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Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, wartet auf den Beginn der Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt.
© Michael Kappeler/dpa

Steuersenkung für Bahntickets: Scheuer bekommt breite Unterstützung

Verkehrsminister Scheuer will eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahn-Tickets im Fernverkehr. Dabei ist die Forderung alt.

Es kommt Bewegung in die Debatte um eine Verbilligung von Bahn-Tickets über eine Mehrwertsteuersenkung. Die von SPD und Opposition sowie Umwelt-, Verbraucher- und Bahnverbänden schon länger geforderte Reduzierung des Steuersatzes von 19 auf sieben Prozent auf Fernverkehrstickets wird nun auch von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) unterstützt. Auch das Finanzministerium von Olaf Scholz (SPD), das sich bislang zurückhaltend geäußert hatte, zeigt sich offen. „Das ist ein Vorschlag von vielen, die gut im Klimakabinett miteinander diskutiert werden können“, sagte ein Sprecher am Mittwoch. „Da werden in nächster Zeit sicherlich noch weitere Ideen folgen.“

Der Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr, Enak Ferlemann, hatte Anfang des Jahres allerdings mit Blick auf die Geschäftszahlen und hohen Schulden der Deutschen Bahn noch gefordert, dass die Bahn ihre Preise anheben und die Sondertarife reduzieren sollte. Der CDU-Politiker ist parlamentarischer Staatssekretär in Scheuers Verkehrsministerium.

Im Nahverkehr bis 50 Kilometer gibt es bereits die reduzierte Mehrwertsteuer auf Tickets. Im nationalen und grenzüberschreitenden Fernverkehr gilt der höhere Satz. Mit Spar- und Billigtickets hatte die Deutsche Bahn zuletzt so viele Fahrgäste wie nie in die Züge gelockt. Im vergangenen Jahr waren es 148 Millionen. Überfüllte Züge, Verspätungen und Serviceprobleme lassen zugleich die Zahl der Beschwerden steigen. Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, die Fahrgastzahlen im Bahnverkehr bis 2030 zu verdoppeln.

Der Trend generell steigender Fahrgastzahlen „passt“, sagte Scheuer am Mittwoch, es gebe aber noch „eine Menge zu tun“. Mit einer reduzierten Mehrwertsteuer auch im Fernverkehr könnten Bahnfahrer um bis zu 400 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden. „Wem es mit dem Klimaschutz und dem Umstieg von Auto oder Flugzeug auf die Bahn ernst ist, der muss bei der Steuer ansetzen.“

Breite Allianz für Steuersenkung

Ein Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn sagte zu Scheuers Vorstoß der dpa: „Das freut uns.“ Damit erreiche der Minister endlich einen Stand, den es in vielen anderen europäischen Ländern schon gebe. Er forderte zugleich von der Bahn, die mögliche Steuersenkung dann auch an die Kunden weiterzugeben. „Oder es muss, das wäre die andere Variante, definitiv dafür gesorgt werden, dass das in den weiteren Netzausbau gesteckt wird. Beides ist für uns Kunden eigentlich eine gute Sache.“ Günstigere Fahrpreise seien aber die Priorität. Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ist für die Steuersenkung.

„Die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern sind immer noch zulasten der Schiene verzerrt“, sagte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner. Das Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene sieht auch Vorteile. Geschäftsführer Dirk Flege bezeichnete Scheuers Vorstoß als „wichtiges Signal für mehr Klimaschutz im Verkehr“. Eine Angleichung der Steuersätze im Nah- und Fernverkehr befreie die Bahnunternehmen von unnötiger Bürokratie. „Dadurch wird Bahnfahren nicht nur billiger, sondern auch einfacher“, sagte Flege. Eine Mehrwertsteuersenkung war auch in der Verkehrskommission diskutiert worden, tauchte im Zwischenbericht für die Regierung aber lediglich in der Liste der umstrittenen Instrumente für mehr Klimaschutz auf.

Die Forderung nach einer Reduzierung der Mehrwertsteuer wurde von Grünen und Umweltverbänden mehrfach erhoben. Sie plädieren zugleich mit Blick auf den Klimaschutz für eine Kerosinsteuer, eine Abschaffung des Steuervorteils für Dieselkraftstoff und eine Straßen-Maut für Fernbusse. Nur so könne mehr Verkehr von der Straße und vom Flugzeug auf die Schiene gelenkt werden. Auf Flugtickets für internationale Verbindungen wird keine Mehrwertsteuer erhoben. Scheuer und die Deutsche Bahn verweisen auf die neue Schnellstrecke zwischen Berlin und München, die auch ohne eine Preissenkung deutlich mehr Fahrgäste angezogen – und vom Flugzeug abgezogen habe.

Omnibusunternehmer warnen vor Wettbewerbsverzerrung

„Wir haben auf dieser Strecke schon 30 Prozent der Passagiere vom Inlandsflug zum Umstieg auf die Schiene bekommen“, sagte Scheuer. Die Bahn äußerte sich zu der aktuellen Debatte nicht. Der bundeseigene Konzern hatte in der Vergangenheit wiederholt faire Wettbewerbsbedingungen im grenzüberschreitenden Verkehr gefordert. Mit einer niedrigeren Mehrwertsteuer würde Deutschland dem Beispiel vieler europäischer Länder folgen. Der ökologische Verkehrsclub VCD wies bereits darauf hin, dass jenseits der Landesgrenzen eine verringerte Mehrwertsteuer der Normalfall sei. „Die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten erhebt eine reduzierte Mehrwertsteuer auf Bahntickets“, erklärte der VCD. In Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich sei der nationale Bahnfernverkehr sogar vollständig von der Mehrwertsteuer befreit.

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer begrüßte den Vorstoß des Verkehrsministers, warnte jedoch vor einer „einseitigen Bevorzugung der DB gegenüber der privaten Busbranche“. Dies wäre ein „massiver Eingriff in den fairen Wettbewerb der Verkehrsträger“. Fernbusse wiesen immerhin die „beste Umweltbilanz aller motorisierten Verkehrsmittel“ auf. Die Bahn hatte mit zusätzlichen 19-Euro-Tickets auch auf den wachsenden Wettbewerb durch Fernbusse reagiert.

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