Deutsche-Bank-Prozess: Freispruch für Jürgen Fitschen und vier Ex-Deutschbanker
Jürgen Fitschen und vier Ex-Manager der Deutschen Bank haben sich nicht der Falschaussage im Fall Kirch schuldig gemacht, entschied das Landgericht München.
Die Angeklagten haben das letzte Wort. Doch nur einer will reden. Von den fünf Spitzenmanagern der Deutschen Bank ergreift kurz vor Urteilsverkündung als einziger Ex-Vorstandschef Josef Ackermann das Wort. Im Ton freundlich bis charmant, attackiert er die Staatsanwaltschaft heftig. Deren Verhalten in dem Prozess, der fast auf den Tag ein Jahr gedauert hat, sei „erschreckend und befremdlich“ gewesen. 35 Verhandlungstage und viele Beweisanträge gab es, Ackermann nennt das Verfahren deshalb am Montag „belastend“. Es sei zudem „von Unterstellungen und Spekulationen geleitet gewesen“. Er fühlt sich im Recht – und bekommt Recht.
Denn der Vorsitzende Richter Peter Noll spricht die Manager am Montag vom Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs frei: Neben Ackermann ist das allen voran Jürgen Fitschen, noch Co-Chef der Deutschen Bank. Auch Vorgänger Rolf Breuer, der frühere Aufsichtsratschef Clemens Börsig und Ex-Rechtsvorstand Tessen von Heydebreck werden freigesprochen.
Der Kirch-Streit begann bereits 2002
Es ist eine alte Geschichte, die damit an diesem Montag ein Ende findet. Los ging sie 2002 mit einem Satz – noch dazu einem recht verquasten. Vor laufender Kamera war Rolf Breuer, damals Chef der Deutschen Bank, auf die finanzielle Situation des Medienunternehmers Leo Kirch angesprochen worden. Er antwortete: „Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht mehr bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“
So missverständlich der Satz ist, so sehr dürfte Breuer ihn heute bereuen. Denn als der Medienunternehmer kurz darauf tatsächlich Pleite ging, machte Kirch den Deutsche-Bank-Chef dafür verantwortlich. „Erschossen hat mich der Rolf“, sagte er. Kirch warf Breuer vor, die Pleite des Medienkonzerns heraufbeschworen zu haben. Die Banker sollen darauf spekuliert haben, nach der Pleite den Auftrag zu bekommen, den Kirch-Konzern zu zerschlagen – und daran gut zu verdienen.
Bis zu seinem Tod 2011 kämpfte Kirch deshalb gegen Breuer und die Deutsche Bank. Und tatsächlich konnten seine Erben sich später mit dem Institut auf einen Vergleich einigen: 928 Millionen Euro, fast eine Milliarde, musste die Deutsche Bank zahlen. Auch für Breuer wurde sein verhängnisvoller Satz teuer: Er musste der Bank 3,2 Millionen Euro erstatten, seine Managerhaftpflicht sprang mit 90 Millionen Euro ein.
Die Staatanwaltschaft warf den Bankmanagern Prozessbetrug vor
Doch damit nicht genug. Die Staatsanwaltschaft vermutete, dass die Banker sich abgesprochen haben. Vor Gericht sollen sie nicht ganz die Wahrheit gesagt haben, um einen größeren Schaden von der Bank abzuwenden. Dieser Vorwurf traf selbst Fitschen, der erst zehn Jahre nach dem verhängnisvollen Interview Vorstandschef der Deutschen Bank wurde. Er selbst hat die Vorwürfe auch immer wieder bestritten: „Ich habe weder belogen noch betrogen.“ Ein Angebot der Staatsanwaltschaft, die Vorwürfe gegen eine Strafzahlung fallen zu lassen, lehnte er deshalb ab. Lieber saß er die Zeit vor Gericht ab – er wollte zeigen, dass er unschuldig ist. Am Ende ist ihm das gelungen. Ebenso wie den anderen Topmanagern auf der Anklagebank.
Peter Noll, der sie am Montag freispricht, gilt nicht nur als fachlich exzellenter, sondern auch als humoriger Richter. So erzählt er in der Urteilsbegründung, woran ihn die schweren Anschuldigungen erinnern: an den Scheinriesen Tur Tur. Wer Michael Endes Kindergeschichte von „Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer“ kennt, ist im Bilde. Tur Tur erscheint aus der Ferne ungeheuerlich groß. Je näher man ihm aber kommt, desto kleiner wird er – am Ende entpuppt er sich als normaler Mensch.
Die Staatsanwältin trat zwischenzeitlich selbst als Zeugin auf
Als Scheinriese wirkt nach Ansicht von Noll auch der Vorwurf des Prozessbetrugs, den Oberstaatsanwältin Christiane Serini gegen die Führungsriege des Geldhauses erhob. Weil einige Zeugen vor Gericht nicht aussagen wollten, schlüpfte Serini zeitweise in eine Doppelrolle. Sie trat nicht nur als Anklägerin sondern selbst als Zeugin auf: Nur so konnte sie wiedergeben, was die Zeugen ihr in der Vernehmung gesagt hatten – und vor Gericht nicht wiederholen wollten. Auch wegen dieser Doppelfunktion wurde sie scharf kritisiert. Doch trotz dieser Kritik stellt Richter Noll sich am Montag vor Serini. Es habe anfangs „schwer wiegende Verdachtsmomente“ gegeben, sagt er. Zum Beispiel habe es ein „eigentümliches Verhalten“ der Rechtsabteilung der Deutschen Bank gegeben, die aus Angst vor einer Durchsuchung Unterlagen ausgelagert hat. Der Staatsanwaltschaft sei keine andere Wahl geblieben als zu ermitteln. Und der Überdruss, den die Verteidiger im Laufe der Monate an den Tag legten, sei „keine strafprozessrelevante Kategorie“.
Doch dann kommt das Aber: In dem ganzen Verfahren konnte kein Beweis für die Anklage gefunden werden, sagt Noll. Kein Zeuge hat ausgesagt, dass es eine Absprache der Banker gegeben hat. Nirgends wird belegt, dass die Deutsche Bank ein Mandat von Kirch haben wollte, um seinen Konzern nach der Pleite zu zerschlagen. In einem unglaublichen Terabyte an Akten konnte nichts gefunden werden – das ist ein 25 Kilometer hoher Papierturm. Noll meint: „Man sieht nichts, man hört nichts, man riecht nichts.“ Die Folge ist der Freispruch. Allerdings will die Staatsanwaltschaft eine Revision prüfen.
Jürgen Fitschen steht nach dem Urteil vor dem Gerichtssaal, er sieht müde aus. „Ich bin froh, dass es zu Ende ist“, sagt er, „das Gericht hat uns voll bestätigt“. Er hätte sich gewünscht, „dass es nicht so lange dauert“. Dann geht sein Flieger zurück nach Frankfurt. Viel Zeit hat Fitschen nicht mehr. Nach der Hauptversammlung der Deutschen Bank am 19. Mai gibt er seinen Posten als Co-Chef ab.