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Der Staat hält noch immer Anteile an der Deutschen Post.
© Sebastian Kahnert/dpa

Telekom, Post, Bahn: Privatisierung von Staatskonzernen: Fluch oder Segen?

Der Bund ist an 108 Unternehmen beteiligt. Telekom, Post und Bahn werfen satte Gewinne ab. Dennoch sagen Kritiker: Weg mit den Anteilen.

Solche Nachrichten hört ein Bundesfinanzminister gern. Kürzlich meldete die Deutsche Bahn einen weltweiten Gewinn von 765 Millionen Euro. Ein Großteil dieser Millionen landet in der Kasse des neuen Herrn der Bundesfinanzen, Olaf Scholz (SPD). Die Bahn gehört zu 100 Prozent dem Bund – und das wird auch so bleiben. Denn im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf geeinigt, sämtliche Privatisierungsideen, die es in der Vergangenheit rund um den Schienenkonzern gegeben hat, erst einmal zu begraben.

Mit Jamaika wären die Dinge wohl anders gelaufen. FDP-Chef Christian Lindner hätte in einer Koalition aus Union, Grünen und Liberalen darauf gedrängt, dass sich der Bund von seinem Tafelsilber trennt – oder zumindest von großen Teilen. In ihrem Wahlprogramm hatte die FDP explizit den Verkauf der verbleibenden Staatsanteile an der Telekom und der Post ins Spiel gebracht. Dem Bund hätte das Milliarden gebracht, die er in Steuersenkungen, den Breitbandausbau oder neue Schulen hätte stecken können. In der neuen Regierung ist die Privatisierung aber vorerst kein Thema.

Bund der Steuerzahler fordert Verkäufe

Dabei stehen viele der Großkonzerne, an denen der Bund noch Aktien hält, gut da. Sowohl die Telekom als auch die Post konnten in den vergangenen Wochen Milliardengewinne melden. Der Bund der Steuerzahler sieht daher beim Bund „ein hohes Potenzial für Privatisierungen“. Verbandspräsident Reiner Holznagel drängt darauf, dass sich der Bund von der Telekom, der Post und der Bahn trennt. „Ein Verkauf der Telekom-Aktien würde dem Staat rund 20 Milliarden Euro bringen“, sagte Holznagel dem Tagesspiegel. Bei der Bahn sollten Netze und Bahnhöfe zwar in Staatshand bleiben, das Hauptgeschäft mit dem Bahnverkehr müsse jedoch abgestoßen werden.

Handlungsbedarf sieht der Steuerzahlerbund aber besonders bei der Post – wegen des Interessenskonflikts: Weil die Post noch immer eine marktbeherrschende Rolle einnehme, werde sie von der Bundesnetzagentur und dem Kartellamt im Auftrag der Regierung kontrolliert. Auf der anderen Seite habe der Bund aber ein starkes Interesse an einer profitablen Post. „Unter dem Strich plädiere ich für einen Verkauf der Post-Aktien – das würde dem Staat fast zehn Milliarden Euro einbringen“, schlägt Holznagel vor.

Staat kann steuernd eingreifen

An 108 Unternehmen ist der Bund noch direkt beteiligt. Neben Post, Telekom und Bahn zählen die Flughäfen BER, München und Köln dazu und die Kreditanstalt für Wiederaufbau, aber auch Exoten wie die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch GmbH, die Bayreuther Festspiele GmbH oder die LH Bundeswehr Bekleidungsgesellschaft mbH. An der Commerzbank hält der Bund noch gut 15 Prozent. In der Finanzkrise Anfang 2009 hatte der Bund über den Rettungsfonds Soffin Aktien im Wert von damals fünf Milliarden Euro übernommen. Aktuell ist die Beteiligung allerdings weniger als die Hälfte wert.

Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hält die Privatisierungen des Bundes dennoch im großen und ganzen für eine Erfolgsgeschichte. Post, Telekom und Lufthansa stehen im europäischen Vergleich gut da, betont der Wissenschaftler. Anders als Holznagel warnt Gornig davor, die Anteile zu verkaufen. Der Staat könne über die Beteiligungen steuernd eingreifen – etwa was die Versorgung des ländlichen Raums angehe oder das Gemeinwohlinteresse. Auch in der VW-Affäre habe sich der Einfluss des Landes Niedersachsen, das mit gut zwölf Prozent an VW beteiligt ist, positiv ausgewirkt.

