Ärger um Geld für Manager: Viele offene Rechnungen bei Air Berlin
Nach dem amtierenden Chef gerät nun auch Gründer Joachim Hunold in die Kritik. Für Angestellte beginnt eine entscheidende Woche.
Mit Vorwürfen gegen Manager und zähen Verhandlungen geht es in die historisch letzte Woche der insolventen Air Berlin. Am Freitagabend schließlich soll der letzte Flug mit eigener „AB“-Flugnummer von München Richtung Tegel starten.
Die Besucherterrasse wird dann extra lange geöffnet sein, damit Fans und Freunde der Airline die für 22.45 Uhr geplante Ankunft live mitverfolgen können. Die Flughafenfeuerwehr dürfte einen Wasserstrahl in hohem Bogen übers Rollfeld spritzen, wie es an Flughafen weltweit bei besonderen Ereignissen üblich ist. Die aktuelle Geschäftsführung hat keine besonderen Pläne für diesen Tag. „Es ist für uns kein Anlass zum feiern“, wiederholte ein Firmensprecher am Sonntag. Der ehemalige Vorstandschef Joachim Hunold aber will sich den Flug offenbar nicht entgehen lassen. Dem Vernehmen nach hat er Platz 1C in der ersten Reihe an Bord für sich reserviert.
Vorwürfe gegen Gründer Joachim Hunold
Offenbar gibt es Menschen, die ihm diesen für ihn emotionalen Moment nicht gönnen. So berichtete die „Bild am Sonntag“, dass Hunold laut einem Gutachten des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PwC im Jahr 2012 unter anderem „zu privaten Zwecken pflichtwidrig das Gesellschaftsvermögen schädigte, indem er auf Kosten der Gesellschaft mit Geschäftsreiseflugzeugen zu privaten Zwecken flog“. Kosten für Air Berlin: Rund 1,7 Millionen Euro. Es sei den Prüfern aufgefallen, dass mindestens 40 Flüge Hunolds von oder nach Sylt gingen, wo der Mann eine Ferienwohnung hat. Zudem monieren die Prüfer unter anderem Spenden an einen Karnevalsverein, Mietzahlungen für eine „Geschäftsführerwohnung“ und einen Pay-TV-Anschluss. Es gebe den Anfangsverdacht der Untreue.
„Die Unterstellungen entbehren jeglicher Grundlage“, teilte Hunolds Anwalt Christian Schertz am Sonntag mit. „Es gab auch nie irgendwie geartete Beanstandungen, geschweige denn ein Ermittlungsverfahren.“ Schertz betonte: „Er hat sich völlig korrekt verhalten. Private Flüge wurden privat bezahlt. Allein geschäftlich veranlasste Flüge wurden übernommen.“ Zudem sei seinem Mandanten der PwC-Bericht „überhaupt nicht bekannt“.
Hunold hatte 1991 die damals kleine Air Berlin mit Geschäftsfreunden gekauft war bis Herbst 2011 Vorstandschef. Sein Nachfolger Hartmut Mehdorn hatte nach eigenen Angaben – auch unter dem Eindruck der damals aktuellen Debatte um mögliche Vorteilsnahme von Bundespräsident Christian Wulff – die Prüfer beauftragt und den Zwischenbericht von PwC an Aufsichtsratschef Hans-Joachim Körber weitergeleitet, wie Mehdorn dem Tagesspiegel bestätigte.
Air Berlin rechtfertigt Gehalt für Winkelmann
Nach Mehdorn hatten zwei weitere Manager den Chefposten eingenommen – und wieder geräumt, bis Anfang des Jahres Thomas Winkelmann den Posten übernahm. Der sieht sich seit Tagen dem Vorwurf ausgesetzt, dass er sich ein Gehaltszahlungen in Höhe von insgesamt 4,5 Millionen Euro vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters gesichert hat. „Der CEO-Posten bei Air Berlin galt in der Branche jahrelang als Schleudersitz. Vier Chefs verschliss das Unternehmen in nur fünf Jahren“, erklärte das Unternehmen dem Tagesspiegel dazu. Winkelmann habe zu diesem Zeitpunkt einen gut dotierten Vertrag mit mehrjähriger Laufzeit als Chef des Lufthansa Hubs in München gehabt. „Bei seinem Wechsel von Lufthansa zu Air Berlin habe er keine Abfindung von Lufthansa erhalten und auch kein Rückkehrrecht zu Lufthansa.
