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Bahnchef Richard Lutz nannte das Klimapaket "großartige Nachrichten".
© dpa

20 Milliarden zusätzlich: Merkels Klimapaket wird zum „größten Investitionsprogramm“ der Bahn-Geschichte

Die Bahn freut sich über einen Geldsegen durch die Maßnahmen der Bundesregierung. Bis die Entlastung bei den Kunden ankommt, könnte es aber noch dauern.

Wenn der größte deutsche Staatskonzern kurzfristig für Sonntag früh um 11 Uhr zur Telefon-Pressekonferenz einlädt, muss schon Besonderes passiert sein. Die Deutsche Bahn AG hatte vor allem eine wichtige Botschaft: Das klamme bundeseigene Unternehmen soll mit dem Klimapaket der Bundesregierung zusätzlich mehr als 20 Milliarden Euro erhalten. Das seien „großartige Nachrichten“, mit diesem „starken Signal für die Schiene“ werde das „größte Investitions- und Wachstumsprogramm in der über 180-jährigen Bahngeschichte“ möglich, betonen DB-Chef Richard Lutz und sein Vize Ronald Pofalla, vormals Amtschef bei Kanzlerin Angela Merkel.

Für Bahnreisende bringen die Beschlüsse zunächst einen konkreten Vorteil. Die Mehrwertsteuer auf Fahrkarten im Fernverkehr soll von 19 auf 7 Prozent sinken, was die Tickets für ICE und Intercity-Züge um ein Zehntel verbilligen wird. Auch Bahncards werden entsprechend günstiger, verspricht Lutz. Die Preissenkung für die Kunden gibt es jedoch erst, wenn das Steuerrecht geändert ist. Das könnte noch einige Zeit dauern, konzernintern erwartet man die Senkung bis spätestens Mitte 2020.

Für den hoch verschuldeten und ertragsschwachen Staatskonzern ist an der Vereinbarung von Union und SPD wichtiger, dass bis 2030 das DB-Eigenkapital jedes Jahr um eine Milliarde Euro mit Steuergeld aufgestockt werden soll. Details zur Zahlung dieser insgesamt 11 Milliarden Euro an Finanzhilfen sind noch nicht bekannt. So ist offen, wie diese Finanzierung über so lange Zeit überhaupt verbindlich festgeschrieben und umgesetzt werden soll. In den Haushaltsplanungen des Bundes sind diese Mittel bisher nicht enthalten.    

Wer kontrolliert, wofür das Geld ausgegeben wird?

Auch eine Zustimmung der EU-Kommission zu diesen erneuten massiven Finanzspritzen ist nicht gewiss, da die DB AG im Wettbewerb zu vielen anderen Unternehmen im Güter-, Regional- und Fernverkehr steht, die solche staatlichen Hilfen nicht erhalten und somit benachteiligt werden. Lutz erklärte, man sei da „nicht in Sorge“. 2017 habe Brüssel einer Aufstockung des Eigenkapitals zugestimmt. Damals hatte die DB von einer Finanzspritze und dem Verzicht auf Dividenden durch den Bund im Umfang von mehr als zwei Milliarden Euro profitiert.         

Unklar ist bisher auch, welche Bedingungen der Aktienkonzern für die Finanzspritze zu erfüllen hat und ob es Auflagen gibt. So könnte festgelegt werden, dass die Steuermittel zweckgebunden nur ins staatliche Schienennetz fließen dürfen und die Verwendung streng kontrolliert wird. Der Bundesrechnungshof mahnt seit Jahren bei der Regierung eine viel bessere Überwachung der hohen Milliardenzahlungen an das Unternehmen sowie Strukturreformen an. 

Kritiker befürchten, dass der Staatskonzern mit der Finanzspritze auch die Milliardenlücken bei Stuttgart 21 stopfen könnte. Wegen enormer Mehrkosten muss die DB AG dort bereits mehr als fünf Milliarden Euro Eigenanteil finanzieren. Einen hohen Milliardenbetrag benötigt der Konzern zudem für die mehr als 100 neuen ICE-4-Züge, die Siemens in den nächsten Jahren liefert. Zudem sollen nun noch 30 andere Züge für Tempo 300 bestellt werden, was laut Lutz noch eine Milliarde Euro kosten werde.         

Es fließen noch weitere Milliarden

Die DB Netz AG, die der Konzernholding unterstellt ist, soll allein von 2020 bis 2029 weitere 52  Milliarden Euro vom Bund für Erhalt und Modernisierung der lange vernachlässigten Infrastruktur erhalten. Die entsprechende Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III) werde derzeit mit dem Verkehrs- und Haushaltsausschuss des Bundestags verhandelt, erklärte Pofalla.

Weitere 24 Milliarden Euro soll der klamme Konzern aus eigenen Mitteln für Gleisen, Brücken, Stellwerke und Bahnhöfe aufbringen. Allein der Investitionsstau beim Netz wird in internen DB-Unterlagen auf mehr als 58 Milliarden Euro veranschlagt, weil seit langer Zeit viel zu wenige Anlagen erneuert werden.

Die Probleme sollen künftig auch mit verstärkter Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik gelöst werden, die zudem mehr Kapazität durch dichtere Zugfolgen schaffen soll. Dafür hat ein McKinsey-Gutachten für die Regierung jedoch weitere 32 Milliarden Euro Kosten bis 2040 veranschlagt, deren Finanzierung völlig offen ist. Mit einem „Starterpaket“ sollen in den nächsten Jahren lediglich gut 500 Millionen Euro fließen. Die Bahnindustrie hält das für viel zu wenig.

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