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John Cryan, bisheriger Co-Vorstandsvorsitzender und zukünftiger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, spricht auf der Hauptversammlung der Bank in der Festhalle in Frankfurt am Main (Hessen).
© Arne Dedert/dpa

Hauptversammlung der Deutschen Bank: Tausende Streitfälle, eine Milliarde für Anwälte

Bei dem jährlichen Aktionärstreffen der Deutschen Bank in Frankfurt bekamen die 5500 Aktionäre erschütternde Details zu den laufenden juristischen Problemen zu hören.

Ärger über den Rekordverlust, über den Ausfall der Dividende, den schlechten Aktienkurs und über die Querelen im Aufsichtsrat - Lob für den seit Sommer 2015 amtierenden Co-Vorstandschef John Cryan und viel Applaus für den scheidenden Co-Chef Jürgen Fitschen: Die mit Spannung erwartete Hauptversammlung der Deutschen Bank verlief am Donnerstag in der Frankfurter Festhalle eher unspektakulär. Kaum ein Aktionär forderte die Nicht-Entlastung des im Vorfeld heftig kritisierten Aufsichtsratschefs Paul Achleitner. Gleichzeitig beteuerte Cryan, die Bank sei auf dem richtigem Weg. Noch in diesem Jahr wolle wichtige Rechtsstreitigkeiten abschließen. „Bei aller Vorsicht sehe ich uns allmählich auf der Zielgeraden“, sagte der Brite in makellosem Deutsch vor rund 5500 Aktionären.

Cryan, der die Bank nach dem Abschied von Fitschen ab sofort allein leitet, versprach, sich Tag für Tag für eine „bessere“ Deutsche Bank einzusetzen. Dabei sieht er das Institut trotz des Rekordverlustes von fast sieben Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf dem richtigen Weg. „Ich bin nicht dafür bekannt, zur Euphorie zu neigen. Aber ich sage Ihnen aus voller Überzeugung: Wir sind besser als unser Ruf. Viel besser sogar“.

Die Bank stehe auf einem soliden und festen Fundament. Ähnlich äußerte sich Fitschen, der nach mehr als 30 Jahren die Bank verlässt, ihr aber weiter als Berater zur Seite steht. Aktionäre bedachten Fitschens letzte Rede auf einer Hauptversammlung mit langem Applaus. „Wir lassen Sie ungern ziehen. Sie standen für Anstand in der Bank“, fand nicht nur Aktionär Hans-Martin Buhlmann lobende Worte für den 67jährigen Banker. Auch von Cryan und Achleitner wurde Fitschen ausdrücklich gewürdigt. Einen solchen Banker gebe es kein zweites Mal, sagte Achleitner.

Aktionäre sitzen am 19. Mai 2016 in Frankfurt am Main zu Beginn der Hauptversammlung der Deutschen Bank in der Festhalle.
Aktionäre sitzen am 19. Mai 2016 in Frankfurt am Main zu Beginn der Hauptversammlung der Deutschen Bank in der Festhalle.
© Frank Rumpenhorst/dpa

Gleichwohl überwogen auf der Hauptversammlung kritische Stimmen. Aufsichtsratschef Achleitner war die Nervosität anzumerken. Ihm war im Vorfeld vorgehalten worden, Ex-Co-Chef Anshu Jain im Juni letzten Jahres viel zu spät verabschiedet und zuletzt Kritiker aus dem Aufsichtsrat geschoben zu haben. Achleitner wies dies zurück. Er stehe zu seiner Pflicht und Verantwortung. Er gebe alles für die Bank und werde sich nach Ablauf seiner Amtszeit im nächsten Jahr zur Wiederwahl stellen. Zwar gab es für diese Worte keinen Applaus, aber weder stellen Aktionäre den Antrag, Achleitner die Leitung der Hauptversammlung zu entziehen noch ihn überhaupt abzuberufen.

Aktionäre freilich stufen das Geldhaus weiter als Sanierungsfall ein. „Die Lage ist extrem schwierig. Auf absehbare Zeit bleibt die Bank ein Restrukturierungsfall“, sagte etwa Hans-Christoph Hirt vom britischen Pensionsfonds Hermes. Auch vom Kulturwandel sei noch wenig zu sehen. „Die Bank steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Die Reputation hat gelitten, das Vertrauen am Kapitalmarkt ist erschüttert, der Aktienkurs ein Desaster“, betonte Ingo Speich, Fondsmanager bei Union Investment. Die Sanierung allein helfe nicht, es brauche auch neuer strategischer Impulse, ergänzte Andreas Thomae von der Dekabank. „Wie sind Ihre Visionen? Wo sind die lohnenden Geschäftsfelder unserer Bank, mit denen wir in Zukunft wieder Geld verdienen?“, ergänzte Klaus Nieding, Vize-Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

Ein Demonstrant steht am am Eingang zur Hauptversammlung der Deutschen Bank mit einer Sammelbüchse.
Ein Demonstrant steht am am Eingang zur Hauptversammlung der Deutschen Bank mit einer Sammelbüchse.
© Frank Rumpenhorst/dpa

Für Cryan allerdings stehen erst einmal Aufräumarbeiten im Vordergrund. Neben der Beilegung von Rechtsstreitigkeiten - derzeit weltweit noch 7800 Fälle, wie der Brite auf dem Aktionärstreffen sagte - sollen die Kosten bis 2018 um fünf Milliarden Euro gedrückt werden. Mehr als 200 der 750 Filialen in Deutschland werden geschlossen und allein in Deutschland etwa 4000 Stellen gestrichen. Man werde alles tun, um dies so schnell wie möglich, aber auch fair und sozialverträglich zu gestalten, betonte Cryan. Er sehe sich nicht nur als „Aufräumer“ oder „Sanierer“. Er wolle die Bank zusammen mit dem neu aufgestellten Vorstand wieder auf Wachstumskurs bringen. Ob dies schon 2016 wieder zu einem Gewinn führe ließ er offen. Klar ist aber: Wie für 2015 will die Deutsche Bank auch für das laufende Jahr keine Dividende zahlen. 

Deutsche-Bank-Vorstandschef John Cryan (links) führt die Geschäfte künftig allein. Aufsichtsratschef Paul Achleitner Mitte und der bisherige Co-Chef Jürgen Fitschen gaben sich in Frankfurt locker.
Deutsche-Bank-Vorstandschef John Cryan (links) führt die Geschäfte künftig allein. Aufsichtsratschef Paul Achleitner Mitte und der bisherige Co-Chef Jürgen Fitschen gaben sich in Frankfurt locker.
© Reuters/Kai Pfaffenbach

Wenn das so ist, dürfe es für den Vorstand dann auch keinen Bonus gehen, forderte Buhlmann. Wie andere Aktionäre auch, kritisierte er das neue Vergütungssystem der Bank. „Wer über 50 Seiten braucht, um es zu erläutern, hat selbst ein Problem“. Buhlmann bemängelte, dass mit dem neuen System, die Fixgehälter der Vorstände steigen würden je schlechter die Bank arbeite.

Schließlich kritisierten Aktionäre, dass sich die Bank mit ihrem ehemaligen Vorstandssprecher Rolf Breuer wegen dessen Aussagen über die mangelnde Kreditwürdigkeit des Medienunternehmers Kirch im Jahr 2002 - die Bank musste den Erben deshalb im Rahmen eines Vergleichs mehr als 900 Millionen Euro zahlen - über eine Entschädigung von nur drei Millionen Euro geeinigt habe. Dies komme dem Tatbestand der Untreue gleich.

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