Sinkende Preise und mehr Auswahl

Verbrauchern haben die Privatisierungen sinkende Preise, ein größeres und vielfältiges Angebot gebracht. Vergessen sind die Zeiten, in denen ein zehnminütiges Ferngespräch innerhalb Deutschlands 2,93 Euro kostete. „Die Privatisierung war für die Kunden grundsätzlich gut“, sagt Ingmar Streese vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Wichtig sei aber, dass die Aufsichtsbehörden ein kritisches Auge auf das Geschäftsgebaren haben, schwarze Schafe aus dem Verkehr ziehen und der Entstehung von Oligopolen wie jetzt im Strombereich rund um Eon, Innogy und RWE entgegenwirken. Und eine Kehrseite habe das große Angebot mit seinen vielen Tarifen doch auch. „Die Komplexität ist vielen Menschen zu hoch“, gibt Streese zu bedenken.

Bahn, Post, Telekom & Co

Die Bundesdruckerei fertigt Ausweise, Banknoten, Briefmarken, Visa und Fahrzeugdokumente an.
Die Bundesdruckerei fertigt Ausweise, Banknoten, Briefmarken, Visa und Fahrzeugdokumente an.
© dpa

Bundesdruckerei

„Der Hans hat schon Dollarzeichen in den Augen.“ Das soll man im Jahr 2000 über Finanzminister Hans Eichel (SPD) gesagt haben, als er die Bundesdruckerei verkaufen will: jenes Unternehmen, das Euro-Scheine und Ausweise herstellt. Eichel will damals den Bundeshaushalt sanieren und braucht Geld. Entsprechend groß ist die Freude, dass der britisch-amerikanische Investor Apex für die Bundesdruckerei eine Milliarde Euro bezahlen will. Doch die Erfolgsgeschichte endet schnell. Der Investor kauft das Unternehmen auf Pump und will daher so schnell wie möglich Rendite sehen. Es gibt Sparprogramme und Entlassungen.

Bereits zwei Jahre nach ihrem Verkauf steht die Bundesdruckerei kurz vor der Insolvenz. Für einen symbolischen Euro geht sie an zwei Vermögensverwalter. Der Bund, der bis dahin den Kaufpreis noch immer nicht voll erhalten hat, stundet 310 Millionen Euro. Konkurrent Giesecke & Devrient will die Bundesdruckerei damals gerne übernehmen – doch in der Politik bekommt man Skrupel. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 setzt sich die Meinung durch: Ein Unternehmen, das mit hochsensiblen Daten wie Ausweisdokumenten umgeht, sollte nicht in privater Hand sein. 2009 wird die Bundesdruckerei wieder voll verstaatlicht.

Lufthansa

Jeder ordentliche Staat braucht eine eigene Fluggesellschaft, dachte man lange. Eine Airline ist die wichtigste Botschafterin eines Landes, sichtbar in der ganzen Welt. So sieht man das bis heute in den Emiraten am Arabischen Golf, wo die drei großen Airlines Emirates, Qatar und Etihad den jeweiligen Herrscherhäusern gehören. Hierzulande brachte die Bundesregierung einen kleinen Teil der 1955 neu gegründeten Lufthansa 1963 an die Börse. Noch bis 1994 blieb das Unternehmen aber die „offizielle“ Fluggesellschaft der Bundesrepublik. Unter Finanzminister Theo Waigel (CSU) schmolz der Staatsanteil unter 50 Prozent. 1997 trennte sich der Bund dann auch von den verbleibenden 37,5 Prozent.

Die vollprivatisierte Lufthansa nutzte diese neue „Freiheit“ und ist unter anderem wegen der Übernahmen der einstigen Staatsfluglinien Österreichs und der Schweiz Europas größter Luftfahrtkonzern. Dieser kann es sich mehr als ein Staatsunternehmen leisten, zähe Arbeitskämpfe mit der Belegschaft auszufechten – um am Ende Renditeerwartungen von Privatanlegern zu erfüllen. Sonderbar ist: Wenn die Lufthansa nach Unterstützung ruft, wie etwa bei der Übernahme der Air Berlin, wird sie bis heute im politischen Berlin sofort gehört.

 Die Lufthansa ist das größte Luftverkehrsunternehmen Europas.
 Die Lufthansa ist das größte Luftverkehrsunternehmen Europas.
© dpa

Telekom

Für Manfred Krug war es „der größte berufliche Fehler“. 1996 sagt der inzwischen verstorbene Tatort-Kommissar im Werbespot: „Die Telekom geht an die Börse, und ich gehe mit.“ Viele Deutsche überzeugt das, sie kaufen die neuen „Volksaktien“, obwohl ein Großteil von ihnen noch nie an der Börse aktiv war. Gleich zwei Mal legt der Konzern noch nach und verteilt weitere Anteile an Aktionäre. Der Staatsbesitz sinkt erst auf 65, dann auf 58 Prozent. Doch dann platzt die Dotcom-Blase und die Kurse brechen ein – in Panik steigen die Anleger aus und verlieren so ihre Ersparnisse. Krug entschuldigt sich. Auch heute noch liegt die Aktie unter den früheren Ausgabepreisen.

