh zur Bank! Den Ratschlag werden heute nicht mehr so viele Eltern ihren Kindern geben. In kaum einer anderen Branche wurden in den vergangenen Jahren so viele Stellen gestrichen – und es werden noch mehr.

Deutschland gilt schon seit Längerem als „overbanked“. Soll heißen: Gemessen an der Zahl der Kunden gibt es viel zu viele Banken und Filialen. Entsprechend groß ist der Konkurrenzdruck. Hinzu kommen die Regulierung, die seit der Finanzkrise sehr viel strenger geworden ist, und die niedrigen Zinsen. Vielen Instituten fällt es inzwischen schwer, mit dem Bankgeschäft überhaupt noch Geld zu verdienen. Vorstände denken deshalb darüber nach, wo man sparen kann. Das trifft zum Beispiel die Deutsche Bank, die bereits in der Vergangenheit geschrumpft ist. Nun aber soll sie 18000 Jobs abbauen. Ein Fünftel der Belegschaft wäre betroffen.

Angestellten stehen harte Zeiten bevor. Aktuell sind 565 000 Menschen im deutschen Banksektor beschäftigt. Doch auch kleinere Banken müssen die Zahl ihrer Mitarbeiter reduzieren – meistens parallel zu Filialschließungen. Kunden kommen seltener vorbei, weil sie online Geld überweisen und irgendwo in der Stadt am Automaten abheben. Viele Banken gehen schon jetzt dazu über, Kunden aus diesem Grund vestärkt per Videochat oder Telefon zu beraten. Technologiefirmen setzen die traditionellen Institute zusätzlich unter Druck. Sie locken mit digitalen Diensten, modernen Apps und können ihre Leistungen ohne die hohen Kosten von Filialen günstiger anbieten. Und schließlich sind da noch Kryptowährungen. Bald will Mark Zuckerberg sogar eine einführen. Mit „Libra“ könnte er den weltweiten Zahlungsverkehr revolutionieren, sagt der Facebook-Chef.

Müssen sich die Menschen Sorgen machen?

Nicht nur die Deutsche Bank tut es. Auch Siemens, Thyssen-Krupp und Volkswagen, Bayer und Ford. All diese Unternehmen mit großem Namen, mit enormer Bedeutung für die deutsche Wirtschaft kündigten in den letzten Wochen an, Tausende von Stellen zu streichen. Müssen sich die Menschen wieder auf finstere Zeiten, auf Massenarbeitslosigkeit einstellen? Besteht Grund zur Sorge?

Detlef Scheele, der die Bundesagentur für Arbeit (BA) leitet, winkt die Fragen nach einer Krise ab. Als er Anfang der Woche die aktuelle Statistik seiner Behörde präsentiert, spricht er unaufgeregt von einer „ganz normalen konjunkturellen Phase“ und „leichten Spuren auf dem Arbeitsmarkt“. Andere Experten finden die Unternehmensnachrichten zwar auch nicht bedrohlich für das ganze Land. Warnzeichen sehen sie aber durchaus.

„Seit 2013 ist die Arbeitslosigkeit stetig gesunken. Daran haben sich die Menschen gewöhnt“, sagt Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft. „Jetzt schwächeln einzelne Branchen. Vielleicht deutet sich sogar eine Wende an.“ Ursachen dafür gibt es einige. Banken hadern unter anderem damit, dass vieles online erledigt wird. Sein Sparbuch, das Überweisungsformular am Schalter abgeben? Das war einmal. Autokonzerne müssen den Umstieg vom Verbrennungs- zum Elektromotor stemmen. Exportgetriebene Betriebe leiden unter Handelskonflikten und dem Wie-auch-immer-Brexit. Die deutsche Wirtschaft soll in diesem Jahr auch deswegen nur halb so stark wachsen wie 2018.

Einerseits ist es so: Die Zahl der Arbeitslosen ist auch im letzten Monat etwas gesunken. Über das Jahr verteilt verlieren Millionen Deutsche ihren Job, während Millionen einen Neuen finden. Die Welt verändert sich eben und mit ihr Branchen, Firmen, Aufgaben. So suchen auch Unternehmen wie Siemens und VW neue Beschäftigte. Nur sollen die eher Daten analysieren als Gabelstapler fahren. Wahr ist aber auch, dass sich die Stellenreduzierungen der großen Firmen in den Zahlen noch nicht widerspiegeln – und dass die Nachfrage nach Mitarbeitern trotz des Fachkräftemangels generell sinkt. „Seit Jahresbeginn haben Arbeitgeber rund 70 000 Stellen weniger geschaffen als im Vorjahr“, sagt Schäfer. Das ist der erste Rückgang überhaupt seit 2013.

