Stellenabbau bei Siemens: Michael Müller fordert Bekenntnis zu Berlin
Michael Müller kommt ins Siemens-Gasturbinenwerk in Moabit. Er will ein Signal gegen den geplanten Stellenabbau setzen - und erntet betretene Blicke der Manager.
Zum Abschied bekommt der Regierende Bürgermeister eine kleine, glänzende Turbinenschaufel vom Betriebsratschef Günter Augustat geschenkt. „Für Ihren Senatstisch“, sagt der Siemens-Mann. „Als Symbol für die vielen Schaufeln, die hier noch produziert werden“, antwortet Michael Müller. Die Replik freut den Betriebsrat, die anwesenden Siemens-Manager lächeln dünn. Sie wollen die Schaufeln künftig in Budapest bauen lassen. Und noch ein paar weitere Komponenten sollen auf andere Standorte verteilt werden, sodass im Berliner Werk 500 Arbeitsplätze wegfallen. Die Arbeitnehmervertreter wehren sich dagegen. Und sie hoffen auf Müller.
Betriebsrat und IG Metall haben Müller an diesem Tag Ende Mai ins Gasturbinenwerk nach Moabit eingeladen. Die Riesenfabrik an der Huttenstraße ist ein Klassiker auf dem Besuchsprogramm von Politikern; denn das Werk bietet eine ungewöhnliche Symbiose von Industriearchitektur, mehr als 100 Jahre alt, und Hochtechnologie des 21. Jahrhunderts. 3800 Mitarbeiter produzieren mitten in einer Millionenstadt, unter anderem in einer 220 Meter langen, von Peter Behrens entworfenen Halle, Turbinen für Gaskraftwerke in aller Welt. Die größte wiegt 440 Tonnen, ist 17 Meter lang und sieben Meter hoch. Weltklasse aus Moabit.
Müller: "Ein bitterer Bericht"
Michael Müller bezeichnet Siemens als „unseren wichtigsten Partner“ in der Industriepolitik, weshalb er auch kurz nach seiner Wahl zum Regierenden Bürgermeister die Berliner Werkleiter getroffen habe. Müller geht in leichten Angriffsmodus über. „Es ist schwer nachvollziehbar, dass es nicht möglich ist, den Standort und die Arbeitsplätze zu sichern.“ Aus Bayern ist Willi Meixner angereist, Chef der Sparte Power und Gas und erläutert das Kalkül der Konzernchefs: In Europa sei der Markt zusammengebrochen, auch in Folge der deutschen Energiewende rechnen sich Gaskraftwerke nicht mehr. Die Turbinenpreise seien in den letzten drei Jahren um 30 Prozent gefallen. Also ist „Optimieren“ der Fertigung angesagt.
„Ein bitterer Bericht“, kommentiert Müller gallig Meixners Ausführungen. „Will auch noch mal nachhaken“, beginnt der Senatschef gerne seine Einwände. Ob man nicht auch anders reagieren könne. Und wie denn überhaupt die Perspektive der Huttenstraße sei. Müller vermisst ein Bekenntnis zum Standort, der immerhin 110 Jahre alt ist. 1000 Turbinen wurden in Moabit gebaut. Und dann zählt der Bürgermeister die fetten Investitionen von Mercedes und BMW in Berlin auf und den Stellenzuwachs bei der Bahn. „Das habe ich von Siemens noch nicht gehört. Wie sehen die harten Zusagen aus?“ Meixner und der Berliner Siemens-Statthalter Udo Niehage starren auf die Tischplatte. Müller nimmt die Schärfe raus. „Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich das so direkt anspreche, aber wir sind Partner.“
Am Mittwoch wird gefeiert
Partner sind an diesem Nachmittag vor allem Müller und Betriebsrat Augustat. Und auch Standortleiter Herbert Klausner gehört dazu, der die Gäste über das Gelände führt und sehr stolz die einzelnen Produktionsschritte erläutert. Offenkundig will er keine Komponenten verlieren. „Das Werk brummt“, sagt Augustat. Die Exportquote der Huttenstraße, wo 1000 Beschäftigte in der Fertigung und der überwiegende Teil in Forschung, Entwicklung und Kundendienst tätig sind, liege bei 90 Prozent.
In den USA baut Siemens auch Gasturbinen. Und weil die Amerikanerin Lisa Davis als Konzernvorstand für den Energiebereich zuständig ist, sieht Augustat sein Werk von einer „absoluten Amerikaorientierung“ bedroht. Wenn an der Huttenstraße Produkte abgezogen würden, gebe es Know-how-Verlust. „Was an Arbeit weg ist, das kommt nicht mehr wieder“, sagt der Betriebsratschef. Meixner gibt sich konziliant: In den kommenden Wochen werde man mit den Arbeitnehmervertretern über die Vorschläge verhandeln, doch immer das Ziel der Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten.
Erstmal wird gefeiert. Am kommenden Mittwoch unterzeichnet der ägyptische Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi im Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit Siemens-Chef Joe Kaeser einen Vertrag über die Lieferung von 24 Turbinen. Allein dieser Auftrag lastet das Musterwerk in Moabit über zwei Jahre aus. Augustat appelliert an Müller, zu helfen, „dass wir dieses Schätzchen in Moabit als Schaufenster der Hochtechnologie in Berlin erhalten können“.