Bei Air Berlin glaubt man wohl, dass da noch jemand eine offene Rechnung mit dem ehemaligen Lufthanseaten hat – zumal die Gehaltsdetails seit April im Geschäftsbericht für 2016 (siehe hier im PDF ab Seite 75) nachzulesen sind. Die vom bisherigen Großaktionär Etihad gestellte Bankgarantie für Winkelmann gehe nicht zu Lasten der Masse der insolventen Air Berlin und damit nicht zu Lasten der Mitarbeiter und der Kunden, erklärte man bei Air Berlin weiter. „Sie geht auch nicht zu Lasten der Steuerzahler. Ein Zusammenhang mit dem Überbrückungskredit in Höhe von 150 Millionen Euro der Kreditanstalt für Wiederaufbau besteht nicht“.
Einem größeren Anteil der bis zu 4000 Mitarbeiter, die zum Monatswechsel mit ihrer Kündigung rechnen müssen, dürfte diese Rechtfertigung herzlich egal sein. Für sie beginnt eine entscheidende Woche gleich heute im Roten Rathaus in Berlin. Dort ist ein Treffen von Vertretern des Bundes sowie der Air-Berlin-Länder Berlin, Nordrhein-Westfalen und Bayern in der Hauptstadt geplant.
Eine Transfergesellschaft soll von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten den Übergang in einen neuen Job ermöglichen. Dabei geht es nicht um deren Weiterbeschäftigung, sondern vor allem um deren Weitervermittlung und Qualifizierung. Zum freiwilligen Eintritt in die Transfergesellschaft werden die Verträge der Betroffenen aufgehoben. Sie erhalten für höchstens zwölf Monate befristete Anstellungen bei der Gesellschaft. Während dieser Zeit zahlt die Agentur für Arbeit ein Transferkurzarbeitergeld. Dessen Höhe entspricht mehr oder Minder dem des Arbeitslosengeldes I – also 60 Prozent des bisherigen Nettolohns, beziehungsweise 67 Prozent bei Mitarbeitern mit Kindern. Die Höhe ist aber gedeckelt.
Derzeit geht man davon aus, dass die Finanzierung rund 50 Millionen Euro kostet – abhängig davon ob die Gespräche mit anderen Kaufinteressenten neben Easyjet noch in dieser Woche abgeschlossen werden. Air Berlin selber könne diese Transfergesellschaft nicht alleine finanzieren, wiederholt die insolvente Airline. Aber immerhin will oder kann sie sich, anders als noch vor Wochen, nun daran beteiligen.
Buchstäblich "Rechnung offen": Isländer halten Flieger weiter fest
Nicht im Übertragenen Sinne, sondern tatsächlich Probleme mit offenen Rechnungen hat die Airline auch weiterhin in Island. Dort konnte eine Maschine, die der Betreiber des internationalen Flughafens Keflavik, seit Donnerstag (19. Oktober) festhält, auch am Wochenende nicht den Heimflug nach Deutschland antreten. "Das Flugzeug ist noch in Keflavik. Wir haben den Flughafen auch über das Wochenende aufgefordert, sein rechtswidriges Handeln umgehend zu beenden", teilte Air Berlins Sprecher Ralf Kunkel am Sonntag auf Anfrage mit. Man habe sämtliche seit der Insolvenzanmeldung am 15. August 2017 anfallenden Rechnungen pünktlich bezahlt. Man habe dem Flughafen Keflavik zudem mehrfach mitgeteilt, dass er eventuell bestehende Forderungen von vor dem 15. August 2017 aufgrund des geltenden Insolvenzrechts zur Insolvenztabelle anmelden müsse. "Das gegenwärtige Verhalten der Flughafengesellschaft ist klar rechtswidrig. Es ist nicht akzeptabel und geht zu Lasten der Passagiere der Air Berlin", sagte Kunkel.