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Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner.
© dpa/ Michael Kappeler
Update

FDP-Chef: Lindner kann sich Neuanlauf für Jamaika-Koalition vorstellen

Christian Lindner hält Gespräche über eine Jamaika-Koalition noch immer für möglich - nach einer Neuwahl. Von Seiten der SPD, der Grünen und der Linken erhält der FDP-Chef Kritik.

FDP-Chef Christian Lindner hält einen weiteren Anlauf zur Bildung einer Jamaika-Koalition im Falle einer Neuwahl für möglich. „Diese Wahlperiode macht es keinen Sinn, aber die Freien Demokraten würden sich Gesprächen nicht verweigern, wenn eine geänderte politische und personelle Konstellation mehr Erfolg verspricht als 2017“, schrieb Lindner am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter.

Schon bisher hatte Lindner erneute Gespräche über die Bildung einer Regierung aus Union, Grünen und FDP explizit nur für die aktuelle Legislaturperiode ausgeschlossen. In dieser Deutlichkeit sind seine Äußerungen aber neu. Der „Wirtschaftswoche“ sagte er: „Bei CSU und Grünen gibt es eine neue Führungsmannschaft. In neuen Konstellationen wird neu gesprochen.“ Auch eine schwarz-gelbe Koalition sei für ihn eine Option. "Oder die SPD erneuert sich und erinnert sich an Gerhard Schröder, wie es Sigmar Gabriel derzeit wohl tut“, sagte Lindner der Wirtschaftswoche.

Stegner: "Lindner merkt, dass er sich verzockt hat"

Von Seiten der Grünen, der SPD und Linken erhielt Lindner deutliche Kritik. "Lindner merkt, dass er sich verzockt hat. Man kann seine Äußerungen nicht mehr ernst nehmen", sagte SPD-Vize Ralf Stegner am Donnerstag dem Tagesspiegel.

"Mit seiner Verantwortungsflucht aus den Jamaika-Sondierungen hat Christian Lindner Schiffbruch erlitten. Jetzt will er offensichtlich persönliche Schadensbegrenzung betreiben und versucht, von seiner Fehlentscheidung mit einer fadenscheinigen Begründung abzulenken", sagte Grünen-Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter. CSU und Grüne seien mit der CDU bereit gewesen, Verantwortung für unser Land zu übernehmen. Inhaltliche Gründe für den Abbruch der Sondierungen habe es nicht gegeben. "Es war Christian Lindner, der sich persönlich davon gestohlen hat. Daran ändern seine neuen Einlassungen nichts", so Hofreiter weiter.

Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sagte dem Tagesspiegel: „Offenbar haben die Finanziers der FDP aus der Wirtschaft Herrn Lindner jetzt doch klar gemacht, dass sie ihn nicht für schöne Parlamentsreden bezahlen, sondern für ihr Geld auch handfeste Gegenleistungen erwarten, etwa weitere Steuersenkungen für Unternehmen und Superreiche, weiteren Sozialabbau und noch mehr Privatisierungen." Klar sei, dass eine opponierende FDP da nicht liefern könne, während solche Forderungen mit der CDU/CSU und den bis zur Selbstaufgabe kompromissbereiten Grünen in einer Jamaika-Regierung durchsetzbar gewesen wären, sagte Wagenknecht. "Dass Lindner diese Chance verspielt hat, haben ihm sicher die potentiellen Nutznießer einer forcierten staatlichen Reichtumspflege übel genommen."

Am Donnerstagnachmittag teilte Lindner ebenfalls über Twitter mit, dass sich seine Position seit dem Scheitern der Jamaika-Gespräche im November nicht verändert habe. "Auf Nachfrage der Wirtschaftswoche vertrete ich zu Jamaika nahezu wortgleich dieselbe Position, die ich seit Wochen vertone", schrieb Lindner. Diese sei in einem einstimmigen Präsidiumsbeschluss am 5. Dezember fixiert worden. "Und dennoch hat das Newsvalue... Man wundert sich", schreibt Lindner weiter.

Niedrigste Umfragewerte seit der Bundestagswahl

Anfang Dezember hatte schon FDP-Vize Wolfgang Kubicki für Spekulationen über einen weiteren Anlauf für eine Jamaika-Koalition gesorgt. „Eines ist doch klar: Scheitert die GroKo, haben wir eine andere Lage“, sagte Kubicki den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Lindner schloss damals eine Jamaika-Koalition für die aktuelle Legislaturperiode aus.

Die FDP hatte die Sondierungsgespräche mit CDU, CSU und Grünen Mitte November platzen lassen. Seither sind die Umfragewerte der Partei deutlich abgesackt. Auch von Wirtschaftsvertretern gab es deutliche Kritik. Erst vor wenigen Tagen war die FDP in der Wählergunst laut einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" auf den niedrigsten Wert seit der Bundestagswahl abgesackt. Im "Sonntagstrend" erreichten die Liberalen nur noch acht Prozent, einen Punkt weniger als in der Vorwoche. Bei der Bundestagswahl hatte die FDP 10,7 Prozent erreicht.

Ex-Minister Baum geht auf Distanz zu Lindner

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum ging erst am Donnerstag auf Distanz zu Parteichef Lindner. Es sei eine Meisterleistung Lindners gewesen, die Partei erneuert und wieder in den Bundestag gebracht zu haben, sagte Baum dem Redaktionsnetzwerk Deutschland laut einem Vorabbericht. "Jetzt ist nach dem Aus bei den Sondierungen eine neue Phase eingetreten." Die Verantwortung für den Abbruch werde vor allem der FDP zugeschrieben. "Die FDP trägt jetzt eine Last mit sich. Sie hat einen Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust erlitten."

Schaue man sich die Umfragen genau an, zeige sich Unzufriedenheit bei Stammwählern und neuen Wechselwählern, insbesondere aus wirtschaftsnahen Kreisen, sagte Baum. "Sich einer Wahl zu stellen heißt vor allem, zur Übernahme von Verantwortung bereit zu sein und auch unangenehme Kompromisse zu schließen. Ich hätte das gewagt", fügte der 85-Jährige hinzu. Er riet, die Absage dürfe nicht zementiert werden. Die Liberalen müssten koalitionsoffen bleiben. (mit dpa)

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