Das zeigt, wie heikel es sein kann, einen früheren Staatsbetrieb an die Börse zu bringen. Heute hält der Bund immer noch 14,3 Prozent der Anteile direkt an der Telekom, weitere 17,4 über die staatliche Förderbank KfW. Daher werde der Konzern jedoch geschützt, monieren Kritiker und verweisen auf den Breitbandausbau, wo die Telekom weiter auf die alten Kupferkabel setzt, statt Glasfaser zu legen. FDP und Grüne wollten die Anteile daher verkaufen und die Einnahmen in den Netzausbau stecken. Auch CDU-Politiker wie der Wirtschaftsexperte Carsten Linnemann plädierten dafür. Doch die Große Koalition hat keine entsprechenden Pläne. Sie profitiert von Dividendenzahlungen. Die Einnahmen hat auch der neue Finanzminister Olaf Scholz (SPD) fest eingeplant: Eine Milliarde Euro könnten dieses Jahr fließen.

Die Telekom-Aktien brachten viele Anleger um ihr Geld.
Die Telekom-Aktien brachten viele Anleger um ihr Geld.
© dpa

Deutsche Post

Mehr als 20 Jahre liegt die Privatisierung der Post zurück. 1995 wurde die einstige Deutsche Bundespost in eine Aktiengesellschaft verwandelt, im Jahre 2000 wurde sie an die Börse gebracht. Vor gut zehn Jahren endete schließlich ihr Briefmonopol. Aus einem behäbigen Staatskonzern wurde seitdem ein flexibler und weltweit agierender Dienstleister, der Milliardengewinne macht. Mit Paketboxen, einem selbst entwickelten Elektrotransporter und Versuchen mit Lieferdrohnen und Zustellrobotern baut die Deutsche Post AG gerade eine neue Logistikwelt, in der Verbraucher die Wahl haben: Zwischen Wunschzeit der Zustellung, Wunschnachbar und Wunschfiliale.

Sogar die Bundesnetzagentur sagt – trotz der vielen Beschwerden über die Post – dass es die Kunden heute viel besser hätten als früher. Ein Beispiel: Anfang der 90er hatten die Filialen 18 Stunden in der Woche geöffnet. Heute haben sie jeden Tag auf, von früh bis spät, oft auch samstags. Es gebe nicht die „gute, alte Zeit“, sondern nur „die alte Zeit“, sagt Steffen Lippert von der Bundesnetzagentur. Der Wettbewerb führt jedoch dazu, dass die Post Billig-Tochterfirmen betreibt und die Tarife aushöhlt, kritisiert Verdi. „Seit der Privatisierung ist die Post vom Kapitalmarkt getrieben“, sagt Gewerkschafterin Sigrun Rauch. „Dadurch ist es für die Beschäftigten härter geworden.“

Die Deutsche Post ist ein weltweit agierender Dienstleister
Die Deutsche Post ist ein weltweit agierender Dienstleister
© dpa

Deutsche Bahn

Zurück in die Zukunft – so könnte man die Reise des Staatskonzerns Deutsche Bahn (DB) beschreiben. Zwar wird nicht gleich die alte Bundesbahn restauriert. Doch der Schienenkonzern – seit der Bahnreform 1994 in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft – rückt wieder näher an seinen Eigentümer heran. Dem Bund gehören zwar schon 100 Prozent, doch im bisherigen Geschäftsmodell hatte der Bahn-Vorstand die Freiheit (und Pflicht), einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Die neue Bundesregierung stellt die Weichen anders.

„Für uns steht als Eigentümer der Deutschen Bahn AG nicht die Maximierung des Gewinns, sondern eine sinnvolle Maximierung des Verkehrs auf der Schiene im Vordergrund“, heißt es auf Seite 78 des Koalitionsvertrages. Das heißt: Der Staat verzichtet auf Dividende zugunsten eines dichteren, komfortableren und pünktlicheren Bahnangebots. Das politische Ziel: Bis 2030 soll sich die Zahl der Bahnreisenden verdoppeln, Bahnhöfe, Infrastruktur und Technik sollen modernisiert werden. Aber: „Eine Privatisierung der Bahn lehnen wir ab.“

Pläne für einen Börsengang, wie sie der frühere Bahn-Chef Hartmut Mehdorn verfolgt hatte, gibt es nicht mehr. Der amtierende Bahn-Chef Richard Lutz setzt stattdessen auf Kundenfreundlichkeit – die Ergebnisse können sich sehen lassen, wie er in dieser Woche mit den Geschäftszahlen für 2017 gezeigt hat. Im Aufsichtsrat werde Lutz bald mehr Politiker kontrollieren. Ihr Augenmerk dürfte der größten Baustelle im Konzern gelten: dem defizitären Güterverkehr.

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