Nach Konstanz: Volksinitiative will Klimanotstand für Berlin ausrufen lassen
Immer mehr Kommunen wollen etwas gegen Erderwärmung tun. Nun fordert eine Initiative, dass auch die Hauptstadt mitzieht. Sie hat prominente Fürsprecher.
Auch das Land Berlin soll demnächst den Klimanotstand ausrufen. Das will eine Volksinitiative erreichen, die am kommenden Montag an die Öffentlichkeit geht. Als erste deutsche Stadt hatte Konstanz diesen Schritt gemacht, nun soll die Hauptstadt nachziehen.
„Es kommt langsam an, wie gefährlich der Klimawandel ist. Aber wie eilig es ist, dass wir handeln, ist bei der Politik noch nicht angekommen“, sagt Milena Glimbovski, Gründerin des Berliner Lebensmittelgeschäftes Original Unverpackt.
Sie ist eine von bisher drei Vertrauenspersonen, die die Volksinitiative benennen muss. Die beiden anderen sind Heinrich Strößenreuther vom Volksentscheid Fahrrad und die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer.
Sie fordern neben der Ausrufung des Klimanotstandes, dass Berlin sein politisches Handeln an das Pariser Klimaabkommen und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse anpasst. „Nach jüngsten Berechnungen müssen wir schon im Jahr 2035 klimaneutral sein – so fordert es auch Fridays for Future“, sagte Strößenreuther.
Gemeint ist, dass sich der Ausstoß von Kohlendioxid und seine Aufnahme durch die Natur die Waage halten. Im Berliner Energiewendegesetz steht bisher nur, dass die Emissionen bis 2050 um 85 Prozent gesenkt werden müssen.
Wenn die Initiative Erfolg hat, müssen das Abgeordnetenhaus und die zuständigen Ausschüsse die Vertrauenspersonen anhören. Mehr nicht. Denn anders als bei einem Volksentscheid hat eine Volksinitiative kein Gesetz zum Ziel. „Dafür ist sie schneller“, sagt der Rechtsanwalt Marko Dörre, der die Initiative auf die Beine gestellt ha. Und ein Energiewendegesetz gebe es ja bereits.
Die Chancen für die Volksinitiative stehen insofern gut, als sie nur 20.000 Unterschriften braucht, um erfolgreich zu sein. Und die Zahl der Unterstützer wächst nach Dörres Angaben schnell. Zuletzt sei die Generationen Stiftung hinzugekommen, eine überparteiliche Interessenvertretung für die zukünftigen Generationen.
Konkrete Maßnahmen sollen dann schnell folgen: Bessere Angebote, um Autofahrer in den öffentlichen Nahverkehr zu locken, etwa ein Schnellbussystem, nennt Strößenreuther als Beispiel. Oder öffentliche Liegenschaften mit Grünstrom versorgen. Und überhaupt mehr Solardächer in der Stadt.
Vorreiter für die Ausrufung des Klimanotstandes ist Großbritannien. Nach Schottland und Wales hatte am Mittwoch das britische Parlament den Notstand ausgerufen. Die Erklärung hat zunächst nur symbolischen Wert. Aber das einflussreiche britische Klimakomitee empfahl am Tag danach konkret, Nullemissionen bis 2050 anzustreben.
Zentrale Forderung von Extinction Rebellion
Den Klimanotstand zu erklären, gehört zu den zentralen Forderungen von Extinction Rebellion, der „Rebellion gegen das Aussterben“. Die Bewegung, die von der schwedischen Fridays-for-Future-Gründerin Greta Thunberg unterstützt wird, hatte in den vergangenen Wochen mit spektakulären Aktionen Teile Londons lahmgelegt. In Berlin protestierten die Aktivisten zuletzt am Samstag gegen das Artensterben. Mitte April hatten sie die Oberbaumbrücke blockiert.
Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon sagte am Montag, der von ihr erklärte Klimanotstand sei ein „öffentliches Versprechen“, gegen die Erderwärmung zu kämpfen. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung sei ein Treffen mit streikenden Schülern gewesen.
Schottland werde bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes mit gutem Beispiel vorangehen, versprach Sturgeon. Dem britischen „Independent“ zufolge hatten schon mindestens 90 Landkreise in Großbritannien den Klimanotstand ausgerufen und sich zu mehr Klimaschutz verpflichtet.
„Warme Worte haben wir genug gehört“
Klimaschützer fordern schnelles Handeln: „Offensichtlich müssen konkrete Maßnahmen für die drastische und sofortige Reduzierung der Treibhausgasemissionen folgen“, sagte Wendell Trio Director des Climate Action Network Europe.
So sieht es auch Georg Kössler, klimapolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus: „Warme Worte haben wir genug gehört“, sagte er. Noch habe sich seine Fraktion keine Meinung dazu gebildet, ob sie die Volksinitiative unterstützt. Ein Gesetz für erneuerbare Wärme aber sei auf dem Weg und die Grünen würden versuchen, in der rot-rot-grünen Koalition eine Solarpflicht für Gebäude durchzusetzen.
Ein Masterplan Solar werde demnächst bei den Berliner Energietagen vorgestellt. „Die Stadt wartet mit Recht darauf, dass wir mehr machen“, sagt Kössler und deutet damit an, dass sich die Koalition auch seiner Ansicht nach schneller bewegen müsste.
Susanne Ehlerding