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Elektromobilität in der Zukunft: Der Plan E

Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung – das sind die Bausteine für eine Mobilitätswende. Eine Zwischenbilanz des Vorsitzenden der Nationalen Plattform Elektromobilität.

Das Mobilitätssystem steht vor großen Herausforderungen. Lärm, Schadstoffemissionen und Staus werden zu zentralen Herausforderungen in den urbanen Räumen. Zugleich muss die Mobilität ressourcen- und klimaschonend werden. Vor diesem Hintergrund wird eine grundlegende Umgestaltung unseres Mobilitätssystems notwendig: Wir brauchen ein ganzheitliches Konzept, welches sämtliche Verkehrsträger beinhaltet und sich aus drei Bausteinen zusammensetzt: Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung. Es bedarf einer Mobilitätswende. Wird die Elektromobilität mit den Vorteilen der Automatisierung und Vernetzung zusammengedacht, entsteht ein völlig neues Stadtbild, das die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit ebenso adressiert wie die Reduzierung von Lärm und Staus oder den Wunsch nach weniger Stress beim Fahren. Durch Entwicklungen im Bereich der Assistenzsysteme und des teil- und hochautomatisierten Fahrens nimmt das Fahrzeug dem Fahrer immer mehr Aufgaben ab. Die zunehmende Vernetzung der Fahrzeuge untereinander bietet die Chance, Verkehrsflüsse zu verstetigen: So wird weniger Energie verbraucht, die Emission von Schadstoffen sinkt. Durch die verbesserte Verkehrsführung wird die Reichweite eines Elektrofahrzeugs effizienter genutzt und der Einsatz von Elektrofahrzeugen damit noch alltagstauglicher.

Der Leiter der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE), Henning Kagermann. Er setzte sich bereits im Februar 2016 für eine Sonderabgabe von einem oder eineinhalb Cent je Liter Diesel und Benzin ein.
Der Leiter der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE), Henning Kagermann. Er setzte sich bereits im Februar 2016 für eine Sonderabgabe von einem oder eineinhalb Cent je Liter Diesel und Benzin ein.
© dpa

Die Elektromobilität ist dabei als ein zentraler Baustein der Mobilitätswende das Schlüsselthema für eine integrierte Klima-, Energie- und Mobilitätsstrategie. Sie kann fossile Kraftstoffe für mobile Anwendungen langfristig ersetzen. Schon heute emittieren batterieelektrische Fahrzeuge unter Berücksichtigung des aktuellen deutschen Strommix laut Bundesumweltministerium zudem weniger CO2 über den gesamten Lebenszyklus als vergleichbare konventionelle Fahrzeuge. Zugleich ist die Elektromobilität ein entscheidender Faktor für die Innovationsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Die Bundesregierung hat deshalb gemeinsam mit der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) das Ziel ausgegeben bis 2020 Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität zu werden.

Nicht ausruhen auf den 80 Leuchtturmprojekten

Mittlerweile befinden wir uns in einer Phase, in der der Markt für Elektrofahrzeuge hochläuft, und können feststellen: Wir sind auf einem sehr guten Weg, ein internationaler Leitanbieter für Elektrofahrzeuge zu werden. In Westeuropa beträgt der Marktanteil deutscher Hersteller am Gesamtmarkt für Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb 47 Prozent und ist damit nahezu ebenso hoch wie der Marktanteil deutscher Hersteller bei den konventionellen Antrieben. Das heißt: Fast jedes zweite verkaufte Elektro- oder Hybridfahrzeug in Westeuropa stammt von einem deutschen Unternehmen. In den USA liegt der Anteil deutscher Hersteller am Gesamtmarkt für Elektrofahrzeuge höher als bei Fahrzeugen mit Diesel- oder Benzinmotor. Lediglich China nimmt aufgrund von Markteintrittsbarrieren eine Sonderrolle ein. Dort ist der Anteil der deutschen Hersteller gering. Insgesamt haben die Anstrengungen und Investitionen der Industrie ihre Wirkung gezeigt: Die Nutzerinnen und Nutzer können heute zwischen mehr als 30 verschiedenen Elektro- und Hybridfahrzeugen deutscher Hersteller wählen. Vor kurzem erst wurden auf dem Autosalon Paris 2016 mehrere neue Elektro- oder Hybridfahrzeugmodelle von deutschen Herstellern vorgestellt oder angekündigt.

Mit rund 1,5 Milliarden Euro Investitionen in Forschung und Entwicklung und dem Aufbau von 80 Leuchtturmprojekten hat auch die Bundesregierung einen entscheidenden Beitrag geleistet. Wichtig ist, dass wir uns darauf nicht ausruhen, sondern Forschung und Entwicklung gemeinsam weiterausbauen. Ein Schlüsselelement der Leitanbieterschaft ist die Batteriezellproduktion. Denn die Batterie macht 30 bis 40 Prozent der Wertschöpfung eines Elektrofahrzeugs aus und bestimmt wesentliche Eigenschaften des Fahrzeugs wie Performance und Reichweite. Die Batteriezelle ist dabei eine bestimmende Komponente im Batteriesystem mit einem Wertschöpfungsanteil von 60 bis 70 Prozent am Batteriepack. Aktuell dominieren asiatische und koreanische Unternehmen den Markt für Batteriezellen. Aufgrund der derzeitigen Überkapazitäten ist ein Einstieg in die Batteriezellproduktion in Deutschland zum aktuellen Zeitpunkt nicht zu empfehlen. Bei wachsendem Markterfolg der Elektrofahrzeuge wird die Nachfrage nach Batteriezellen allerdings deutlich steigen und ein weiterer Ausbau der globalen Zellproduktion notwendig sein. Dann kann der Betrieb einer Zellfabrik in Deutschland nachhaltig möglich sein. Bei einem Neueinstieg in die Batteriezellproduktion sollte in die nächste Batteriezellgeneration, also optimierte Lithium-Ionen-Zelle, oder nachfolgende investiert werden. Die Industrie muss hier sorgfältig abwägen, unter welchen Bedingungen sie investiert, schließlich sind eine hohe Investitionssumme und ein langer Atem notwendig. Die NPE hat im April dieses Jahres eine Roadmap zur Batteriezellproduktion vorgelegt, die detailliert beschreibt, unter welchen Bedingungen wir technisch und ökonomisch konkurrenzfähig werden können und welche Investitionssummen tatsächlich erforderlich sind. Eine Entscheidung für den Aufbau einer Batteriezellproduktion sollte in den nächsten zwei Jahren fallen.

