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Ramona Pop sorgte für schnelle und unbürokratische Landeszuschüsse - nur nicht für alle Antragsteller.
© dpa

Hilfsgelder doch nach Schnelligkeit verteilt?: Keine neuen Landeszuschüsse für leer ausgegangene Antragsteller in Sicht

Schon wenige Tage nach dem Start der Zuschuss-Vergabe, waren die Landesmittel ausgeschöpft. Beim Senat sieht man keine Not, neue Zuschüsse bereitzustellen.

Wer einen Antrag auf Corona-Zuschüsse bei der IBB gestellt hat, nachdem die Landesmittel ausgeschöpft waren, kann sich kaum Hoffnung darauf machen, diese Gelder doch noch zu erhalten. Das geht aus den Antworten aus mehreren Anfragen hervor, die der Tagesspiegel an die Senatsverwaltungen für Wirtschaft, Kultur und Finanzen gestellt hat.

Um Selbstständigen und Kleinunternehmern in der Coronakrise schnell zu helfen, hatte der Senat im März das Soforthilfepaket II ins Leben gerufen. Damit konnten Betroffene binnen weniger Tage Zuschüsse in Höhe von 5000 Euro bekommen. Die Gelder, die nicht zurückgezahlt werden müssen, konnten gemeinsam mit den Bundeszuschüssen bei der Investitionsbank Berlin (IBB) online beantragt werden.

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Nachdem die Antragstellung am Freitag, dem 27. März online ging, wurde das Verfahren aber schon am Dienstag danach pausiert, "um auf einheitliches Bundesprogramm umzustellen", wie die IBB mitteilte. Das stellte sich allerdings als ein Euphemismus dafür heraus, dass ab jetzt einfach nur noch die Bundesmittel beantragt werden konnten, nicht aber die Landesmittel. Die waren zu diesem Zeitpunkt nämlich ausgeschöpft.

Gab es Missbrauch der Zuschüsse?

Die Folge: Zehntausende Gewerbetreibende erhalten seitdem ohne inhaltlichen Grund 5000 Euro weniger als die vorherigen Antragsteller. Das sorgt gerade deshalb für Verstimmung, weil die Verantwortlichen stets betont haben, es komme nicht darauf an, die Anträge besonders schnell zu stellen. So hatte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop noch zu Beginn der Antragstellung bei Twitter versichert, es seien genug Mittel da, es gelte nicht das Windhundprinzip.

Problematisch ist zudem, dass inzwischen mehrfach von Missbrauch der Zuschüsse berichtet wurde; dass also unberechtigte Antragsteller die Landesmittel erhalten hatte, solche, denen sie aber nach den geltenden Kriterien zustünden, nun leer ausgehen. Derzeit geht die Staatsanwaltschaft 20 Verdachtsfällen nach und spricht von der "Spitze des Eisbergs".

Hintergründe zum Coronavirus:

Dass sich daran noch etwas ändert, ist unwahrscheinlich. Auf die Frage, ob ausgezahlte Gelder aus missbräuchlichen Anträgen, den berechtigten Antragstellern wieder zur Verfügung stehen, teilte die Senatsverwaltung für Wirtschaft mit: "Wenn Gelder zurückerstattet werden müssen, stehen diese dem allgemeinen Haushalt zur Verfügung." Gelder, die ursprünglich als Hilfen für Selbstständige gedacht waren, ihnen aber durch Missbrauch vorenthalten wurden, sind danach also nicht mehr für sie gedacht.

Man gehe ohnehin davon aus, dass eine große Mehrheit von Soloselbstständigen mit den Hilfen vor Umstellung auf das Bundesprogramm bereits erreicht wurden. Tatsächlich fallen rund 151.000 Anträge mit Volumen von rund 1,3 Milliarden Euro in die Zeit, in der noch Landesmittel zur Verfügung standen. Seitdem sind allerdings nach Angaben der Senatsverwaltung 48.000 Anträge hinzu gekommen. Sie alle müssen anders als vom Senat anfangs versprochen auf die Landesmittel verzichten.

"Staatliche Hilfe darf kein Glücksspiel sein"

Kultursenator Klaus Lederer hatte auf Twitter schon am Tag, als bekannt wurde, dass Berlin die Zuschüsse ausgegangen waren, geschrieben, man habe sich nicht "verrechnet", habe aber nicht mit einem solchen Andrang gerechnet. Er verwies darauf, dass nun der Bund weitere Hilfen bereit stellen solle. Überhaupt kann man in der Senatsverwaltung für Kultur kein Problem erkennen. Als das Landesprogramm zur Soforthilfe II ausgesetzt wurde, konnten schließlich auch keine Anträge mehr gestellt werden, heißt es hier lapidar nach dem Motto: Wo kein Antrag, da auch kein leer ausgegangener Antragsteller.

Bei der Senatsverwaltung für Finanzen heißt es, derzeit liefen Gespräche mit dem Bund, um dessen bereitgestellte Mittel noch besser auf landeseigene Programme abzustimmen und mögliche Aufstockungen auszuloten. Es geht dabei dem Vernehmen nach vor allem um die Frage, ob auch ausgefallene persönliche Einnahmen mit den Zuschüssen ausgeglichen werden können. Aktuell müssen Corona-geschädigte Soloselbstständige ihre Lebenserhaltungskosten über die Grundsicherung ausgleichen.

Beim Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland ist man vom Senat enttäuscht. "Es ist nicht akzeptabel, dass das Land Berlin Selbstständige und Freiberufler in Not so ungleich behandelt", sagt der Vorstandsvorsitzende Andreas Lutz. Für Betroffene könne das Ausbleiben einer Hilfe existenzielle Folgen haben, weil sie zumeist Einzelunternehmer sind und mit ihren privaten Ersparnissen und großen Teilen ihrer Altersvorsorge haften. "Staatliche Hilfe darf kein Glücksspiel sein", meint er. "Besonders erschüttert mich, dass man den Antragstellern sagt es gelte kein 'Windhundprinzip' – und dann gilt es doch."

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