Digitalisierung: Verwaltung weiterhin wenig digitalisiert
Online-Terminvergabe, digitale Kundenkonten, Gebührenüberweisung im Netz: Eine Studie zeigt, dass die öffentliche Verwaltung erheblichen Aufholbedarf hat.
Das Vorhaben ist gewaltig: Bis 2022 sollen 575 Verwaltungsdienstleistungen im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes komplett online erledigt werden können – es ist eines der Top-Projekte von Bundeskanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU). Zwar gibt Fortschritte bei einzelnen Projekten, aber der Aufbau der grundlegenden Struktur stockt technisch wie organisatorisch. Eine Ursache dürfte sein, dass die Personalstrategie in deutsche Behörden zu wenig auf Digitalisierung ausgerichtet ist – dies zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY), die dem Tagesspiegel exklusiv vorab vorlieht.
Nur bei jeder fünften Behörde ist Online-Terminvereinbarung möglich
Von einem vollständig digitalisierten Behördengang berichtet keiner der 201 befragten Leiterinnen und Leiter von Verwaltungseinrichtungen. Lediglich bei 20 Prozent ist die Online-Terminvereinbarung uneingeschränkt möglich, obwohl diese vergleichsweise einfach zu realisieren ist. Lediglich sechs Prozent geben an, dass Gebühren online bezahlt werden können, nur drei Prozent nutzen den E-Personalausweis (e-ID), gerade einmal vier Prozent bieten digitale Kundenkonten an.
Dass der Service bisher so wenig digitalisiert ist, dürfte auch an einer Personalstrategie liegen: So geben lediglich 18 Prozent der Befragten an, dass die Personalstrategie ihrer Einrichtung klar an der geforderten Digitalisierung ausgerichtet sei. 50 Prozent erklären, es gebe zwar vereinzelte Initiativen zum Thema, aber kein Gesamtkonzept. 32 Prozent erkennen Ansätze, sehen jedoch keine verstärkte Ausrichtung der HR-Aktivitäten auf die digitale Transformation.
Als größtes Hemmnis wird der Datenschutz gesehen
Eine Mehrheit der Befragten sieht die Schuld für diesen geringen Fortschritt jedoch nicht bei sich, sondern bei der Regulierung: 66 Prozent nennen den als übertrieben empfundenen Datenschutz als größtes Hemmnis auf dem Weg zur digitalen Behörde an.
Geradezu naiv wirkt die Einschätzung der Befragten, wie sich Technologien wie Künstliche Intelligenz auf die öffentliche Verwaltung auswirken: So ist die überwiegende Mehrheit (74 Prozent) der befragten Leiterinnen und -leiter davon überzeugt, dass durch die Digitalisierung künftig keine Jobs in ihrer Behörde wegfallen werden.
Für die Studie waren 201 Behördenleiterinnen und -leiter sowie Personalentscheiderinnen und -entscheider in öffentlichen Verwaltungen, städtischen Kommunen, in Bundesverwaltungen sowie kommunalen und bundeseigenen Unternehmen befragt worden.