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Bundeskanzleramtschef Helge Braun.
© Mike Wolff

Tagesspiegel-Konferenz Agenda 2019: Kanzleramtsminister: "Wir müssen bei digitalen Projekten disruptiver werden"

Helge Braun erläutert Regierungspläne für 2019 bei "Megathemen" wie Digitalisierung oder Pflege. Und sieht Handlungsbedarf bei der Arbeitsweise.

Zu Beginn erfreut der Chef des Bundeskanzleramtes mit ungewollter Doppeldeutigkeit. Helge Braun (CDU) spricht am Montagvormittag bei der Tagesspiegel-Konferenz "Agenda 2019" über einige der drängendsten politischen Herausforderung des kommenden Jahres, unter anderem Pflege, Digitalisierung, KI und Wohnen. Zuerst aber geht es um die Frage, die das politische Berlin aktuell am meisten bewegt: Wer folgt Angela Merkel, also Brauns Chefin, im Amt der CDU-Vorsitzenden nach. Braun sieht da "drei wirklich gute Kandidaten", die bis Anfang Dezember auch noch Zeit haben, potenzielle "Schwächen auszumerzen". Heiterkeit im Saal.

Dann aber wird es ernst, und Helge Braun, studierter Mediziner, präsentiert sich im Gespräch mit "phoenix"-Programmgeschäftsführer Helge Fuhst und Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff gewohnt unaufgeregt und faktensicher. Mehrere Punkte werden klar: In der Pflege ist trotz 13.000 im "Sofortprogramm" zusätzlich beschlossener Stellen und der beschlossenen Ausbildungsvergütung noch sehr viel zu tun. Die Bundesregierung setzt deshalb auf "Fachkräftezuwanderung auch aus dem nicht-europäischen Ausland". Was beispielsweise die Anerkennung von Abschlüssen betrifft, werde man da "noch 2018 einiges hinbekommen", verspricht Braun im Blick auf die Konferenz der Ministerpräsidenten im Dezember: "Da sind wir sehr ungeduldig." Für den finanziellen Rahmen wird künftig der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozent gesenkt, der zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozent angehoben, so dass mehr Geld zur Verfügung steht, ohne die Arbeitnehmer stärker zu belasten. Und das solle auch so bleiben, sagt Braun.

Ein weiteres "Megathema" ist für Braun die Digitalisierung, der das Feld insgesamt für die Bundesregierung koordiniert, beispielhaft aufgegriffen an Gesundheitswesen und Verwaltung. Und dass bei dem Thema auch immer Ängste - in Deutschland vielleicht mehr als anderswo - mitschwingen, hält Braun sogar für einen Standortvorteil. In den USA hätten "die größten Unternehmen zu unbeschränkten Zugang zu Daten, in China würde "der Staat die Gesellschaft über digitale Daten steuern" - das gebe es in Europa nicht und deshalb würden "digitale Produkte aus Europa in Zukunft auch vertrauenswürdiger". Außerdem verspricht der Kanzleramtsminister, wenn in zwei bis drei Jahren die elektronische Patientenakte eingeführt werde, dürfe dies "nicht zum gläsernen Patienten führen". Man werde deshalb über die Nutzung dieser sensiblen Daten "offen und im Detail" sprechen.

"Mehr Engagement der Arbeitgeber bei der Weiterbildung"

Einen "ehrgeizigen Zeitplan" hat sich die Bundesregierung laut Eigenzuschreibung außerdem bei der Digitalisierung der Verwaltung auferlegt (auch wenn böse Zungen behaupten, hier sei einfach ein Jahrzehnt verschlafen worden). Alle 110 Verwaltungsleistungen, die der Bund stellt, soll es bis zum Ende der Legislatur digital geben, und bald darauf alle 575 Verwaltungsakte in Deutschland insgesamt. Geplant ist ein Bürgerkonto, an dem sich jeder mit einem einzigen Passwort für alle Dienstleistungen anmelden kann.

Aufgrund der "föderalen Strukturen" sei das "etwas komplizierter", man müsse "bei der Umsetzung digitaler Projekte disruptiver werden", sagt Helge Braun. Und erklärt dann, wie es künftig nicht mehr laufen soll: "Drei Jahre Arbeit am Pflichtenheft, dann vier Jahre Entwicklung und nach acht Jahren ein Produkt, das neu, aber schon wieder veraltet ist". Das Zauberwort ist hier "agile Softwareentwicklung", wie sie der öffentliche Dienst in Großbritannien betreibt. Wie notwendig das ist, belegt Braun gleich selbst: In den vergangenen Jahren ist die Nutzung digitaler Verwaltungsangebote in Deutschland sogar wieder zurückgegangen - aufgrund geringer Nutzerfreundlichkeit.

Beim Thema Künstliche Intelligenz will der Kanzleramtschef "mehr Engagement der Arbeitgeber in der Weiterbildung" und verspricht Steuererleichterungen und Zuschüsse: "Alle, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, müssen sich weiterqualifizieren können." Und auch zur drängenden Frage Wohnen und Bauen äußert er sich; die Abläufe beim Wohngeld, vom Antrag bis zur Auszahlung müssten "verschlankt" werden, der Maßstab bei der Mietpreisbremse wird von vier Jahren auf sechs erhöht. Da das Problem der fehlenden Wohungen nicht lösen wird, wird er nach mehr Investitionen in den Bau von Sozialwohnungen gefragt. Da sieht sich Braun nun ausnahmsweise nicht in der Verantwortung: Da seien andere am Zug, man ändere ja gerade erst das Grundgesetz, damit der Bund überhaupt wieder Zuschüsse zum Wohnungsbau zahlen dürfe.

Wenn Sie das Gespräch mit Kanzleramtsminister Helge Braun in voller Länge sehen möchten können Sie das am Montagabend auf phoenix um 22 Uhr15.

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