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Auf der Flucht. Weil Banken bei großen Summen schnell Verdacht schöpfen, spielt Bargeld in der organisierten Kriminalität mittlerweile eine untergeordnete Rolle. Foto: O. Boehmer / Fotolia
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Obergrenze für Barzahlung: Krumme Geschäfte gehen auch bargeldlos

Die EU-Finanzminister wollen Barzahlungen begrenzen, um Kriminalität einzudämmen. Große Summen verschieben Gangster allerdings sowieso auf andere Weise.

Die Welt ist schlecht. Dabei könnte sie so viel besser sein. Drogenhandel, Geldwäsche, Steuerhinterziehung: All das gäbe es kaum oder gar nicht mehr in einer Welt ohne Bargeld. Das sagen zumindest diejenigen, die Scheine und Münzen am liebsten abschaffen würden. Etwa der Wirtschaftsweise Peter Bofinger oder der Harvard-Professor Kenneth Rogoff. Auch in der Bundesregierung glaubt man, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Bargeld und Kriminalität – zumindest bei großen Scheinen. Deshalb setzt sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf EU-Ebene jetzt für eine Obergrenze bei Barzahlungen ein. Bei 5000 Euro soll Schluss sein – höhere Beträge soll man nur noch überweisen oder per Karte bezahlen können. Bereits kommende Woche will der Finanzausschuss des Bundestages über diese Obergrenze für Bargeld sprechen.

Doch lassen sich Kriminelle davon wirklich abschrecken? Wird ihr Geschäft dadurch so sehr erschwert, dass sie es einstellen oder auffliegen? Experten bezweifeln das. Eine Obergrenze für Bargeld zu fordern sei zwar populär – aber wenig zielführend, sagt zum Beispiel Friedrich Schneider. Der Ökonom forscht an der Universität Linz zu Geldwäsche und Schattenwirtschaft und sagt: „Die Politiker schauen zu viel Tatort.“ Im Krimi bezahlten die Bösen ihre krummen Geschäfte noch immer mit einem Koffer voller Scheine. Doch mit der Realität habe das wenig zu tun.

Für Dealer ändert die Obergrenze nichts

„Kriminellen ist egal, ob es eine Obergrenze für Bargeld gibt oder nicht“, sagt Schneider. So würden Kleinkriminelle selten große Summen einnehmen. Wer etwa im Görlitzer Park Drogen verkaufe, käme niemals auf 5000 Euro. Für die Dealer würde sich mit einer Obergrenze also nichts ändern.

Und die organisierte Kriminalität? Die findet erst recht andere Wege. Schon jetzt schleust sie Bargeld nur in kleinen Tranchen ins System ein – wenn überhaupt. „Große Summen begleichen sie längst bargeldlos“, sagt Schneider. Das funktioniert zum Beispiel über Scheinfirmen im Im- und Exporthandel. Das eine Unternehmen stellt dem anderen eine Rechnung und schon ist das Geld außer Landes gebracht. Auf diese Weise landet das Geld auf Konten in der Karibik, in Hongkong oder oder in Liechtenstein. Oft werde eine Leistung auch gleich mehrfach abgerechnet. Weil das Geld aber über verschiedene Banken überwiesen wird, fällt das nur bei einer sehr genauen Prüfung auf.

Kriminelle haben ausgefeiltes System aufgebaut

Was den Behörden die Arbeit besonders schwer macht: Schwarzgeld ist kein nationales Problem – auch kein europäisches. Um es zu waschen, wird es traditionell weltweit hin und her geschoben. Der Export von Schwarzgeld sei die größte Gefahr für die globale Wirtschaftskraft, sagt Raymond Baker, Chef der Denkfabrik Global Financial Integrity.

Die Organisation mit Sitz in Washington untersucht regelmäßig die globalen Finanzströme. Ihren jüngsten Berechnungen zufolge kommt das meiste Schwarzgeld mittlerweile aus China: 1,4 Billionen Dollar an unversteuerten Geldern sollen die Chinesen bereits jährlich am Fiskus vorbei außer Landes bringen. Weitere große Exporteure von Schwarzgeld sind demnach Russland, Mexiko, Indien und Malaysia. Dabei geht es um Transaktionen im großen Stil – und die werden eher selten in Bargeld ausgeführt.

