Tarifkonflikt bei der Bahn: Lokführerstreik wird Zugverkehr bis Mittwochmittag stören
Die Lokführer wollen ab 21 Uhr für neun Stunden streiken. Nachts ist vor allem der Güterverkehr betroffen. Doch die Bahn rechnet mit Verspätungen bis weit in den Mittwoch hinein. Streiks gibt es auch bei Frachttochter der Lufthansa.
Die Deutsche Bahn rät ihren Kunden, an diesem Dienstagabend auf keinen Fall nach 21 Uhr unterwegs zu sein. "Kunden, die deutlich nach 21 Uhr ankommen, sollten früher fahren. Das ist die beste Empfehlung", sagte Personenverkehrs-Vorstand Ulrich Homburg. "Es wird keine geordnete Situation geben." Informationen, welche Regional- und Fernzüge genau bestreikt werden, gebe es nicht, kritisierte die Deutsche Bahn. Auskünfte über Ausfälle und mögliche Ersatzverkehre seien daher erst nach Streikbeginn möglich. "Viele Fahrgäste werden ihr Ziel nicht erreichen oder nur mit sehr großen Verspätungen", warnte der Manager. Die Bahn gehe davon aus, dass großen Bahnhöfe schnell mit bestreikten Zügen zugestellt werden. "Damit kommt der Zugverkehr weitgehend zum Erliegen."
Die Auswirkungen des Streiks werden nach Ansicht Homburgs bis Mittwochmittag zu spüren sein. "Das wird viele Pendler treffen." Die Lokführergewerkschaft GDL rief zum bundesweiten Streik von Dienstagabend um 21 Uhr bis Mittwochmorgen um 6 Uhr auf. Mehr als 200 Fernzüge seien nach 21 Uhr noch unterwegs, hinzu kämen tausende Nahverkehrszüge. Vor allem wird aber der Güterverkehr betroffen sein, der überwiegend nachts abgewickelt wird. Verhandlungen über einen Notfahrplan mit der GDL seien gescheitert, sagte Homburg. Die Arbeitnehmer seien daran offenbar nicht interessiert gewesen.
Die Bahn will zusätzlich mehrere hundert Mitarbeiter einsetzen, vor allem beim Service-Personal in den Bahnhöfen, in den Betriebszentralen und Transportleitungen sowie bei der Reisenden-Information. Das Unternehmen verwies auf die Telefonnummer 08000 - 99 66 33, die bei allen Fragen rund um den Zugverkehr weiterhelfen soll.
Es geht um mehr Lohn und Arbeitszeitverkürzung
Die GDL streikt für mehr Lohn und eine Arbeitszeitverkürzung. Sie will zudem durchsetzen, dass sie künftig nicht nur die Lokführer der DB vertritt, sondern auch andere Berufsgruppen wie Zugbegleiter, Disponenten, Lokrangierführer und Bordgatsronomen. Die werden bislang vor allem von der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertreten. Die Bahn besteht darauf, dass beide Gewerkschaften sich einigen; sie will verhindern, dass Mitarbeiter einer Berufsgruppe künftig verschiedene Verträge haben.
Weselsky fühlt sich wie in einer Bananenrepublik
Die Bahn treibe "ein böses Spiel", kritisierte GDL-Chef Claus Weselsky im Sender hr-Info. Die GDL werde genötigt, "faktisch Selbstmord zu begehen, indem sie eine Kooperationsvereinbarung unterschreibt". Er fühle sich wie in einer "Bananenrepublik, wo Arbeitgeber wie Gutsherrn mit Gewerkschaften verfahren, als wären sie deren Eigentum".
Die Bahn wiederum bezeichnete den Streik der GDL als "überflüssig, verantwortungslos, ohne jedes Gespür für die derzeitige Situation", wie Personalvorstand Ulrich Weber sagte. Er forderte die GDL auf, "unverzüglich an den Verhandlungstisch zurückzukehren". In ihrem letzten Angebot hatte die Bahn vorgeschlagen, die Tarifverhandlungen auszusetzen, bis die von der Regierungskoalition geplante gesetzliche Grundlage zur Tarifeinheit "klar ist". Bis dahin sollen die Lokführer zwei Prozent mehr Lohn erhalten.
Koalition plant Gesetz zur Tarifeinheit
Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, eine neue gesetzliche Regelung zur Tarifeinheit zu finden. Mit dem Gesetz wollen sie den Einfluss kleiner, aber durchsetzungsstarker Gewerkschaften begrenzen. Ein erstes Eckpunktepapier wurde im Sommer verworfen. Wann ein Entwurf ins Kabinett kommt, ist unklar.
Die Auswirkungen des Lokführerstreiks auf den Güterverkehr sind nach Angaben des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes insgesamt begrenzt. Das werde die Wirtschaft nicht zum Erliegen bringen, sagte ein Sprecher in Bonn. Die Bahn transportiere überwiegend Massengüter; Spediteure könnten auf Lkw-Transport umsteigen.
Laut Bahn fahren in 24 Stunden rund 5000 Güterzüge in Deutschland. Ein Krisenteam in der europäischen Leitstelle in Frankfurt am Main werde versuchen, die Auswirkungen des Streiks zu begrenzen. Bahn-Vorstand Homburg appellierte an die Lokführer, die Züge nicht mitten auf der Strecke stehen zu lassen und so das Schienennetz zu blockieren. Dies sei arbeits- und strafrechtlich relevant. Bei den jüngsten Warnstreiks hatten sichi nach Bahn-Angaben 1400 Lokführer am Ausstand beteiligt und damit den Zugverkehr weitgehend lahmgelegt.