Auch ein Partyverleih erhielt Auftrag: Warum auch Scheuer ein Problem durch die Masken-Beschaffung droht
Bei der Maskenbeschaffung streiten Firmen und Ministerien um Aufträge in Milliardenhöhe. Bei manchen Verträgen scheinen Politiker hilfreich gewesen zu sein.
Eine Autowerkstatt aus Berlin. Roche. Der Sohn von Helmut Kohl. Die 3M Deutschland GmbH. Ein Werkzeugladen in Hamburg. Rheinmetall. Eine Rathausapotheke. Die Volkswagen AG. Es ist ein bunter Haufen auf der Liste, die Tagesspiegel Background zugespielt wurde.
Aufgeführt sind Unternehmen von Weltrang, aber auch Einzelpersonen und teils offenbar spontan gegründete Firmen, die direkt oder indirekt mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) Verträge eingegangen sind zur Lieferung von Persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) und Beatmungsgeräten.
Über 200 Unternehmen stehen auf der Liste, viele versehen mit Vermerken, die signalisieren, dass auf juristischem Wege noch was an den Verträgen zu machen ist, von denen das BMG offenbar viel zu viele eingegangen ist.
Das Problem ist lange bekannt, bislang stand dabei vor allem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als Ressortverantwortlicher im Mittelpunkt. Nun zeigen Recherchen von Tagesspiegel Background, dass auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei der Maskenbeschaffung des BMG eine Rolle spielte, bei der Vermittlung mindestens eines Vertrags. Geschlossen wurde dieser mit einem Party- und Möbelverleih aus der Nähe von München, der im April einen Rahmenvertrag über die Lieferung von einer halben Milliarde Masken bekam.
700 Verträge im Wert von 6,4 Milliarden Euro
Die zu Beginn der Coronakrise angelaufene Maskenbeschaffung des BMG bestand aus mehreren Zweigen, über die laut Ministerium bislang 1,1 Milliarden Masken gekauft wurden. Besonderes Aufsehen erregte dabei bislang das sogenannte Open-House-Verfahren, das Anfang April eine Heerschar von Vertragspartnern an- und Verträge nach sich zog, derer das BMG seitdem nicht mehr Herr wird.
Denn bei der Open-House-Konstruktion bekam jeder, der ein Angebot gemäß der Ausschreibung machte, einen Vertrag. Da das BMG im März sehr viel Geld pro Schutzmaske bot, entstanden auf diese Weise mit mehr als 300 Händlern um die 700 Verträge, im Wert von 6,4 Milliarden Euro.
Kurz nachdem klar wurde, dass das Open-House-Verfahren nicht zu managen ist, holte Jens Spahn ohne Ausschreibung die Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) zur Hilfe, die seitdem vor allem damit beschäftigt ist, auf juristischem Wege Vertragsverpflichtungen des BMG aus dem Open-House-Verfahren wegzuräumen, um damit die ausstehende Summe zu reduzieren.
EY war nicht der einzige Partner, den das BMG im März auf dem kurzen Dienstweg engagierte. Dazu gehörte auch der Logistikdienstleister Fiege. Das Unternehmen hat seinen Sitz im Münsterland und damit im CDU-Bezirksverband, in dem Jens Spahn im Vorstand sitzt. Der Fiege-Auftrag umfasst laut BMG einen „dreistelligen Millionenbetrag“.
Scheuers Ärger mit EY
Ende April standen Andreas Scheuer und Jens Spahn gemeinsam in einer Fragerunde dem Bundestag Rede und Antwort zur Maskenbeschaffung. Beide Politiker vermittelten damals den Eindruck, auf allen Wegen nach Schutzausrüstungen und Masken zu suchen, um so der Ausbreitung der SARS-CoV-2-Pandemie etwas entgegen zu setzen.
Vor allem für Scheuer ging es in dieser Zeit um viel, schließlich steht er bis heute in der Maut-Affäre erheblich unter Druck – auch bei dieser geht es, wenn auch nur in einem Nebenstrang, um eine EY-Beauftragung.
