Elektromobilität: Raus aus der Diesel-Falle
Fahrverbote und falsche Abgaswerte lassen Verbraucher und Unternehmen nach Alternativen suchen. Elektroautos verkaufen sich trotzdem schlecht.
Wenn die Dieselwolken in Großstädten wie Stuttgart dicker werden, verkaufen sich Elektroautos leichter. Sollte man meinen. Doch aus dem Fahrverbot für Dreckschleudern lassen sich kaum Schlussfolgerungen auf die Attraktivität der Stromer ziehen. „Diesel-Verbote helfen vor allem Benzinern“, sagt Ferdinand Dudenhöffer. Verbrenner ersetzen Verbrenner. „Die Elektromobilität wird davon wenig haben.“ Bestenfalls würden ältere Diesel durch Hybride ersetzt, glaubt der Duisburger Autoexperte. Die haben aber neben dem E-Motor auch noch einen Benzinantrieb an Bord. Auch Kollege Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) sieht Deutschland nicht als Vorreiter bei der Diesel-Verbannung. „Dazu ist der Druck der Autoindustrie viel zu groß“, sagt Bratzel.
Dudenhöffer und Bratzel beobachten den Markt für Elektromobile schon lange. Das größte Hindernis für den Durchbruch der sauberen Technologie sieht Dudenhöffer nicht bei Kunden und Herstellern – sondern in der Politik. „Man spürt förmlich das Desinteresse der Berliner Koalition an Elektroautos, wenn man die Zahlen sieht“, sagt er. Etwas mehr als 25 000 batterieelektrische Autos und Plug-in-Hybride wurden 2016 zugelassen, der Marktanteil liegt bei 0,3 Prozent. Obwohl aktuell 33 verschiedene elektrische Fahrzeugmodelle von deutschen Herstellern und 25 Modelle ausländischer Hersteller auf dem Markt sind.
Kaum Bewegung beim Thema Elektromobilität
Die Fahrverbote für Diesel dürften niemanden überraschen, sagt Dudenhöffer, denn dass Dieselautos schmutziger sind, als die Hersteller offiziell angeben, sei seit Jahren bekannt. „Nun verteilt die Politik den schwarzen Peter und lässt sich von Gerichten das Heft des Handelns aus der Hand nehmen.“ Wirksam gegen den Diesel sei nur die Aufhebung der Steuervergünstigung an der Tankstelle.
Obwohl seit 2009 mehrere Milliarden Euro in die Förderung von Forschung und Entwicklung der Elektromobilität gesteckt und 2016 eine weitere Milliarde unter anderem für die Kaufprämie zur Verfügung gestellt wurde, bewegt sich der sonst agile Automarkt beim Thema Elektromobilität wie eine Schnecke. In den kommenden Tagen wird sich zeigen, dass die Zahl der Kaufprämien-Anträge auch im Februar kaum gestiegen ist. Bis Ende Januar registrierte das zuständige Bundesamt nur knapp 11 000 Anträge. Der Fördertopf reicht für 300 000.
Zögerlich sind auch Unternehmen und Freiberufler, die zusätzliche Finanzierungshilfen der staatlichen Förderbank KfW in Anspruch nehmen können (siehe Artikel rechts). 2016 reichte die KfW aus ihrem Umweltprogramm nur an sechs Unternehmen insgesamt rund 500 000 Euro für die Anschaffung von E-Fahrzeugen aus. 2015 waren es zwei Millionen Euro für 15 Unternehmen, allerdings waren darin nach Auskunft eines Sprechers auch Fahrzeuge mit anderen Antriebsformen (z. B. Erdgas) enthalten.
Hunderte Flottenfahrzeugen in Hauptstadtregion
Ohne Angebot keine Nachfrage: Elektrische Lieferfahrzeuge, Transporter, leichte und schwere Lkw sowie Busse haben deutsche Hersteller noch nicht im Angebot. Die Einschätzung der Autobauer, dass Handwerker, Lieferfirmen und andere Gewerbetreibende erst in einigen Jahren auf E-Mobile umsatteln, war falsch. Der Bedarf ist da. Dies zeigte sich auch bei dem vom Bund geförderten Projekt „InitiativE“ der Berliner Agentur für Elektromobilität (Emo). Seit Anfang 2014 schafften Unternehmen in der Hauptstadtregion 370 elektrische Flottenfahrzeuge an. Bis Ende 2016 begleitete das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Projekt.
„Zwei Drittel der Unternehmen wollen nicht mehr zu konventionellen Fahrzeugen zurückkehren“, berichtet Viktoriya Kolarova vom DLR. Eine erste Auswertung zeige: Elektro-Dienstwagen sind alltagstauglich, haben bei Nutzern und Geschäftspartnern ein positives Image und sie befriedigen in den allermeisten Fällen die Mobilitätsbedürfnisse der Unternehmen. Wichtiger noch: Gewerbliche E-Autos können sich heute schon rechnen. „Das hängt natürlich von der Fahrleistung und vom Fahrzeugtyp ab“, sagt Viktoriya Kolarova. „Je höher die Fahrleistung und je günstiger der Strom, desto größer ist die Wirtschaftlichkeit der E-Fahrzeuge.“
Diese Erfahrung machen auch die landeseigenen Berliner Verkehrsbetriebe, die im Rahmen der „InitiativE“ 100 von 105 Flotten-Fahrzeugen durch E-Autos ersetzt haben. „Wir rechnen mittelfristig mit einer jährlichen Einsparung von rund 1000 Euro je Fahrzeug“, erklärt das Unternehmen. Auch müssten deutlich weniger Kosten für Wartung und Instandhaltung berücksichtigt werden. Kalkuliert wird mit einer „Kostenoptimierung um 35 bis 45 Prozent“. Allerdings geht man davon aus, dass sich bei den aktuell hohen Anschaffungskosten für E-Fahrzeuge der Tausch für die BVG erst nach einer Nutzungszeit von sechs Jahren rechnet.
Online-Tools kalkulieren verschiedene Preise
Unternehmen, die eine Entscheidungshilfe benötigen, finden inzwischen Online-Tools, die die Gesamtkosten eines E-Wagens im Vergleich zum Diesel oder Benziner kalkulieren. Im vergangenen Jahr ging der Rechner online, den das Öko-Institut im Auftrag des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) entwickelte. In die Berechnung fließen Faktoren wie Anschaffungskosten, Ladeinfrastruktur, Kraftstoffe und Strom, Werkstattbesuche, Steuer und Versicherung, Abschreibung für Abnutzung sowie Fahrzeugrestwert ein.
Der ADAC legte Anfang des Jahres einen Kostenvergleich für private Nutzer vor. Danach haben vor allem Plug-in-Hybride die Nase vorn. Die Autokosten von 13 dieser Fahrzeuge liegen bei 26 Vergleichen unter denen der Diesel- und Benziner-Modelle. Schlechter schnitten rein elektrische Modelle ab – trotz 4000 Euro Kaufprämie. Bei 27 Modellvergleichen waren nur sechs Elektroautos günstiger als konventionelle Modelle. Wichtigster Grund: der hohe Anschaffungspreis.