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Grünen-Chef Cem Özdemir würde gern ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr zulassen.
© Lino Mirgeler/dpa

Die Grünen und das Auto: Vom Zauber der Mobilität

Grünen-Chef Cem Özdemir erklärt BMW, wie die Grünen mit dem Auto in die Zukunft fahren. Ohne Feindbilder zu pflegen.

Cem Özdemir zitiert Nietzsche: "Wer davon lebt, einen Feind zu bekämpfen, der hat ein Interesse daran, dass er am Leben bleibt." Der Grünen-Chef ist am Montagabend Gastredner bei BMW. Der bayerische Autohersteller hat zu seiner Berliner Jahreskonferenz in den Römischen Hof in der Charlottenstraße geladen. "Quo Vadis Automobil?", lautet die Frage des Abends.

Die Pflege alter Feindbilder, so viel macht Grünen-Chef Özdemir schnell klar, helfe bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage nach der Zukunft der deutschen Autoindustrie nicht weiter. Obwohl man bei den Bösen durchaus noch fündig werde, Stichwort VW-Dieselskandal. "Die schaden ,made in germany', sagt Özdemir, "worauf wir alle gemeinsam stolz sind". Ja, stolz auf die gute deutsche Wertarbeit sei er schon als kleiner Junge gewesen, erinnert sich der Grünen-Politiker, als der Vater die Familie drei Tage lang mit dem Opel in die Türkei kutschiert habe. "Einen BMW konnten wir uns nicht leisten."

"Ohne Politik wird nichts passieren"

Wenn ein Grüner vom "Zauber der Mobilität" spricht, dann hat darin heute auch das Auto Platz - ein elektrisches, nachhaltiges, sauberes Auto. Der grüne Ministerpräsident des Autolandes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, demonstriert es allenthalben, zuletzt beim Autogipfel des "Handelsblatts" in München. Und wenn Daimler-Chef Dieter Zetsche vom Auto spricht, wie neulich beim Bundesparteitag der Grünen, zu dem ihn Özdemir eingeladen hat, dann klingt das alles sehr ähnlich. Auch Matthias Wissmann, Präsident des Autoverbandes VDA, sitze ständig irgendwo mit einem Grünen auf dem Podium, heißt es beim Verband.

Die Grünen und die Autoindustrie: Daimler-Chef Dieter Zetsche sprach im November beim Grünen-Parteitag in Münster.
Die Grünen und die Autoindustrie: Daimler-Chef Dieter Zetsche sprach im November beim Grünen-Parteitag in Münster.
© Bernd Thissen/dpa

"Wir müssen Werte wie Freiheit und Ökologie zusammendenken", sagt Özdemir am Montagabend. Die grüne Krawatte hat er sich umgebunden und im monumentalen Atrium des Römischen Hofs bereitet ihm BMW einen freundlichen Empfang. Klimaschutz rechtfertige nicht jedes Mittel, sagt der Grünen-Politiker, der Parteichef bleiben will, aber einen fairen und funktionierenden Wettbewerb brauche es.

Und hier kommt die Politik ins Spiel. "Ohne einen Rahmen und Regeln wird gar nichts passieren." Heißt: Im Zweifel macht neben strengen CO2-Grenzwerten auch ein Verbot von neuen Verbrennungsmotoren Sinn, wie es die Grünen (und der Bundesrat) ab 2030 vorschlagen. "Die Jahreszahl soll dazu beitragen, dass wir den Ernst der Lage erkennen", erklärt Özdemir in der Diskussion mit BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich.

Der Automanager hat einen Umbruch, wie er sich derzeit in der Autoindustrie vollziehe, in "30 Berufsjahren nicht erlebt". Elektromobilität, Digitalisierung, Vernetzung - "das ist auch für einen Ingenieur manchmal ein Overkill", sagt Fröhlich. BMW sieht er gut gerüstet. 20 Prozent Marktanteil bei Elektroautos, 40 Prozent weniger CO2-Ausstoß seit 1990. Klar, den Verbrennungsmotor braucht auch BMW noch lange, "er muss sich allerdings rüsten", sagt Fröhlich. "Wir müssen noch einen ganz erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten." Kooperationsfähig müsse sie dabei sein, die neue Autoindustrie. Sich wandeln vom klassischen Maschinenbauer zum Hightech-Unternehmen.

Nicht zwingend das eigene Auto

Beim Grünen-Realo Cem Özdemir stößt Fröhlich damit auf offene Ohren. "Ich wünsche mir, dass sie in der gesamten Wertschöpfungskette dabei sind", sagt er. Mobilität, nicht zwingend das eigene Auto, sei das Geschäftsmodell der Zukunft. Aber bis es so weit ist, dass deutlich weniger Autos auf der Straße unterwegs sind - dafür aber selbstfahrend und elektrisch - , braucht die Industrie Spielraum für Wertschöpfung, um die nötigen Investitionen finanzieren zu können. Ein Spagat, das weiß Özdemir, der bekennt: "Sie verdienen Geld mit Autos, die wir Grünen nicht so cool finden." BMW will nach einem Strategiewechsel alle Modelle bis 2025 elektrifizieren, im kommenden Jahr sollen 100.000 Elektroautos und Plug-in-Hybride verkauft werden.

Auch als technischer Laie wisse er, dass man beim Umbau des Autoantriebs die physikalischen Grenzen nicht ignorieren könne, sagt Özdemir. Die Politik hat da weichere Limits. "Auch wir wollen keine eruptiven Eingriffe", verspricht der Politiker BMW. Anders als die amtierende Bundesregierung steige man - Beispiel Atomenergie - nicht über Nacht aus einer Technologie aus, ohne die betroffene Industrie mitzunehmen. Verhandeln müsse man, um böse Überraschungen zu vermeiden. "Wir schließen uns mit Ihnen eine Nacht lang in einem Raum ein", schlägt Özdemir vor. "Bei uns sind Sie bei Planungs- und Investitionssicherheit in guten Händen."

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