Dass Scheuer und Spahn tatsächlich alle Hebel in Bewegung setzten, um Schutzausrüstungen heranzuschaffen, das bestätigt die interne Liste aus dem BMG: Denn anders als durch hektische Aktivierung sämtlicher Kontakte ist das dort zu sehende Spektrum der Vertragspartner kaum zu erklären.
Laufende Verfahren gegen das BMG
Zum Beispiel die Kohl Consult AG, das Beratungsunternehmen des KanzlerSohns Walter Kohl. Auf Anfrage erklärt Kohl, dass er sich „zu einem laufenden Verfahren nicht äußern“ wolle. Hinter der Kohl Consulting findet sich auf der Liste ein Sternchen, die Bedeutung wird am Ende des Dokuments aufgeführt: „Bereits abgeschlossene Verträge, potenzielle Nachbesserung von mangelhafter Ware oder Interaktion über Rechtsberatung“.
Mehr als 120 Unternehmen auf der Liste sind entsprechend gekennzeichnet. Viele von ihnen dürften zu den Händlern gehören, die gerade vor dem Landgericht Bonn gegen das BMG prozessieren, über 60 Verfahren werden dort in der Open-House-Angelegenheit geführt. Vergangene Woche trafen sich rund ein Dutzend involvierter Anwälte in einem Edelrestaurant am Brandenburger Tor, um sich gegenseitig mit Informationen für eine optimale Prozessführung gegen das BMG zu versorgen.
Zwischen global Playern und Mittelständlern
Auf der Liste gibt es etwas mehr als 20 Unternehmen, die nicht mit einem, sondern mit zwei Sternen gekennzeichnet sind. Diese markieren laut Legende „indirekte Vertragsbeziehungen über geschlossene Rahmenverträge“, bei denen eine „potenzielle Kontaktaufnahme bei Mängelrügen“ empfohlen wird. Geht man die einzelnen Firmen durch, gibt es ein paar Auffälligkeiten.
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Die meisten der 24 aufgeführten „Rahmenverträge“, etwa zwei Drittel, wurden mit internationalen, meist chinesischen Firmen geschlossen: Hier ging es ganz offenbar darum, vor Ort mit großen Playern möglichst schnell an Schutzausrüstungen zu kommen. Aber es gibt auch eine Handvoll deutsche Unternehmen. Allein: Bei ihnen handelt es sich nicht um globale Player, sondern um deutsche Mittelständler. In der Hälfte der Fälle um bayerische Mittelständler.
Viele Verbindungen in die Politik
Aufgeführt ist zum Beispiel ein Sanitätshaus aus Raubling bei Rosenheim. Ein Deko-Anbieter aus Aschaffenburg. Eine auf China-Geschäfte spezialisierte GmbH aus München. Zu den Firmen, die ihren Sitz nicht in Bayern haben, gehört die Kloepfel Services GmbH, in der der kürzlich verstorbene ehemalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) dem Beirat vorsaß, zu dem auch der österreichische Medienmanager Helmut Thoma gehört.
Die andere, die Issacana GmbH aus Oelde, bot dem Land NRW bereits im März Unterstützung bei der Maskenbeschaffung an – und ging dafür über den CDU-Landtagsabgeordneten Daniel Hagemeier, der den Kontakt zum Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann vermittelte, der in engem Austausch mit Jens Spahn steht.
Doch was hat es mit den Rahmenverträgen genau auf sich? Tagesspiegel Background liegt eine Kopie eines Abschlusses vor: Unterschrieben ist er von der Fiege International Beteiligungs GmbH, also einer Tochter des vom BMG beauftragten Logistik-Unternehmens. Der Rahmenvertrag hat ein großes Volumen: 200 Millionen FFP-2-Masken werden aufgeführt und 300 Millionen OP-Masken. Die Stückpreise sind in der Kopie geschwärzt.
Einige Antworten führen zu Scheuer
Sollten hier aber die gleichen Preise aufgeführt worden sein wie beim Open-House-Verfahren, das zur gleichen Zeit startete, hätte der Vertrag einen Umfang von mehr als einer Milliarde Euro. Hätten die 24 in der BMG-Auflistung markierten Rahmenverträge ein ähnliches Volumen, stellen sich viele Fragen – und einige Antworten führen zum Verkehrsministerium, genauer gesagt zu Andreas Scheuer.
