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Der Weg zum Traumhaus ist für Kreditnehmer jetzt schwieriger geworden.
© Jens Büttner/dpa

Neues Gesetz: Strengere Regeln für die Vergabe von Immobilienkrediten

Der Wert eines Gebäudes darf nun weniger stark in die Berechnung einfließen. In der Folge bricht das Geschäfte einiger Sparkassen um 20 Prozent ein.

Auf der Suche nach einer sicheren Geldanlage wollen immer mehr Menschen in Immobilieneigentum investieren und viele tun das auch. Sie sind bereit sich immer höher zu verschulden, um ihr Ziel zu erreichen. Dies jedenfalls legt eine aktuelle Analyse von rund 200.370 Kreditanfragen auf dem Baufinanzierungsportal von ImmobilienScout24 nahe.

Vor allem in den Metropolregionen sei die Verschuldungsbereitschaft hoch, heißt es in der Auswertung. Es müssten goldene Zeiten angebrochen sein für Banken, die Immobilienkredite vergeben. Doch dem ist nicht so, jedenfalls nicht überall und bei allen Kreditinstituten. Die Sparkassen in Baden-Württemberg liefen in dieser Woche Sturm gegen neue Vorschriften zu Wohnimmobilienkrediten. Und wie sehen die Sparkassen in Berlin und in Brandenburg die Lage?

Finanzkraft und Alter des Kreditnehmers sind jetzt maßgebend

„Der Gesetzgeber ist hier übers Ziel hinausgeschossen“, sagte der Präsident des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg, Peter Schneider, in Stuttgart. An einigen Punkten müsse das Gesetz nachgebessert werden, das seit Ende März gilt. Seitdem sei die Kreditvergabe an Häuslebauer und -käufer im Südwesten um zwanzig Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 2,58 Milliarden Euro eingebrochen.

Der Bundestag habe bei der Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie unnötig viel draufgesattelt, kritisierte der Sparkassenpräsident. Im Zusammenhang mit der Gesetzesnovelle wurde auch das Widerrufsrecht für Immobilienkredite verändert.

Laut dem neuen Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie darf der Wert der finanzierten Immobilie nun nicht mehr so stark berücksichtigt werden wie in der Vergangenheit. Banken müssen sich somit vor allem an der Finanzkraft und dem Alter des Kreditnehmers orientieren. Vor allem Rentner hätten damit Schwierigkeiten, an Darlehen zu kommen, sagte Schneider. Zudem sei der bürokratische Aufwand höher – und unklare Rechtsbegriffe legten die Saat für Beratungsfehler und Klagen. „Es schwebt über uns das Damoklesschwert der fehlerhaften Beratung.“

Beratungszeiten haben sich verlängert

Leidet die Berliner Sparkasse – zum Beispiel – auch unter der Übernahme der EU-Richtlinie, die das Ziel hat, massenhaft faule Verbraucherkredite im Gefolge einer Immobilienpreisblase zu verhindern?

„Von einem Einbruch des Baufinanzierungsgeschäfts kann bei der Berliner Sparkasse nicht die Rede sein“, sagt auf Anfrage Andreas Partenheimer, Leiter Private Immobilienfinanzierung bei der Berliner Sparkasse und ergänzt: „Im Vergleich zum Vorjahr ist das Geschäft sogar kräftig gewachsen. Natürlich haben sich durch die zusätzlich aufzunehmenden Daten die Beratungszeiten verlängert. Und bei einigen unterschiedlich auszulegenden Bestimmungen bestehen auch noch Rechtsunsicherheiten. Das wird bei unseren Kreditentscheidungen angemessen berücksichtigt.“

Die Nachfrage nach Baufinanzierungen sei auf jeden Fall ungebrochen hoch.

Ostdeutscher Sparkassenverband: "Die Regelungen sind völlig lebensfremd"

Im Berichtsgebiet des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) ergibt sich indes ein anderes Bild. In diesem Dachverband der Sparkassen sind die Länder Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt organisiert. Im Berichtsmonat Juni wurde für Brandenburg zum Beispiel im Vergleich zum Jahr 2015 ein Minus von fast 21 Prozent bei den Wohnungsbaukrediten verzeichnet. Auf das erste halbe Jahr gesehen waren die Wohnungsbaukredite im Jahresvergleich hier um 3,2 Prozentpunkte rückläufig.

Der Geschäfsführende Präsident des OSV, Michael Ermrich, sagte deshalb auf Anfrage: „Ich halte die Anforderungen an die Kreditwürdigkeit in Teilen für völlig überzogen. Ich meine damit die Anforderungen, die unsere Sparkassen stellen müssen, weil der Gesetzgeber sie dazu zwingt. Der Gesetzgeber hat die Anforderungen an die Kreditwürdigkeit unnötig verschärft und den Ermessensspielraum der Institute stark eingeschränkt, der Wert einer Immobilie wird kaum noch berücksichtigt. Hier sehe ich Änderungsbedarf. In der Praxis dürfen unsere Sparkassen Kunden keinen Kredit geben, obwohl wir sie gut kennen und wissen, dass sie ihren Kredit auch zurückzahlen. Dies kann ältere Menschen betreffen, die einen Hauskredit wollen, aber auch junge, gut verdienende Paare. Das Haus gilt nicht mehr als Sicherheit, solche Regelungen sind völlig lebensfremd.“

„Ich weiß gar nicht, wo der Regelungsgrund ist – man sitzt fassungslos davor“, stimmt der Präsident des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg, Peter Schneider, seinem Kollegen vom OSV zu.

Nicht alle Banken leiden

Die Schwäche im Immobiliengeschäft ist für die Sparkassen ein weiterer Belastungsfaktor neben den rekordniedrigen Zinsen und steigenden Kosten für die Bankenaufsicht.

Doch nicht alle Banken leiden. „Grundsätzlich begrüßen wir die EU-weite Harmonisierung und Stärkung des Verbraucherschutzes bei Immobiliendarlehen, weil sie Rechtsklarheit schafft und die Transparenz in der Beratung erhöht. In der Commerzbank hat sich die Wohnimmobilienkreditrichtlinie nicht negativ auf unser Neugeschäft ausgewirkt. So sind wir im ersten Halbjahr 2016 bei der privaten Baufinanzierung weiter gewachsen“, sagte auf Anfrage Thomas Rutzki von der Commerzbank AG.

Momentan lasse sich eine negative Auswirkung auf das Kreditgeschäft der Sparda-Bank Berlin „nicht feststellen“, sagte auch Sprecher Tobias Jacob Berten. „Wir werden die Entwicklung aber weiter aufmerksam verfolgen.“ Eine Sprecherin der HypoVereinsbank lässt sich so zitieren: „Wir verzeichnen keine negativen Auswirkungen auf die Kreditvergabe für unsere Kunden im Immobilienfinanzierungs-Geschäft.“

Die durchschnittlich gewünschte Kreditsumme liegt in Berlin nach Angaben von ImmobilienScout24 mit 203.728 Euro eher im Bundesdurchschnitt. Die Verschuldungsdauer ist rückläufig: 61 Netto-Monatseinkommen – fünf Gehälter weniger als Ende 2015. (mit Reuters)

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