Berlin gibt öffentlichem Druck nach: Senat beschließt bei 2G-Regelung Ausnahmen für Kinder
Chaos bei Rot-Rot-Grün: Nach heftiger Kritik auch aus den eigenen Reihen hat der Senat das 2G-Modell nun geändert. Kinder werden doch nicht ausgeschlossen.
Der Berliner Senat hat dem öffentlichen Druck nachgegeben und Kinder von den 2G-Regeln ausgenommen. Der neue Beschluss vom Mittwochnachmittag, der dem Tagesspiegel vorliegt, sieht vor, dass Kinder bis zwölf Jahre nicht unter die 2G-Regel fallen und auch dann Zutritt haben, wenn Wirte oder Veranstalter sich für dieses Modell entscheiden. Für diese Altersgruppe existiert noch kein zugelassener Impfstoff.
Für den Zutritt müssen Kinder bis sechs Jahre demnach auch keinen Coronatest machen. Kinder ab sieben Jahren müssen ebenfalls keinen tagesaktuellen, negativen Test vorweisen, wenn sie regelmäßig in der Schule getestet werden.
Im vorangegangenen Streit um Ausnahmen für Kinder vom 2G-Modell hatte Berlins Wirtschaftssenatorin Fehler eingeräumt. "Gestern ist auch mir ein Fehler unterlaufen. Ich habe versäumt auf Ausnahmen für Kinder unter 12 Jahren bei der #2GRegel zu drängen", schrieb Ramona Pop (Grüne) am Mittwoch auf Twitter. Noch sei das Modell nicht in Kraft. "Wir werden diese Entscheidung korrigieren, um Kinder nicht von der Teilhabe auszuschließen."
Angesichts des breiten Protests gegen das neue 2G-Optionsmodell etwa für die Gastronomie oder Veranstaltungen hatte die Gesundheitsverwaltung am Morgen angekündigt, der Senat werde nun doch über Ausnahmen für Kinder beraten. Dabei sollte es um "die übergangsweise Erweiterung des 2G-Optionsmodells um Kinder unter 12 Jahren, bis die Impfung dieser Kinder möglich ist" gehen, hieß es.
Der rot-rot-grüne Senat hatte am Dienstag beschlossen, dass etwa Restaurants, Zoos, Sportstätten und Freizeitangebote entscheiden dürfen, ob sie nur noch geimpfte und genesene Menschen (2G) einlassen, oder wie bisher auch getestete Personen (3G).
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Das Deutsche Kinderhilfswerk hatte dies als kinderfeindlich und familienfeindlich kritisiert, weil die Ständige Impfkommission die Impfung gegen das Coronavirus noch nicht für alle Kinder empfiehlt. Mit dem Berliner Modell würden "auf dem Rücken der Kinder die Freizeitinteressen der Erwachsenen befördert", sagte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann nach Angaben der Zeitung "Die Welt". "Die Gastronomen beispielsweise werden lieber ihr Restaurant mit Geimpften vollmachen als weiter mit halber Kapazität zu operieren und dafür auch Familien zu empfangen", sagte Hofmann.
Giffey: Entscheidung muss korrigiert werden
Auch aus etlichen Parteien kam Kritik - allen voran den Regierungsparteien SPD, Grüne und Linke, die das Modell im Senat beschlossen hatten.
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SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey wandte sich gegen den Kurs ihrer Kollegin, SPD-Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci: "Die gestrige Entscheidung des Berliner Senats zum #Optionsmodell 2G muss korrigiert werden. Wir wollen und müssen eine höhere Impfquote erreichen, aber das darf nicht auf Kosten von Kindern und ihren Familien gehen", schrieb Giffey auf Twitter.
Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin der Grünen, schrieb: „Nachdem nach unserer Kritik und der öffentlichen Reaktion nun auch Teile der SPD einlenken, sollte der Senat den gestrigen Fehler in einer Sondersitzung schnell beheben. Frau Kalacyi hat sich hier verrannt." 2G sei eine gute Option, aber nur plus Kinder und Menschen, die nicht geimpft werden können. "Wir dürfen nicht schon wieder Kinder ausschließen."
Hamburg hat vorgemacht, dass 2G mit Kindern geht
Auch Giffeys Nachfolgerin als Bundesfamilienministerin, die SPD-Politikerin Christine Lambrecht, mahnte Rücksicht auf Familien mit Kindern an. Familien dürften hier nicht noch einmal zusätzlich belastet werden, sagte sie. Lambrecht verwies auf Hamburg. Die Stadt habe bei ihren 2G-Regelungen vorgemacht, dass Kinder nicht ausgeschlossen würden. Sie verwies auf die Möglichkeit zusätzlicher Tests. Sie könne nachvollziehen, dass es um die Sicherheit der Gäste gehe. „Aber es geht auch darum, dass Familien, gerade da wo die Eltern geimpft sind und die Kinder sich nicht impfen lassen können, nicht noch einmal eine zusätzliche Belastung erfahren.“ Lambrecht forderte eine „vernünftige Lösung“, die das berücksichtige.
Auf die Hansestadt verwies auch der neue, erst am Dienstagabend gewählt Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, Daniel-Jan Girl. „Hamburg zeigt beispielsweise seit Wochen mit einer 2G-Regelung, dass Ausnahmen für Kinder keine Gefahr für den Infektionsschutz darstellen“, teilte Girl mit. Mit seinem restriktiven Vorgehen zeige der Senat „einmal mehr“ in der Coronakrise, dass die Folgen für Unternehmen nicht ausreichend bedacht würden. „Eine Korrektur des Berliner Sonderwegs, die Ausnahmen beispielsweise für Kinder ermöglicht, ist aus Sicht der Wirtschaft dringend erforderlich.“
Eine Änderung forderte auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Berlin-Brandenburg. "Der Senat hat leider vollständig ausgeblendet, dass es in den Betrieben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt", beklagte der Vorsitzende Christian Hossbach. "Deren Rechte und deren Interessen werden übergangen."
Damit spielte er darauf an, dass unter dem am Dienstag beschlossenen Modell auch das Personal bei 2G-Veranstaltungen geimpft sein muss. Das kollidiert mit dem fehlenden Recht der Arbeitgeber, den Impfstatus ihrer Beschäftigten zu erfragen. Der DGB-Vorsitzende erinnerte auch an den generell schwachen Status vieler betroffener Beschäftigter: "Gerade in den häufig diskutierten Bereichen Gastronomie, Kultur, Veranstaltungen sind unsichere Arbeitsverhältnisse weit verbreitet." (mit dpa)