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Lehrer Lämpel wusste Bescheid: „Also lautet ein Beschluss, dass der Mensch was lernen muss... Lernen kann man – Gott sei Dank – aber auch sein Leben lang“, ließ Wilhelm Busch den von Max und Moritz drangsalierten Erzieher sagen.
© picture alliance / Waltraud Grub

Strategie der Regierung: Weiterbildung soll zur Normalität werden

Die Welt wird digital - alle müssen sich weiterbilden, um in Zukunft mitzuhalten. Was die Bundesregierung dazu plant.

Ganz gleich, ob jemand vor dem Fließband steht oder am Schreibtisch sitzt – sein Job wird sich in den kommenden Jahren wahrscheinlich enorm verändern. Manche Arbeitsplätze werden für immer verschwinden. Es kommen Neue hinzu, die noch keiner erahnt. So viel ist inzwischen klar. Auch, dass sich sehr viele Beschäftigte weiterbilden müssen. Was die Menschen aber demnächst Tag für Tag so tun, was sie dafür lernen müssen – das weiß niemand so genau.

Die Nationale Weiterbildungsstrategie, die unter anderem Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch vorgestellt hat, gibt darauf ebenfalls keine Antwort. Worauf sich die Regierung trotzdem geeinigt hat, sind zehn Handlungsziele. Als „ganz konkrete Maßnahme“ nannte Heil einen „Anspruch auf Nachholen eines Berufsabschlusses“. Rund zwei Millionen Menschen zwischen 20 und 34Jahren würden derzeit keinen haben – und je weniger qualifiziert jemand ist, desto weniger Chancen hat er in Zukunft. Ein entsprechendes Gesetz will Heil noch in diesem Jahr in die Wege leiten.

Außerdem möchte die Regierung das sogenannte Aufstiegs-Bafög erweitern. Damit fördert der Staat die Vorbereitung auf mehr als 700 Fortbildungsabschlüsse wie Meister, Fachwirt, Technikerin oder Betriebswirtin. Die Bundesmittel sollen dafür in dieser Legislaturperiode um 350Millionen Euro aufgestockt werden. Es soll demnächst Weiterbildungsverbünde geben, in denen große und kleine Unternehmen miteinander kooperieren. Berufs-, Fachhochschulen und Universitäten sollen ebenfalls zu Weiterbildungsanbietern entwickelt werden.

Eine weitere Idee sind Mentoren in Betrieben ohne große Personalabteilung, die bei Fortbildungsfragen unterstützen sollen. Und: Viele Arbeitnehmer verfügten über Fähigkeiten, die sie ohne formalen Abschluss erworben haben. Nun sollen Verfahren entwickelt werden, auch solche Kompetenzen zu zertifizieren.

„Wir wollen in Deutschland eine echte Weiterbildungskultur entwickeln“, sagte Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. Dass sich jemand neues Wissen aneignet, gehöre in Zukunft zum Arbeitsalltag, sagt die Ministerin. Wichtig sei, die Beschäftigten dabei nicht zu überfordern. Sie sollten vielmehr motiviert sein, sich fortzubilden, Spaß daran haben. Zu diesem Zweck ist eine digitale Plattform geplant, auf der die unzähligen Weiterbildungsangebote gebündelt werden. Die Menschen könnten sich dort über Möglichkeiten informieren und leichter einen Antrag stellen.

Anstrengungen der Firmen reichen nicht

Die Nationale Weiterbildungsstrategie wurde von Bund, Ländern, Wirtschaft, Gewerkschaften und der Bundesagentur für Arbeit (BA) beschlossen. Bisher sei es Konsens gewesen, sagte Karliczek, dass Weiterbildung im Wesentlichen ein Thema der Unternehmen ist. Nun drängt der Wandel anscheinend so sehr, dass dies nicht mehr ausreicht. Zwar investieren die Unternehmen bereits Jahr für Jahr Milliarden in ihre Angestellten. Je kleiner der Betrieb ist, desto öfter wird die Weiterbildung aber verwehrt. Entweder weil es an Geld mangelt – oder an Zeit. Sind die Auftragsbücher voll, fehlt es sowieso schon an genügend Mitarbeitern, kann jemand vielleicht für zwei, drei Tage fehlen. Mehr aber nicht.

Zumindest das finanzielle Problem ist seit Anfang des Jahres geschrumpft. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto mehr Kosten übernimmt die Arbeitsagentur. Grund ist das Qualifizierungschancengesetz von Hubertus Heil. Die Weiterbildung muss allerdings dazu dienen, Beschäftigte für die sich wandelnde Arbeitswelt fit zu machen. Der Kurs muss mindestens vier Wochen dauern und außerhalb des Betriebs stattfinden. Im Haushalt der Behörde sind dafür Mehrausgaben von bis zu 6,2 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt.

Hubertus Heil (SPD), Bundesarbeitsminister, und Anja Karliczek (CDU), Bundesbildungsministerin, verabschieden sich am Ende der Pressekonferenz.
Hubertus Heil (SPD), Bundesarbeitsminister, und Anja Karliczek (CDU), Bundesbildungsministerin, verabschieden sich am Ende der Pressekonferenz.
© dpa

Wegen der erweiterten Betreuung kündigte BA-Chef Detlef Scheele am Mittwoch an, 950 zusätzliche Berater einzustellen, die in Zukunft auch mehr in die Schulen gehen werden. Die Arbeitsagentur betreibt zudem Deutschlands größte Onlineplattform für Weiterbildungen mit mehr als 4,5 Millionen Bildungsangeboten. Perspektivisch soll diese in das Internetportal der Behörde integriert werden, um für jeden leichter zu finden zu sein – samt Bewertung der jeweiligen Anbieter. Verliert jemand seinen Job, erhält er von seinem Berater künftig innerhalb von drei Monaten ein Qualifizierungsangebot.

Kritik der Grünen: Digitalisierung verschlafen!

Keinen Konsens gibt es zwischen Union und SPD beim sogenannten Transformationskurzarbeitergeld, wie es etwa die IG Metall vorschlägt. Bei Unternehmen im Umbau sollen damit Entlassungen verhindert werden. Stattdessen könnten die Betroffenen in einer Phase der Kurzarbeit weiterqualifiziert werden. Heil kündigte eine „gesetzgeberische Initiative“ für den Herbst an. Er räumte aber direkt ein, dass es noch Diskussionsbedarf innerhalb der Koalition dazu gebe. Auch staatlich geförderte Bildungszeiten würden vorerst nur „geprüft“.

Kritik an der Nationalen Weiterbildungsstrategie kam unter anderem von den Grünen. Die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt fand, die Regierung „dreht hier nur das kleine Rad“. Die öffentlichen Ausgaben für Weiterbildung stagnierten seit 20 Jahren. Die schwarz-rote Koalition habe die Digitalisierung der Arbeit komplett verschlafen. Sie forderte unter anderem ein Recht auf Weiterbildung.

Bis wann genau die Maßnahmen umgesetzt werden sollen, bleibt offen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird die Strategie aber überprüfen. 2021 soll ein erstes Fazit gezogen werden.

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