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Ägyptens Präsident Al Sisi wird kommende Woche nach Berlin reisen. Im Vorfeld gibt es heftige Kritik an Deutschlands Kooperation mit den ägyptischen Sicherheitsdiensten.
© dpa

Vor Al Sisi Besuch in Berlin: Kritik an Polizeizusammenarbeit mit Ägypten

Ägyptische Polizisten beim DFB-Pokalfinale, Geheimdienstler zu Besuch beim Bundeskriminalamt und ein Expertenaustausch zur "Terrorismusbekämpfung" - die Bundesregierung will ihre Kooperation der Sicherheitskräfte mit Ägypten ausbauen.

Eine Woche vor dem Staatsbesuch von Präsident Abdel Fattah al Sisi in Berlin wächst die Kritik an der Zusammenarbeit von deutschen und ägyptischen Sicherheitsdiensten, die die Bundesregierung trotz schwerer Menschenrechtsverstöße und haarsträubender Polizeiwillkür am Nil ausbauen will. Vertreter der Oppositionsparteien und Verteidigungsexperten kritisierten die Pläne als ein falsches Signal in der jetzigen Situation.

Was wird kritisiert?

Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Tom Koenigs, sagte dem Tagesspiegel, die deutsche Außenpolitik müsse darauf abzielen, die Menschenrechtsverletzungen in Ägypten zu stoppen. „In Verbindung mit diesem Ziel kann die punktuelle Unterstützung ägyptischer Sicherheitskräfte sinnvoll sein, sofern sie der Rückkehr zum Rechtsstaat dient. Davon ist im Fall von Ägypten erstmal noch nicht auszugehen“, sagte Koenigs. „Deshalb halte ich eine Kooperation mit den ägyptischen Sicherheitsbehörden gegenwärtig für nicht sinnvoll.“ Verteidigungsexperte Otfried Nassauer kritisierte: „Eine solche Kooperation ist immer ein zweischneidiges Schwert. Die Politik macht sich selbst etwas vor, wenn sie glaubt, solche autokratischen Regime hätten ein ernsthaftes Interesse an Deeskalationsstrategien.“
Es gebe von Seiten des ägyptischen Regimes keinen echten Willen, den Polizeiapparat zu reformieren, argumentierte auch die grüne Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner bei einem Besuch in Kairo. Stattdessen befinde sich die Polizei auf einem Rachefeldzug gegen Andersdenkende. Der Abgeordnete der Linken, Andrej Hunko, forderte, „die geplanten Kooperationen deutscher Polizeibehörden und Geheimdienste zu annullieren“

Was ist über die ägyptische Polizei und den Geheimdienst bekannt?

Die ägyptische Polizei gilt als brutal, korrupt und unfähig. Haft, Folter und Morde an Oppositionellen in den Geheimverließen der Staatssicherheit, die damals noch SSI hieß, zählten 2011 zu den Hauptgründen für den Arabischen Frühling. Nach dem Sturz von Mohamed Mursi durch die Armee Mitte 2013 wurden die im Verborgenen operierenden Schnüffler und Prügler, deren Zahl auf 100 000 geschätzt wird, durch Ex-Feldmarschall Sissi unter neuem Namen voll rehabilitiert. Neben NSS und GIS, der für die Terrorbekämpfung zuständig ist, besitzt Ägypten auch einen Militärgeheimdienst, den der heutige Staatschef von 2008 bis 2012 leitete.

Wie soll die Kooperation genau aussehen?

Obwohl das Innenministerium in Berlin in seiner Antwort auf eine kleine Anfrage des Linken Abgeordneten Andrej Hunko zugibt, dass der „umfassende Terrorismusbegriff“ der ägyptischen Regierung „unverhältnismäßig“ sei und „von den Sicherheitsbehörden als auch der Justiz immer wieder auch im Kontext von Demonstrationen gebraucht“ werde, sind im Laufe des Jahres mindestens sechs Konferenzen mit Geheimdienstlern und Polizisten aus Ägypten geplant - bei denen genau über die Bekämpfung von Terrorismus gesprochen werden soll. Gleichzeitig sollen die wegen der Repression am Nil auf Eis gelegten Vertragsgespräche über eine Polizeikooperation wieder aufgenommen werden. Obwohl dieses Abkommen nicht unterzeichnet ist - und die Bundesregierung bisher auch kein Datum dafür festgelegt haben will, gibt es schon jetzt konkrete Aktionen. Das Bundesinnenministerium werden diese im jahr 2015 105000 Euro kosten.

