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Gefährliche Teddybären. Verbraucherschützer warnen bei internetverbundenem Spielzeug vor Datenmissbrauch und Manipulation.
© Fotolia Montage: Tsp

Spielzeug zu Weihnachten: Spione aus Plüsch

Kinder wünschen sich zu Weihnachten Puppen, Kuscheltiere und Fahrzeuge. Doch das klassische Spielzeug hat sich verändert. Es redet und hört mit.

Die erste Barbie hatte 1959 blonde oder brünette Haare, zusammengebunden zu einem Zopf, mit lockigem Pony. Das Gesicht war stark geschminkt, die Beine lang, die Taille schmal, die Brüste groß. Heute ist Barbie mal dick, mal dünn, mal groß, mal klein. Die Plastikpuppe kann sprechen und durchs Kinderzimmer fliegen.

Obwohl die Vielfalt an Spielzeug immer größer wird, wünschen sich Kinder zu Weihnachten die immer gleichen Klassiker: Puppen, Plüschtiere, Fahrzeuge. Doch nicht nur Barbie hat sich verändert. Spielwarenhersteller passen ihre Produkte an den jeweiligen Zeitgeist an. Einer, der die Branche gut kennt, ist Ulrich Brobeil, Geschäftsführer des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie (DVSI). Wenn er von der Entwicklung der Spielwaren erzählt, beginnt er mit dem Dreißigjährigen Krieg. Damals, im 17. Jahrhundert, bekamen die Jungen ein Steckenpferd, um sie aufs Reiten vorzubereiten.

Während der Industrialisierung wurden aus dünn gewalzten Blechen Menschen- und Tierfiguren hergestellt. Mit der Eisenbahn kam die Modelleisenbahn, mit der Erfindung des Telefons das Spielzeugtelefon. „Schon seit Urzeiten wird im Spielzeug das Große im Kleinen dargestellt“, sagte Brobeil.

Puppen sind mit Elektronik vollgestopft

In den vergangenen Jahren hat er keine großen Erfindungen erkennen können. Brobeil spricht von „Altem in neuem Gewand“. Barbies Pferd steht nicht mehr nur herum. Es galoppiert auf Knopfdruck durch den Raum. Die Carrera-Bahn wird über eine App bedient. Das Einhorn „Starlily“ reagiert durch Berührungs- und Geräusch-Sensoren auf Streicheleinheiten, indem seine Augen blitzen. Puppen und Plüschtiere sind mit Elektronik vollgestopft.

Bauklötze waren früher aus Holz, was als Material stetig an Bedeutung verloren hat. Mit Lego kam das Plastik in die Regale. Heute arbeiten Start-ups wie „Kinematics” aus Bernau am Lego der Zukunft. Mit seinen „Tinkerbots" verkauft das Unternehmen Spielzeug-Roboter nach dem Lego-Prinzip. Die Kinder können Tiere, Autos, Monster und Maschinen bauen, die auf ihr Kommando hören. Die Roboter merken sich Bewegungsabläufe und sind über eine App steuerbar. Daten werden nicht gespeichert.

„Digitales Spielzeug führt schon Kinder im Vorschulalter spielerisch an neue Technologien heran“, sagte Matthias Bürger, der das Unternehmen mitgegründet hat und nun Gesellschafter ist. „Unsere Welt wird immer digitaler, daher ist es wichtig, Kinder schon frühzeitig für Technik zu begeistern.“

Digitales und vernetztes Spielzeug polarisiert

Spielen soll nicht nur Spaß machen. Es soll die geistige, motorische und soziale Entwicklung von Kindern fördern und ihre Fantasie anregen. Das, was die Erwachsenen im Alltag tun, ahmen sie nach. Kinder lernen bei Brett- und Gesellschaftsspielen, Regeln einzuhalten und mit Gewinnen und Verlierern umzugehen. Die Frage, ob das digitale, vernetzte Spielzeug pädagogisch sinnvoll oder gefährlich ist, polarisiert.

Antje Bostelmann ist Pädagogin und Gründerin der Klax-Gruppe, einem internationalen Bildungsträger mit Sitz in Berlin. Sie sieht die Technologien in Kinderhand recht positiv. Problematisch werde es nur, wenn Kinder nichts mehr entdeckten und ausprobierten, sondern „zu passiven Konsumenten“ würden. Der Ulmer Hirnforscher Manfred Spitzer warnt hingegen seit Jahren vor der Verdummung durch die digitalen Medien. Die Aufmerksamkeit von Kindern verschlechtere sich durch die Reizüberflutung. Sie bekämen Probleme beim Sprechen und Lernen. Es drohe die „digitale Demenz“.

Verbraucherschützer sind ebenfalls skeptisch. Sie weisen auf mögliche Datenlecks bei Kinderspielzeug mit Internetverbindung hin. Die Puppe „Cayla“, „Hello Barbie“ und der Roboter „i-Que“ sind beliebte Spielzeuge, mit denen Kinder sprechen können. Nur könnten Dritte ohne große Probleme mit einem Mobiltelefon auf das Spielzeug zugreifen, mit den Kindern kommunizieren und das Gesagte aufzeichnen, erklärte der europäische Verbraucherverband Beuc kürzlich.

Alles, was Kinder den Puppen erzählen, werde an eine US-Firma weitergereicht, die auf Spracherkennung spezialisiert sei und Daten weitergeben dürfe. Das Spielzeug werde zum Spion. Außerdem seien die Produkte auf Schleichwerbung programmiert: Cayla erzähle, wie sehr sie Disney-Filme liebe. Der Anbieter der App, über die diese Puppe funktioniert, arbeitet nach Angaben von Beuc auch für Disney.

Branche rechnet mit einem Rekordgeschäft

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Deutschen kein Geld für teure Geschenke. Deswegen wurden sie oft selbst gebastelt und sollten vor allem funktional sein. Mit dem Wirtschaftswunder wurden die Menschen auf Plakaten und in Prospekten zum Geldausgeben animiert. In einem Warenhaus-Weihnachtskatalog des KaDeWe aus dem Jahr 1958 hält ein kleiner Junge im Anzug eine Rakete, ein Mädchen im Kleid eine Puppe in den Händen. Die Familien, die es sich leisten konnten, überraschten die Kinder auch schon damals mit technischen Präsenten. Zum Beispiel mit einer Modelleisenbahn.

Der Sony-Walkman und der Atari-Computer waren in den 80er Jahren dann die Vorläufer des Medienbooms. In den 90er Jahren folgten zwischen Diddle-Maus und Inlineskates der Gameboy, Super Nintendo und das Tamagotchi. 2006 erschien Wii, 2007 das iPhone, 2010 das iPad. Smartphones und Tablets werden in diesem Jahr auf so einigen Wunschlisten stehen. Jeder Elfte möchte ein Lern- oder oder Spiel-Tablet verschenken, wie aus einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom hervorgeht. Die große Mehrheit (73 Prozent) entscheidet sich aber nach wie vor für Traditionelles – für Puzzles und Spielfiguren.

Die Branche rechnet in diesem Jahr mit einem Rekordgeschäft. Weil die Deutschen wieder mehr Kinder bekommen und wegen der guten Konjunktur mehr Geld ausgeben, erwartet der Handelsverband Spielwaren einen Umsatz von drei Milliarden Euro. Die Käufer geben aber nicht nur mehr aus, weil sie es können. Sie müssen es auch. Eine Barbie, die fliegen kann, kostet rund 100 Euro.

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