Kampf gegen Geldwäsche: Was soll das Bargeld-Limit von 5000 Euro?
Das Bundesfinanzministerium will im Kampf gegen die Geldwäsche neue Wege gehen. Dazu gehört eine Bargeldobergrenze. Verschwinden sollen die Scheine und Münzen aber nicht.
Nein, sagt Michael Meister, das Bargeld wolle die Bundesregierung nicht abschaffen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium betonte am Mittwoch, man wolle auch weiterhin Bargeld im Umlauf haben. Nur solle die Geldwäsche besser bekämpft werden. Und deshalb erwägt das Ressort von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), eine Obergrenze für Bargeldgeschäfte von 5000 Euro einzuführen.
Denn Geldwäsche, also das Einspeisen unversteuerten Geldes aus oftmals kriminellen Aktionen in den normalen Geldumlauf, wird häufig über Bargeldtransaktionen eingeleitet – um der Entdeckung über den bereits kontrollierten bargeldlosen Kontenverkehr zu entgehen. Auch die Terrorbekämpfung spielt als Begründung eine Rolle.
Allerdings will Schäuble darauf hinarbeiten, dass eine EU-weite Obergrenze eingeführt wird. Das könnte noch eine Weile dauern. Andere Länder wie Spanien und Italien haben jedoch bereits eine Deckelung von Bargeldgeschäften auf nationaler Ebene eingeführt. Über die Abschaffung der 500-Euro-Scheine, sagt Meister, macht sich das Ministerium keine Gedanken. Das sei Sache der Notenbank.
Wie verbreitet ist Geldwäsche in Deutschland?
Das Finanzministerium hat, um seine Gesetzesverschärfungen zu begründen, ein Gutachten in Auftrag gegeben. Da sich Geldwäsche nicht exakt messen lässt, was in der Natur der Sache liegt, trägt das Ergebnis den Titel „Dunkelfeldstudie“. Der Kriminologe Kai-D. Bussmann von der Universität Halle hat dazu die Erkenntnisse aus vielen Interviews zusammengetragen, mit Experten aus Justiz und Polizei sowie Berufsverbänden sowie mit etwa tausend Personen aus Berufsfeldern, in denen Geldwäsche typischerweise eine Rolle spielt. Das sind neben Rechtsanwälten, Versicherungs- und Immobilienmaklern und Vermögensverwaltern auch Kraftfahrzeugs- oder Bootshändler, Schmuckverkäufer, Kunstgaleristen, Antiquitätenanbieter.
Aus all diesen Gesprächen hat Bussmann Hochrechnungen erstellt, wie umfangreich das Geschäft mit schwarzem Geld in Deutschland sein könnte. Das finanzielle Volumen wird in der Studie mit 20 bis 30 Milliarden Euro im Nicht-Finanzsektor beziffert, der bisher kaum kontrolliert wird. Nimmt man den Finanzsektor hinzu sowie Unternehmen in der Gastronomie oder im Glückspiel, die speziell für die Geldwäsche gegründet wurden, kommt Bussmann auf eine Schätzung von über 100 Milliarden Euro.
Da Banken und andere Finanzinstitute schon schärferen Kontrollen und einer Meldepflicht bei verdächtigen Kontenbewegungen unterliegen, kommen aus diesem Sektor deutlich mehr Verdachtsmeldungen. 2013 waren es knapp 18000. Aus dem Nicht-Finanzsektor kamen dagegen nur 250. Bussmann nimmt an, „dass das Dunkelfeld im Nicht-Finanzsektor auf mindestens 15.000 bis 28.000 Verdachtsfälle jährlich zu schätzen ist“. Den Finanzämtern wirft Bussmann vor, nicht sensibel genug zu ein bei der Prüfung von Unternehmen.
Woher kommt das Geld und wo fließt es hin?
„Bei Geldwäsche handelt es sich um transnationale Kriminalität“, sagt Bussmann. Ein Großteil der Milliarden stammt daher aus illegalen Geschäften im Ausland, häufig aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität. Das kann Rauschgifthandel sein, Steuerbetrug, Erpressung, Menschenhandel, Prostitution, auch die Einkünfte des Islamischen Staates aus Ölgeschäften können dazu gehören. Die italienische Mafia etwa wäscht einen Teil ihrer Gewinne in Deutschland, das als „sicherer Hafen“ gilt, wie Bussmann sagt.
Zwar wird Geld nicht selten über den Kauf von Luxusgütern gewaschen, als teuren Uhren und Autos. Aber in der Hauptsache geht es eher um langlebige Güter, die wenig Wertverlust haben, und um das Generieren weiterer Gewinne. „Geldwäscher handeln großenteils wie Investoren und orientieren sich wie in der legalen Wirtschaft an den Kriterien lukrativer und unauffälliger Anlagemöglichkeiten“, heißt es in der Studie. Die häufig leere Pizzeria mit dennoch hohen Umsätzen ist also nicht unbedingt das typische Geldwäscheobjekt.
Welche Branchen haben ein hohes Risiko?