So werden beispielsweise bereits am kommenden Samstag beim DFB-Pokalfinale Mitglieder der berüchtigten NSS-Staatssicherheit im Berliner Olympiastadion „bei der Absicherung von einem Fußballspiel“ hospitieren. Just am selben Tag wird in Ägypten über ein Todesurteil von elf Fußball-Ultras entscheiden, die in Kämpfe rund um ein Spiel im ägyptischen Port Said 2012 verwickelt gewesen waren. Das Regime springt mit den Fußballfans inzwischen genauso rabiat um wie mit der politischen Opposition, Menschenrechtsgruppen, kritischen Studenten und der demokratischen Jugendbewegung. Mitte Mai verbot ein Kairoer Gericht alle Fan-Clubs der so genannten Ultras als Terrororganisationen. Im Frühjahr 2011 hatten die Ultras, die sehr gut organisiert sind, an der Seite der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz den Sturz von Hosni Mubarak erzwungen. Seit dem Massaker im Stadion von Port Said vor drei Jahren mit 74 Toten und über 500 Verletzten, spielt die ägyptische Erstliga ihre Meisterschaft vor leeren Rängen. Im Februar ließen die Behörden für ein Heimspiel des Zamalek-Clubs in Kairo erstmals wieder 10 000 Fans auf den Tribünen zu. 22 Ultras starben vor den Stadiontoren, als die Polizei mit Tränengas in die dicht gedrängte Menge schoss und eine Massenpanik auslöste.

Im November sind ägyptische Sprengstoffexperten zum internationalen Sprengstoff-Symposium des BKA in Magdeburg eingeladen, auf Expertenebene soll es einen Austausch zur "Terrorismus- und Extremistenbekämpfung" geben. Für einige Mitarbeiter des NSS gibt es zudem mehrmonatige Fortbildungen innerhalb des BKA, bei der sie einen "Einblick in die Strategie, die Rechtsgrundlagen und die Arbeitsweisen der deutschen Polizei bei der Kriminalitätsbekämpfung" gewinnen sollen. Zukünftig will auch die Bundesregierung sogenannte Verbindungsbeamte nach Ägypten schicken. Die Bundespolizei soll mit den ägyptischen Behörden im Bereich der "Schleuserkriminalität" und "Migration" enger kooperieren.

Dem Vernehmen nach würde die ägyptische Seite auch gerne Polizeiausrüstung aus Deutschland im eigenen Land einsetzen. Auf der Wunschliste sollen sich vor allem gepanzerte Polizeiwagen, Schutzkleidung für Sicherheitsbeamte, Abhörtechnik und weitere „nicht tödliche Ausrüstung“ wie Gummiknüpel oder Gummigeschosse. Ägyptische Vertreter berufen sich auf Signale der Zustimmung aus Berlin, dieses Equipment auch zu liefen. Bisher erhalten Polizei und Geheimdienst ihre Ausrüstung vor allem aus den USA. Aus dem Bundesinnenministerium heißt es, es liege keine solche Bitte der ägyptischen Seite vor.

Wie wird al Sisis Besuch in Deutschland ablaufen?

Sisi wird Berlin am 3. und 4. Juni besuchen. Am ersten Tag wird ihn Bundespräsident Joachim Gauck begrüßen, bevor er die Bundeskanzlerin treffen wird. Zwei Stunden sollen sich die beiden Regierungschefs austauschen bevor sie auf einer Pressekonferenz die Fragen der Journalisten beantworten. Während ein Treffen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier eher in die Kategorie Protokoll fällt, freut sich die ägyptische Delegation besonders auf den Austausch zwischen Sisi und Witschaftsminister Sigmar Gabriel. Die beiden werden die Abschlusszeremonie des deutsch-ägyptischen Wirtschaftsforums leiten. Denn für die Ägypter sind Investitionen aus Deutschland in erneuerbare Energien und Infrastruktur das wichtigste Ziel bei diesem Besuch. Am zweiten Tag ist deswegen ein Frühstück mit den Chefs der größten Unternehmen in Deutschland geplant: Siemens, Dailmer, Thyssenkrupp, Deutsche Bank und Airbus sind eingeladen auf ein Frühstücksei mit Abdelfatah al Sisi. Den Abschluss machen Bundestagsabgeordnete, die eher unter Druck stehen Sisi auch mit unangenehmen Fragen zur Menschenrechtslage in Ägypten zu konfrontieren. Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte ein Treffen mit Al Sisi abgelehnt.

Wird es Proteste gegen den Besuch geben?

Der Protest wird sogar ziemlich massiv ausfallen. Dabei konzentrieren sich die Aktionen der ägyptischen Opposition auf das Regierungsviertel. Bei der Polizei sind schon mehrere Kundgebungen mit teilweise mehr als 1000 Teilnehmern angemeldet worden. Unweit vom Bundeskanzleramt möchten ägyptische Oppositionelle mit einem Hungerstreik auf die Verfolgung der Opposition insbesondere der Muslimbruderschaft in Ägypten protestieren. Aktivisten kündigten an, den Staatsbesuch immer dort wo es ginge zu stören. Die deutschen Sicherheitsbehörden werden viel zu tun haben, den hohen Gast und seine Gegner zu trennen. Es gibt allerdings nicht nur Protest gegen das ägyptische Militär und seinen obersten Repräsentanten. So sind auch mehrere Sisi-freundliche Veranstaltungen geplant. Die koptisch-orthodoxe Gemeinde zu Berlin hat zum Beispiel eine Pro-Sisi-Kundgebung angemeldet. Sie möchte den ägyptischen Präsidenten zusammen mit ihren Gläubigen in Berlin herzlich begrüßen.

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