Weltweit haben die Kriminellen ausgefeilte Systeme aufgebaut, um krumme Geschäfte über Bankkonten abzuwickeln. Erst wird das Geld hin und her überwiesen, bis kaum noch nachvollziehbar ist, wo es herkommt. Dann investieren die Kriminellen es in Kunstwerke, Antiquitäten oder Immobilien. Spätestens wenn sie die wieder verkaufen, ist das Geld gewaschen. Nicht selten kommen Kriminelle dafür auch nach Deutschland – kaufen und verkaufen hier zum Beispiel Wohnimmobilien. Rund 60 Milliarden Euro sollen hierzulande mittlerweile jedes Jahr gewaschen werden.

Verhindern kann man das mit einer Obergrenze für Bargeld nicht. Denn kaufen Kriminellen hierzulande eine Wohnung, legen sie dem Makler kaum einen dicken Umschlag mit Geldscheinen auf den Tisch. Solche großen Barzahlungen waren früher vielleicht üblich. Heute ist das aber selbst den Kriminellen zu heikel, sagt der Berliner Anwalt für Steuerstrafrecht Klaus Olbing.

Eine Alternative sind Digitalwährungen

So hätten Gauner früher zum Beispiel gerne mal einen Sportwagen bar bezahlt. Wollten sie ihn wieder loswerden, hätten sie dafür ebenfalls Bargeld genommen. Mit dem Geld und der Quittung seien sie dann zur Bank gegangen und hätten es eingezahlt. Mussten große Summen gewaschen werden, haben sie ein und dieselbe Quittung gleich bei mehreren Banken vorgezeigt und so auf einen Schlag Millionen gewaschen. Heute wird das durch die Geldwäsche-Vorschriften der Banken allerdings erschwert. Bei größeren Summen schöpfen die Banker schnell Verdacht – und melden den Fall den Behörden.

Die Folge: Kriminelle versuchen schon heute nach Möglichkeit auf Barzahlungen zu verzichten. Zumal sie mittlerweile genügend Alternativen haben – zum Beispiel durch neue Digitalwährungen wie Bitcoins. Dass auch Kriminelle die gerne nutzen, zeigt das Beispiel des Onlinedienstes Liberty Reserve. Über die Plattform – die ihren Sitz erst in New York, dann in Costa Rica hatte – konnten Nutzer bis vor drei Jahren Euro und Dollar in eine eigene Digitalwährung tauschen. Sie besaßen dann „Liberty Euro“ oder „Liberty Dollar“.

Weil die Nutzer sich für die Registrierung nicht ausweisen mussten, konnten sie sich leicht unter falschem Namen anmelden und illegal erworbene Gelder waschen. Der Gründer von Liberty Reserve hat sich mittlerweile schuldig bekannt und zugegeben über seinen Dienst für seine Kunden mehr als 250 Millionen Dollar gewaschen zu haben. Auch wenn dieses Angebot längst stillgelegt ist: Kriminelle werden immer wieder Möglichkeiten wie diese zu finden, um illegal erworbene Gelder legal erscheinen zu lassen.

Von Effekten der Begrenzung nicht überzeugt

Das gilt auch für Terroristen. Ihnen will die EU das Leben mit der Obergrenze für Bargeld besonders schwer machen. „Es bestehen Risiken, dass große Banknoten und große Bargeldmengen genutzt werden können, um den Terrorismus zu finanzieren“, sagt Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. So sollen Terroristen zum Beispiel auch hierzulande Bargeld einsammeln, es als Spenden deklarieren und über Mittelsmänner außer Landes bringen. Abhalten lassen werden sie sich davon allerdings durch gesetzliche Vorschriften kaum. Experten gehen davon aus, dass Terroristen dann ebenfalls verstärkt auf elektronische Zahlungswege ausweichen werden.

Ökonom Schneider ist daher überzeugt, dass der Effekt einer Obergrenze für Bargeld kaum spürbar sein wird. „Selbst die Abschaffung des Bargelds könnte die Kriminalität höchstens um drei bis vier Prozent eindämmen“, sagt er.

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