Laut Bussmann findet Geldwäsche im großen Stil im Immobilien- und Bausektor statt. Was im Übrigen auch zu Preissteigerungen in diesem Segment führen könne, wenn sich die Schwarzgelder auf bestimmte lukrative Märkte konzentrieren. Beim Erwerb oder Bau von Immobilien sind üblicherweise nicht nur Makler, Baufirmen und Architekten beteiligt, sondern auch Rechtsanwälte und Notare. In diesen Berufsgruppen sei jedoch das Problembewusstsein gegenüber Geldwäsche nicht sonderlich ausgeprägt, sagt Bussmann. Es würden zu wenige Verdachtsfälle gemeldet. Gleiches gilt offenbar für Händler von Kunst und Antiquitäten sowie für Hersteller von im Yachten.
Ebenfalls als Hochrisikobereich wird in der Studie die Führung von Treuhand- und Anderkonten genannt – also Konten, die etwa Anwälte oder Vermögensberater für Kunden führen, aber nicht unbedingt unter deren Namen. Hier kommen auch Strohmänner zum Einsatz. Über diese Sonderkonten können Bargeldbeträge gewaschen werden. Anwälte und Vermögensberater bekommen in ihrem Geschäft durchaus Einblicke in die Herkunft von Geldern. Laut Bussmann entspricht das Problembewusstsein in diesen Berufsgruppen aber nicht dem hohen Risiko, in Geldwäsche verwickelt zu werden.
Was will die Regierung tun?
Das Ziel ist offenkundig, möglichst viele Geldgeschäfte in der Zukunft nachvollziehbar über elektronische Transaktionen abzuwickeln. Nicht das Bargeld soll verschwinden, wohl aber die Möglichkeit, Geschäfte mit höhere Barsummen zu tätigen. Der Geldkoffer soll sozusagen zum Auslaufmodell werden.
Neben der Bargeldobergrenze, mit der höhere Bargeldtransaktionen strafbar würden, will das Finanzministerium laut Meister vor allem in Gesprächen mit den zuständigen Berufsverbänden der Rechtsanwälte und Geldberater erreichen, dass das Meldeverhalten sich verbessert. Der Mandantenschutz solle respektiert werden.
Die Regierung setzt dabei auf Freiwilligkeit. Zwar könnte der Fiskus solche Konten auch über die meldepflichtigen Banken kontrollieren, doch will das Finanzministerium früher ansetzen und auf die „Kundenkenntnis“ der Anwälte und Berater zurückgreifen. Was freilich nur gelingt, wenn diese mitmachen. Notaren ist die Annahme von Bargeld verboten – das könnte irgendwann auch für Anwälte gelten. Zudem soll die nationale Meldestelle für Verdachtsfälle vom Bundeskriminalamt ins Bundesfinanzministerium verlagert werden. Auch dürfte der Bundesfinanzminister bei seinen Kollegen in den Ländern darum bitten, dass die Finanzverwaltung im Kampf gegen Geldwäsche besser aufgestellt wird.
Wie reagieren die Länder?
Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) begrüßte den Vorstoß. „Ich halte eine Obergrenze bei Bargeldgeschäften grundsätzlich für eine gute Maßnahme", sagte er dem Tagesspiegel. "Ob bei 5000 Euro oder wie beim Zoll bei 10.000 Euro, ist zu diskutieren. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass sich mit einer Begrenzung Steuerhinterziehung und Schwarzgeldgeschäfte besser unterbinden lassen.“
Bestätigt fühlt sich auch der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), der seit längerem eine Bargeldobergrenze verficht (und im Kampf gegen Steuerhinterziehung auch früh auf den Ankauf von Kontendaten aus der Schweiz setzte). Bei dem Vorstoß, Zahlungen oberhalb einer gewissen Grenze verpflichtend per Überweisung vorzunehmen, gehe es nicht um die Abschaffung des Bargeldes, sondern um die Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug im großen Stil. Hier aber gehe es vorwiegend um Barzahlung in großen Summen. "Die Unterstellung, damit Barzahler per se zu verdächtigen, ist Unsinn, zumal die wenigsten Normalbürger Rechnungen über tausende von Euro bar begleichen", sagte Walter-Borjans dem Tagesspiegel. "Wo die Grenze liegt, darüber kann man reden. Ich habe 3000 Euro ins Gespräch gebracht und finde es gut, dass es in diesem Punkt Bewegung gibt. Von mir aus kann jeder sein Geld bar in den Keller legen. Nur hohe Rechnungen zu begleichen sollte an die Pflicht zur Banküberweisung gekoppelt sein."
Der Stuttgarter Finanzminister Nils Schmid (SPD) kommentierte den Vorstoß aus dem Hause Schäuble mit den Worten: "Es ist wichtig, den Kampf gegen Geldwäsche konsequent zu führen. Jetzt gilt es, die Debatte mit Augenmaß zu führen und zu einer europaweiten Regelung zu kommen."
Ohne Bargeld haben wir schneller den gläsernen Bürger: Lesen Sie hier den Kommentar von Ariane Bemmer zur Bargelddebatte und den Folgen für den Datenschutz.
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