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Ho ho ho? No no no!
© picture alliance / dpa

Kinder und Weihnachten: Großeltern, schenkt euch die Geschenke!

Weihnachten für Weihnachten wächst der Spielzeugberg im Kinderzimmer. Das Zeug ist im Weg. Keiner braucht es. Liebe Verwandte: Wenn ihr Glanz in Kinderaugen zaubern wollt, beschert den Kleinen lieber tolle Erlebnisse. Ein Rant.

Ende der 50er Jahre, ein Dorf im Westen Deutschlands. Es duftet nach Nordmann-Tanne und Kerzen. Ein kleiner Junge liegt neben seinem kleinen Bruder im Bett und soll schlafen, von nebenan hört er die Erwachsenen lachen, feine Gläser klirren. Auf dem Nachttisch steht eine Dampflok, Spurgröße H0. Sein Herzenswunsch wurde erfüllt. Im Bauch des Jungen kribbelt die Vorfreude auf den nächsten Morgen, dann darf er weiterspielen. Es ist der 24. Dezember.

Advent 2016. Weihnachtsmänner und Nikoläuse seit Anfang Dezember. Im Sportverein, in der Kita, in der Schule. Im Kaufhaus. Auf dem Weihnachtsmarkt. Sogar in der S-Bahn, auf dem Weg von A nach B.

Es hagelt Dominosteine.

Eine Familienkarte fürs Riesenrad kostet 18 Euro.

Hier, junger Mann, noch ein Lebkuchen!

Die Kinder – wandelnde Süßwarencontainer mit Rotznasen – sind mehr verwirrt als erleuchtet. Warum erscheint in der Kita der Weihnachtsmann, zu Hause jedoch das Christkind? Wie kommt es, dass der Nikolaus dem Weihnachtsmann so ähnlich sieht? Jakob hat gesagt, der wohnt in Norwegen, aber ich hab’ ihn doch in Himmelpfort besucht? Und ist der im Kaufhof sein Cousin?

Jesus wird geboren, der Zauber stirbt

In der Familien-Telefon-Gruppe geht es zur Sache. Wunschlisten her, bitte zügig, das Fest kommt immer so plötzlich, verzweifeltes Emoji! Jemand schickt eine Amazon-Wunschliste. Und morgen liefert ein überforderter Bote die Päckchen von Tante Betty aus.

Höchste Zeit, es einmal ganz klar zu sagen: Ich möchte das nicht! Keine Geschenkberge, nicht für mich und schon gar nicht für die Kinder. Deren Zimmer ist bereits gut gefüllt mit Lego und Playmobil. Ich weiß das zufällig ganz genau, gestern Nacht hat sich der Helm eines Feuerwehrmännchens in meine Fußsohle gebohrt. Mit Visier.

Gerade erst hatte wieder ein Kind Geburtstag. Das Zeug aus dem Adventskalender fliegt auch noch rum. Zeit, damit zu spielen, ist rar. Was die, die sich leuchtende Kinderaugen wünschen, gerne vergessen: Bekommen kleine Kinder zu viele Geschenke, drehen sie erst durch und stumpfen dann ab. Sie werden fürchterlich rammdösig. Unsere jedenfalls.

Jesus wird geboren, der Zauber stirbt.

Dabei könnte anders so einfach sein: Liebe Großeltern! Schnappt euch einfach die Kinder und macht einen Waldspaziergang, statt ein Pop-up-Buch „Der Wald“ zu kaufen. Erklärt ihnen das Grünzeug, von mir aus mit Baumbestimmungs-App. Ihr findet, es sei zu matschig, zu dunkel, zu kalt draußen? Habt ihr schon vergessen, dass Kinder glitschige Stämme, tiefe Pfützen und schlammigen Schlamm fast genauso lieben wie euch?

Eine Ritterburg muss man nicht kaufen, man kann sie aus Klorollen bauen

Die Augen eines Zweijährigen glimmen, wenn er ein Schneckenhaus findet oder einen Tautropfen von Grashalm zu Grashalm schiebt. Ein Sechsjähriger kann sich mit euch zusammen überraschend lange mit einem Ast und einem Taschenmesser beschäftigen. (Sie lesen hier nicht die neue „Landlust“. Ich bin überzeugt, dass sowas Kindern gut tut.)

Das Wichtigste ist: Ihr, die Großeltern, seid dabei – und zwar nicht nur anwesend, sondern hundertprozentig im Hier und Jetzt. Kein x-tes Kuscheltier kann so eine gemeinsame Erinnerung ersetzen.

Übrigens: Auch eine Ritterburg muss man nicht kaufen, die kann man super aus Klorollen bauen.

Erinnere ich mich noch an die Weihnachtsgeschenke meiner Großeltern? Ja, klar, es gab jedes Jahr eine Garnitur Frottee-Unterwäsche und einen Briefumschlag mit Geldscheinen. Dankbarer bin ich ihnen dafür, dass sie mir gezeigt haben, wie man Kirschen entsteint, Mett in Schweinedärme stopft und in der Kirche aus voller Kehle, aber schief singt.

Also hört bitte auf, euch mit zu vielen Geschenken für die Kinder selbst zu beschenken. Macht ihnen und uns die Freude: Spendet das gesparte Geld. Bitte.

Nun das Finale mit Werther’s-Echte-Geschmack, ist ja bald Weihnachten: Der kleine Junge besitzt seine Dampflok heute noch. Jahrzehntelang lag sie in Watte gepackt in einer Schublade, jetzt hat er sie hervorgekramt. Und gerade hat er versprochen, sie für die Enkel wieder auf die Spur zu bringen.

Dieser Text erschien zunächst am 17. Dezember 2016 als Rant in unserer gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

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