Passungsprobleme könnten größer werden

Die Arbeitsagenturen reagieren unterschiedlich auf die Probleme der Unternehmen. Mitarbeiter im Arbeitgeberservice beraten, schlagen Förderungen vor, nennen wenn nötig Alternativen zur Kündigung – wie etwa die Kurzarbeit, nach der gerade zunehmend gefragt wird. In dramatischen Fällen wie der Air-Berlin-Pleite gehen Teams auch in die Betriebe hinein und kümmern sich dort um die Noch-Angestellten. „Niemand hat ein Interesse daran, dass der BA in einigen Jahren Menschen vor die Türe gespült werden, die durch Digitalisierung und Strukturwandel ihre Jobs verloren haben“, sagt eine Sprecherin.

In unruhigen Phasen bauen Betriebe zuerst Helfertätigkeiten ab. Deswegen leben vor allem jene riskant, die sich nach der Schule kaum oder gar nicht qualifiziert haben, wenig verdienen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zeitarbeit gerade schrumpft. Diese war laut Scheele immer eine gute Möglichkeit für Menschen, „die es nicht so einfach haben und die vielleicht keine Ausbildung haben.“ Das gilt auch für Hartz-IV-Empfänger.

Leidtragende sind außerdem Ältere. Aufgewachsen in analogen Zeiten, haben sie zum Teil nicht mehr die Expertise, die besonders wichtig ist. „Große Firmen schicken Beschäftigte gerne in den Vorruhestand, angefangen oft schon bei 57 Jahren“, kritisiert Johannes Jakob vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Für die, die noch zehn Jahre arbeiten könnten, ist es hart, einen anderen Job zu finden - und wenn, dann nicht mehr auf dem Niveau von einst. Jakob schlägt deshalb vor, die Wiedereingliederung finanziell zu unterstützen. Ein Unternehmen, das kündigt, könnte Lohnkostenzuschüsse zahlen, wenn jemand im neuen Job weniger verdient.

Schon jetzt gibt es Passungsprobleme auf dem Arbeitsmarkt. Etliche Menschen finden keinen Job. Firmen kriegen nicht die Mitarbeiter, die sie brauchen. In Kombination mit neuen Technologien, neuen Geschäftsmodellen kann das zu einem noch extremeren Dilemma werden. Jobs wird es weiter geben, ja, aber andere. Für die ein anderes Wissen, ein anderes Können nötig ist. Deswegen soll sich die Arbeitsagentur stärker um die Weiterbildung von Beschäftigten kümmern. Tatsächlich fragen Mitarbeiter und Unternehmen vermehrt danach. Eine genaue Analyse gibt es aber noch nicht.

Wer längere Weiterbildungen scheut: nicht allzu große Unternehmen mit vollem Auftragsbuch. Den Mitarbeiter entbehren? Geht nicht. Johannes Jakob hat angesichts der immer besser ersichtlichen Veränderungen dafür wenig Verständnis: „Bei denen“, sagt er, „ist der Leidensdruck wohl noch nicht groß genug.“

Probleme in Auto- und Chemiebranche

Der Unterbau eines Volkswagen wird im VW Werk von Schweißrobotern bearbeitet.
Der Unterbau eines Volkswagen wird im VW Werk von Schweißrobotern bearbeitet.
© dpa

Rund 2000 Metaller aus Bamberg waren vor neun Tagen am Brandenburger Tor dabei, als die IG Metall mit insgesamt 50 000 Industriebeschäftigten aus dem ganzen Land für eine „faire Transformation“ demonstrierte. Die Bamberger arbeiten bei Bosch in einer riesigen Fabrik mit 7500 Beschäftigten. Bamberg ist spezialisiert auf Einspritzsysteme für Benzin- und Dieselmotoren. Was aber machen die Bamberger Metaller in zehn Jahren, wenn vor allem Elektroautos gebaut werden?

In der deutschen Automobilindustrie verdienen etwa 850 000 Personen ihren Lebensunterhalt. Rechnet man Vorleistungen aus anderen Branchen hinzu sowie angrenzende Bereiche wie Werkstätten, dann sind es rund 1,6 Millionen Arbeitsplätze. Wegen Digitalisierung und autonomem Fahren, aber vor allem wegen der Mobilitätswende hin zum Stromauto befürchtet die IG Metall in den kommenden Monaten Einschläge – vor allen bei Zulieferern. Denn die Hersteller selbst, also VW und Audi, BMW, Mercedes und Porsche, wollen die Beschäftigung auch dadurch einigermaßen stabil halten, dass sie Vorleistungen insourcen. Das geht dann aber auch wieder zulasten der Zulieferer.

