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Diese oder ähnliche Schilder erwarten Gäste bundesweit seit Ende August in der Gastronomie und anderen Bereichen.
© Axel Heimken/dpa

Flüge, Kinos, Restaurants: Lückenhafte Kontrolle von 3G-Nachweisen macht es Betrügern leicht

Geimpft, genesen oder getestet? Häufig werden die Nachweise von Besuchern und Gästen nicht ausreichend überprüft. Betrüger haben es leicht.

BER, Ende September, die Abreise nach Sizilien steht an. Online mussten die Reisenden vorab ein Formular der italienischen Behörden ausfüllen und bestätigen, dass sie geimpft sind. Geprüft wird das nicht. Weder vor dem Abflug mit Ryanair, noch bei der Ankunft in Italien. Es ist, als gäbe es Corona nicht mehr.

Seit Ende August gilt bundesweit die 3G-Regel - geimpft, genesen und getestet. In einigen Bundesländern ist zudem auch 2G möglich, wie beispielsweise in Berlin mit dem sogenannten “Optionsmodell”. Weiterhin gilt in Berlin nur noch ein digitaler Nachweis. Die Kontrolle dieser Regeln ist häufig den Unternehmen der Reise-, Gastro- oder Unterhaltungsbranche aufgedrückt worden. Nur scheint diese nicht immer ernst genommen zu werden.

Das zumindest legen mehrere Untersuchungen und Erfahrungsberichte nahe. Die Studie “Covid-19 Snapshot Monitoring”, an der die Universität Erfurt und das Robert-Koch-Institut beteiligt sind, ermittelt seit Beginn der Pandemie die Einstellung der Bürger:innen zu Wissen, Risikowahrnehmung, Schutzverhalten und Vertrauen. Dabei gaben lediglich 10 Prozent der geimpften Befragten an, dass sie sehr häufig einen Impfnachweis vorlegen müssen.

Seltene Frage nach einem Impfausweis

Über die Hälfte der Befragten wurde noch (fast) nie nach einem Impfnachweis gefragt. Außerdem fanden die Studienleiter:innen heraus: Wer unter den Ungeimpften häufiger einen Nachweis zeigen sollte, hat eine etwas größere Impfbereitschaft.

Einer weiteren Umfrage zufolge macht es scheinbar auch nichts, wenn Gäste keinerlei Nachweis vorgelegen. Das Meinungsforschungsinstituts Civey stellte für das Online-Magazin “Business Insider” die Frage, ob der Zutritt in ein Restaurant, eine Bar oder in ein Kino schon einmal verweigert wurde, weil die Befragten keinen Impfnachweis oder negativen Test vorlegen konnten.

Das beantworteten 70 Prozent der Befragten mit „Nein“, nur sieben Prozent durften den Betrieb dann nicht betreten. Berichte aus dem Umfeld des Tagesspiegels bestätigen diese Ergebnisse. Vor allem in der Gastronomie werde das digitale Zertifikat nur angeschaut und weder gescannt, noch der Personalausweis kontrolliert.

Ohne Ausweiskontrolle fällt der Betrug leicht

Es gab auch Fälle, in denen der Nachweis einer anderen Person gezeigt wurde. Ohne genaue Kontrolle sei der falsche Name nicht aufgefallen und die Person konnte im Restaurant Platz nehmen. In Kinos ergibt sich ein gemischtes Bild, in Theater werde wohl streng geprüft.

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Die 3G bzw. 2G-Regel regeln die Verordnungen der Bundesländer. Für die Kontrollen sind aber die lokalen Behörden zuständig, sprich das Ordnungsamt. Die ahnden Verstöße nach Bußgeldkatalog. Der sieht beispielsweise in Bayern für Betreiber:innen bei Verstoß eine Strafe von 5000 Euro vor. Der oder die Kundin zahlt dagegen nur 250 Euro. In NRW liegt das Bußgeld bei 1500 Euro bzw. 1000 Euro.

Das Ordnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg teilt auf Anfrage mit, dass seit Mitte September bei Kontrollen nur wenige Ordnungswidrigkeiten festgestellt wurden. Außerdem seien “Adressaten der Kontrollen bzw. Maßnahmen in Gastronomiebetrieben in erster Linie die Betreiber”.

Dehoga Bayern-Chef: “Wir können die Wirte nicht zu Hilfssheriffs machen”

Dass Gastronom:innen im Fokus der Kontrollen stehen und bei Verstößen mehr zahlen, kritisiert Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer der Dehoga Bayern: “Wir können die Wirte nicht zu Hilfssheriffs machen.” Für die Kontrollen seien die Behörden zuständig, meint Geppert. Er plädiere für mehr Eigenverantwortung der Gäste. “Die Schuld liegt beim Gast. Wenn er erwischt wird, muss er die Konsequenzen tragen und zahlen, nicht der Wirt.”

Diese haben ohnehin durch die Einschränkungen einen enormen Mehraufwand, unter anderem durch höhere Personalkosten. “Die Mehrheit unserer Betriebe hat Verständnis für die Auflagen, weil sie nur so öffnen können”, sagt Geppert weiter. Jedoch gebe er zu Bedenken, dass jede Auflage regelmäßig überprüft werden müsse. Wenn die Impfquote hoch genug sei, plädiere er für die Abschaffung von 3G.

Lückenhafte Kontrolle auf europäischen Flügen

An deutschen Flughäfen ist die Bundespolizei mit der Kontrolle der Corona-Einreiseverordnung beauftragt. Bei einer Einreise aus dem Schengenraum erfolge diese aber nur stichprobenartig, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage.

Im Einsatz: An deutschen Flughäfen soll die Bundespolizei die Einhaltung der 3G-Regel kontrollieren.
Im Einsatz: An deutschen Flughäfen soll die Bundespolizei die Einhaltung der 3G-Regel kontrollieren.
© Michael Matthey/dpa

Die Pflicht, ein Impfzertifikat, Testnachweis oder Genesenennachweis mit sich zu führen, besteht aber auch gegenüber “dem Beförderer”, also den Airlines. Erfahrungsberichten zufolge wurde bei den Airlines Ryanair und easyjet allerdings nicht kontrolliert.

Eine easyjet-Sprecherin widerspricht den Berichten: "easyJet prüft vor dem Abflug alle für die Einreise in das Zielland erforderlichen Dokumente, zusätzlich zu den Flugticket- und Visabestimmungen. Dazu gehören auch COVID-Zertifikate." easyJet arbeite eng mit den Behörden zusammen, um alle Vorschriften durchzusetzen. Ryanair kommentierte die Erfahrungsberichte nicht.

Flughafen Catania, Anfang Oktober, die Rückreise aus Sizilien steht an. Diesmal sieht die Kontrolle anders aus als bei der Hinreise: Nur wer einen gültigen digitalen Impfpass vorweisen kann, darf den Flughafen betreten. Nur ein Eingang ist geöffnet, es bilden sich lange Schlangen, doch die Erfassung ist lückenlos. Plötzlich wirkt es, als wäre Corona doch noch ganz real.

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