Nur mit offenem Austausch mit Vertretern von Kommunen und Städten gelingt es, die Elektromobilität in den Alltag einzubetten

Leitanbieter für Elektromobilität können wir auf Dauer nur dann bleiben, wenn wir internationaler Leitmarkt werden. Mit den Maßnahmen zum Markthochlauf für Elektromobilität hat die Bundesregierung das von der NPE vorgeschlagene Gesamtprogramm aufgegriffen: Der zeitlich befristete Umweltbonus setzt Anreize für den Kauf eines Elektrofahrzeugs und mindert den Preisunterschied zwischen Elektrofahrzeugen und konventionellen Fahrzeugen. Entscheidend ist letztlich aber das Zusammenwirken der Maßnahmen: die Umweltprämie, die Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen und nicht zuletzt die Förderung des Ausbaus der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur. Denn mit dem Markthochlauf der Elektrofahrzeuge muss auch die Ladeinfrastruktur bedarfsgerecht ausgebaut werden. Hier hat die Bundesregierung mit den angekündigten flankierenden Investitionen von 300 Millionen Euro von 2017 bis 2020 in den Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur das richtige Signal gesetzt. Handlungsbedarf besteht aktuell bei den rechtlichen Rahmenbedingungen für den Aufbau von Ladepunkten im privaten Bereich – genau dort aber laden viele Nutzerinnen und Nutzer ihre Elektrofahrzeuge. Deshalb gilt es, das Miet- und Wohneigentumsrecht für die Installation privater Ladepunkte zeitnah und deutlich zu vereinfachen.

Wir sollten zudem darauf achten, dass die neuen Maßnahmen nicht an den Bürgerinnen und Bürgern vorbeigehen. Deshalb müssen wir uns stärker damit befassen, wie die Elektromobilität am Standort – in den Städten und Kommunen – umgesetzt wird. So gibt es in manchen Kommunen Bedenken wegen einzelner Aspekte des Elektromobilitätsgesetzes. Die große Mehrheit lehnt es zum Beispiel ab, dass Elektrofahrzeuge Busspuren benutzen, weil sie befürchten, dass auf diese Weise der wichtige öffentliche Personennahverkehr behindert wird. Damit wird ein neu geschaffener Anreiz für die Nutzerinnen und Nutzer von Elektroautos nicht wirksam. Hier ist ein offener Austausch mit Vertretern von Kommunen und Städten notwendig um Lösungen zu diskutieren und die Erfahrungen in künftige politische und wirtschaftliche Initiativen einzubetten. Nur dann wird es gelingen, die Elektromobilität in den Alltag der Menschen zu integrieren. Das gilt im Übrigen für alle Bestandteile der Mobilitätswende: Elektrifizierung, Automatisierung und Vernetzung des Verkehrs können nur erfolgreich umgesetzt werden, wenn Politik, Wirtschaft und Wissenschaft den offenen Diskurs mit der Gesellschaft fortführen und intensivieren. Der Erfolg der Mobilitätswende hängt schließlich nicht nur von technischen Lösungen ab, sondern auch von der gesellschaftlichen Akzeptanz der neuen Technologien. Wünsche und Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer müssen deshalb in den Mittelpunkt neuer Geschäftsmodelle gerückt werden und konkrete Anwendungsszenarien müssen in den Vordergrund gestellt werden:

In Zukunft wird zum Beispiel die Routenführung für Elektrofahrzeuge durch die zunehmende Vernetzung deutlich verbessert werden. Automatisierte Elektrofahrzeuge werden mit der (Lade-)Infrastruktur und anderen Fahrzeugen kommunizieren, um beispielsweise einen freien Ladepunkt anzusteuern. Die Sorge, einen anvisierten Stellplatz mit Ladepunkt besetzt vorzufinden, wäre damit unnötig. Die Verbindung von fahrerlosem Fahren und induktivem Laden, also dem Laden ohne Kabel und Stecker, schafft darüber hinaus die Voraussetzung dafür, dass sich fahrerlose Fahrzeuge automatisiert aufladen lassen. Das Fahrzeug fährt bei Bedarf fahrerlos zu einem induktiven Ladepunkt, lädt dort eigenständig und vernetzt sich mit anderen Fahrzeugen, um gleichzeitig eine effizientere Auslastung der Ladevorrichtung zu gewährleisten. Szenarien dieser Art sind keine ferne Zukunftsvision mehr – vieles davon ist schon heute technisch machbar. Aus deutscher Sicht gilt es nun, die Voraussetzungen für Vernetzung und Automatisierung zu schaffen und diese zeitnah mit den Vorteilen der Elektromobilität zusammenzubringen.

Prof. Dr. Henning Kagermann ist der Vorsitzende der Nationalen Plattform für Elektromobilität (NPE).

Henning Kagermann

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