Denn dieser spielte beim Zustandekommen des vorliegenden Rahmenvertrags mit Fiege offenbar eine nicht unwesentliche Rolle. Er vermittelte den Kontakt zum Rahmenvertragspartner, einem Unterföhringer Möbel- und Partyverleih.
Die „Mr Rent Service GmbH“ aus der Nachbargemeinde Münchens ist ein Mittelständler, der sich laut Handelsregister auf die Vermietung von Event-Equipment, die Vermittlung von Hotelzimmern und Eingliederung von ausländischen Pflegekräften spezialisiert hat. Am 22. April dieses Jahres, kurz nach der Unterschrift unter dem Rahmenvertrag, wurde der Zweck des Unternehmens im Handelsregister geändert. Hinzu kam nun der „Import, Handel und Vertrieb von persönlicher bzw. medizinischer Schutzausrüstung“.
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Alleiniger Geschäftsführer von Mr Rent ist Philipp Hoese, der auch die Agentour25 betreibt – einen Limousinenservice. Als Partner von Fiege tauchen im Rahmenvertrag beide Unternehmen auf: Hoese für die Agentour25 sowie ein Mann mit einer mrrent.com-Mailadresse werden als Kontaktpersonen aufgeführt. Wie auch bei anderen bayrischen Kleinunternehmen drängt sich die Frage auf, warum ausgerechnet sie, neben einem Dutzend internationalen und auf China-Exporte spezialisierten Unternehmen, offenbar an sehr umfassende Rahmenverträge kamen.
"Kein Versuche, Entscheidungen zu beeinflussen"
Bei Fiege erklärt ein Sprecher auf Anfrage, dass man mit Mr Rent einen Rahmenvertrag geschlossen habe, liege in dessen Erfahrung begründet. „Das Unternehmen war bereits von der Bundeswehr zur Lieferung von PSA beauftragt worden. Ein entsprechendes Bestätigungsschreiben der Bundeswehr liegt Fiege vor.“
Der Fiege-Sprecher betont, dass es „in der Hochphase der Pandemie zahlreiche aktive Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker (fraktionsübergreifend) und ehemalige Politiker“ gegeben habe, „die über ihr Netzwerk helfen wollten, um die zu der Zeit dringend benötigten Schutzmasken zu besorgen“. Und ja, „im Fall von Mr Rent wurde der Kontakt zu dem Unternehmen von Herrn Minister Scheuer weitergeleitet“.
Gleichzeitig wolle man aber klarstellen, „dass es zu keinem Zeitpunkt, von einem Politiker oder einer Regierung, den Versuch gab, Entscheidungen und Vertragsdetails zu beeinflussen“. Der Rahmenvertrag mit Mr Rent sei, wie alle anderen auch, „eng mit dem BMG abgestimmt“ worden.
Auf jeden Fall gehört Mr Rent nicht zu jenen Maskenlieferanten der Bundesregierung, die noch auf ihr Geld warten. „Als verantwortungsvolles Unternehmen haben wir durch enge Abstimmung mit dem BMG und entsprechende prozessseitige Gestaltung stets dafür Sorge getragen, dass wir unseren etwaigen Zahlungspflichten vereinbarungsgemäß nachkommen können“, erklärt Fiege. Alle Rechnungen an Mr Rent seien beglichen.
Vier Mal ein "Nein" als Antwort
Eine Anfrage dazu, ob und wenn ja, in welcher persönlichen oder professionellen Beziehung er zu Andreas Scheuer stehe – blieb beim Mr-Rent-Chef Hoese unbeantwortet. Das Verkehrsministerium bat nach Nachfrage um Fristverlängerung, um dann auf vier Fragen mit vier Mal „Nein“ zu antworten.
Minister Scheuer habe weder Jens Spahn, Fiege oder irgendjemand anderen eine Zusammenarbeit mit Mr Rent empfohlen, genauso wenig gebe es professionelle oder private Kontakte zu Mr Rent, so das Ministerium. Beim BMG konnte eine Anfrage zu den Vorgängen und der Rolle des Verkehrsministers nicht beantwortet werden.