Bosch und Continental sind die größten Lieferanten der Autoindustrie weltweit, aber auch die 1920 in Stuttgart gegründete Mahle ist mit knapp 80 000 Mitarbeitern vorne mit dabei. Mahle hat gerade angekündigt, in Öhringen bei Heilbronn ein Werk für Autofilter mit 240 Mitarbeitern zu schließen. Vom Betriebsrat erarbeitete Zukunftskonzepte, wie etwa zur Umstellung der Produktion auf Teile für Elektroautos, kamen anscheinend nicht zum Tragen.

IG Metall will ein Transformationskurzarbeitergeld

Das wird hoffentlich in Berlin-Marienfelde anders laufen. Mercedes baut hier Verbrennungsmotoren, fast 3000 Arbeitsplätze hängen direkt am Werk. Zuzüglich Lieferanten aus der Region sind es mindestens 5000. Konzernführung und Betriebsräte haben bei Daimler zwar einen Zukunftspakt geschlossen, der betriebsbedingte Kündigungen bis 2030 ausschließt. Doch was passiert, wenn der Standort komplett geschlossen wird und den Arbeitnehmern Jobs in anderen Mercedes-Fabriken angeboten werden? So schlimm wird es nicht kommen, aber Marienfelde wird von einem Motoren- zu einem Komponentenwerk umgebaut. Und da hier die Produktionskosten geringer sind als im Hochlohnland Baden-Württemberg, dürfte das Werk auch die elektromobile Zeit überleben.

Die Transformation schüttelt vor allem die Autoindustrie durch, weshalb die IG Metall mit einem Transformationskurzarbeitergeld die Umschulung und Weiterbildung der Metaller erleichtern will. Im Maschinenbau, der hierzulande gut eine Million Arbeitsplätze zählt, belasten vor allem der Handelskrieger im Weißen Haus und die Unsicherheit um den Brexit die Geschäfte. Gut drei Viertel der aus deutscher Produktion stammenden Maschinen und Anlagen gehen in den Export. Um fast zehn Prozent sind die Aufträge in den ersten Jahresmonaten gesunken, der Verband erwartet inzwischen einen Rückgang der Produktion um zwei Prozent im Gesamtjahr. Die Auftragsbücher sind noch voll, der aktuelle Bestand reicht bis Anfang 2020. Doch was kommt dann?

Chemiebranche leidet unter Handelskrieg

Alles nicht so schlimm – meint derweil die Gewerkschaft IG BCE. Nach sieben Rekordjahren in Folge gebe es nun einen „leichten Abschwung“, und eine Umfrage bei Betriebsräten sei auch positiv ausgefallen: Rund zwei Drittel der Betriebe sind demnach gut ausgelastet. Bei den Arbeitgebern klingt das ganz anders.

Gerade erst hat der Branchenverband die Prognose für 2019 korrigiert. Die Produktion schrumpft nun voraussichtlich um vier Prozent und der Umsatz um drei Prozent. Die Stagnation des weltweiten Autoabsatzes macht der Branche zu schaffen, denn die Autoindustrie ist eine der wichtigsten Kundengruppen. Dazu leidet die stark exportorientierte Branche unter dem Handelskrieg zwischen den USA und China, den Spannungen im Nahen Osten und der Brexit-Hängepartie. Weltmarktführer BASF streicht 200 Stellen in einer westfälischen Autolackefabrik. Das ist relativ wenig im Vergleich zum globalen Abbau: Bis Ende 2021 sollen 6000 von 122 000 Stellen wegfallen, ungefähr die Hälfte in Deutschland.

Besonders betroffen sind Verwaltungsjobs am Stammsitz Ludwigshafen, wo BASF knapp 40 000 Personen beschäftigt. Betriebsbedingte Kündigungen wird es wohl nicht geben. Dieser Stellenabbau ist die Ausnahme in einer Branche, die in den vergangenen Jahren Speck ansetzen konnte. Auch deshalb geht die IG BCE mit einer robusten Forderung in die Tarifrunde im Herbst: Neben den üblichen Lohnprozenten soll es eine tarifliche Pflegezusatzversicherung geben und 1000 Euro pro Jahr und Kopf auf ein „persönliches Zukunftskonto“.

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