Weiterbau von Nord-Stream 2: Mecklenburg-Vorpommern will Firmen gegen US-Sanktionen schützen
Die USA verschärfen ihre Sanktionsdrohungen gegen Nord Stream 2. Doch das Bundesland will seine Unternehmen nun mithilfe einer neuen Stiftung dagegen polstern.
Ab diesem Wochenende rechnen deutsche Schifffahrtsbehörden mit dem Weiterbau der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 in der Ostsee. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hatte die Wiederaufnahme der Verlegearbeiten für den Dezember genehmigt. Die Pipeline-Gesellschaft Nord Stream 2 AG, die die Arbeiten wegen Sanktionsdrohungen der USA knapp ein Jahr unterbrechen musste, will loslegen – obwohl die USA ihre Drohungen gegen beteiligte Hersteller und Dienstleister zuletzt auf einen weiteren Kreis von Unternehmen ausgedehnt haben. Das geht aus dem Entwurf des Gesetzespakets für den US-Verteidigungshaushalt hervor, auf den die beiden Kammern des Kongresses sich am Donnerstag geeinigt haben.
Ein Teil der insgesamt rund 120 Unternehmen kann im Sanktions-Ernstfall inzwischen auf staatliche Unterstützung hoffen. Während US-Regierungsvertreter gezielt einzelne Firmen davor warnen, weiter am Bau der Doppelstrang-Gasleitung zwischen Russland und Deutschland mitzuwirken, bereitet sich das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern laut Medienberichten darauf vor, heimische Firmen gegen die Folgen von US-Sanktionen zu polstern.
Wie unter anderem die „Ostsee-Zeitung“ und der "NDR" berichteten, soll eine gemeinnützige Stiftung die Unternehmen unter ihr Dach nehmen und sie unter anderem bei Forschung, Kooperationen, Fort- und Weiterbildung unterstützen. Wie der Schutz oder die Kompensationen im Detail funktionieren sollen, wurde nicht bekannt. Stiftungszweck seien Klima- und Umweltschutz. Die Pipeline, die den im Vergleich zur Kohle klimafreundlicheren Energieträger Erdgas transportieren soll, werde demnach als ein Beitrag zum Klimaschutz eingestuft.
Die Zeit drängt für die Stiftung
Eine solche Landesstiftung könnte möglicherweise eine Lücke nutzen, die der neue Entwurf zum US-Verteidigungshaushalt schafft. Darin heißt es, dass die Sanktionen zwar gegen Unternehmen, aber nicht gegen europäische Regierungen und deren Körperschaften anwendbar sein werden. Nun käme es darauf an, ob diese Definition auch Körperschaften einer deutschen Landesregierung einschließt.
Angesichts des nahen Arbeitsbeginns auf der Ostsee drängt die Zeit. Den Berichten zufolge sind die Vorbereitungen des Landes für eine Stiftung bereits weit fortgeschritten. Die Staatskanzlei in Schwerin äußert sich zu dem Thema bisher nicht. Ein Sprecher wollte die Informationen gegenüber dem Tagesspiegel weder bestätigen noch dementieren.
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Fest steht, dass Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) eine der entschiedensten Verfechterinnen des Pipeline-Projekts ist, das für Umsatz und Arbeitsplätze in ihrem Bundesland sorgt. Den Verwaltungsrat der Pipeline-Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz leitet der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), den – wie auch den Nord-Stream-2-Geschäftsführer Matthias Warnig – eine langjährige Allianz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verbindet. Schwesig hatte Warnig im August in einem Gespräch versichert: „Wir sind im höchsten Maße verärgert über die Erpressungsversuche aus den USA.“ Die Landeregierung setze darauf, „dass der Pipeline-Bau möglichst schnell abgeschlossen wird“.
Schwesig unterstützt die lokalen Häfen
Im September besuchte Schwesig demonstrativ den Hafen Sassnitz-Mukran auf der Insel Rügen, er ist die wichtigste Logistikbasis für die Verlegearbeiten. Den Geschäftsführern der Hafengesellschaft hatten zuvor drei US-amerikanische Senatoren per Brief persönlich „vernichtende rechtliche und wirtschaftliche Sanktionen“ angedroht.
Eine ähnliche Visite stattete Schwesig im Oktober dem Industriehafen von Lubmin bei Greifswald ab. Dort wartet die Anlandestation von Nord Stream 2 auf ihren Anschluss an die unvollendete Pipeline. Nebenan kommt russisches Gas aus der bestehenden Leitung Nord Stream an.
Von Nord Stream 2 fehlen noch 75 Kilometer Röhre, 16 davon in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Die ab Samstag wirkende Genehmigung des BSH gilt für die deutsche AWZ, zunächst bis Ende Dezember. Wahrscheinlich, aber bisher nicht bestätigt, ist, dass das russische Verlegeschiff „Akademik Tscherski“ die Arbeiten übernimmt. Der Nord-Stream- 2-Mutterkonzern Gazprom hatte das Schiff eigens für den Einsatz in der Ostsee umrüsten lassen.
Umweltschützer ebenfalls gegen den Weiterbau
Umweltschützer bestreiten, dass dieses Schiff in den Wintermonaten überhaupt in der Ostsee arbeiten darf. Demnach dürfen die Anker, die das Schiff während der Verlegearbeit in Position halten, nach bisheriger Rechtslage zwischen September und Mai nicht eingesetzt werden. Grund sei, dass das Verfahren „mit großen Umweltzerstörungen wie Sedimentaufwirbelungen“ im sensiblen Naturraum Ostsee einhergehe, teilte die Deutsche Umwelthilfe mit. Laut BSH sind Verlegearbeiten bis Ende Dezember allerdings von einer früheren, erweiterten Genehmigung abgedeckt. Unter Naturschutzgesichtspunkten seien sie in diesem Zeitraum vertretbar. Erst für die Arbeiten von Januar bis Mai sei eine neue Genehmigung erforderlich.
Inzwischen haben allerdings die US-Sanktionsdrohungen im Fall der „Akademik Tscherski“ Wirkung gezeigt: Der norwegische Prüfungs- und Zertifizierungsdienstleister DNV GL teilte mit, er stelle seine Arbeiten an Schiffen ein, die sich am Bau von Nord Stream 2 beteiligen. Ein Unternehmenssprecher begründete das Einknicken mit der Bedrohung durch das Sanktionsgesetz „Protecting Europe's Energy Security Act“ (PEESA), das der US-Kongress wie im Entwurf zum Verteidigungshaushalt vorgesehen, nun erweitern will.
DNV GL war nach eigenen Angaben bei Nord Stream 2 bisher dafür zuständig, die Einhaltung von Qualitätsvorgaben bei den Verlegearbeiten zu kontrollieren. Das Unternehmen ist global tätig, es hat im Falle von Sanktionen der USA viel zu verlieren. Aus ähnlichen Gründen war im Dezember 2019 die Spezialreederei Allseas ausgestiegen, die mit ihren Pipeline-Verlegeschiffen weltweit aktiv ist. Seitdem ruhen die Verlegearbeiten für Nord Stream 2. (mit dpa)